Grundeinkommen ins Parteiprogramm der LINKEN?

Ronald Blaschke 08.10.2010 Druckversion

Das vorläufige Parteiprogramm der LINKEN, genannt Programmatische Eckpunkte enthielt bereits eine Formulierung zum Grundeinkommen: DIE LINKE tritt ein „für die Einführung einer bedarfsorientierten, repressionsfreien sozialen Grundsicherung. […] Wir diskutieren mit unterschiedlichen Partnern weiter über Vorschläge für ein bedingungsloses Grundeinkommen.“ Die entscheidende Frage lautete: „Ist es ausreichend, eine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung für Menschen in sozialer Not zu fordern, oder ist ein bedingungsloses individuelles Grundeinkommen als Rechtsanspruch für alle Bürgerinnen und Bürger zu verlangen?“

Wie die WählerInnenschaft der LINKEN diese Frage beantwortet, zeigen die Ergebnisse einer bisher nicht veröffentlichten Studie der Partei DIE LINKE: 86 Prozent der befragten Wählerinnen und Wähler der LINKEN sprechen sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. Auch scheint sich eine Mehrheit der Mitglieder für das Grundeinkommen auszusprechen: 54 Prozent plädieren für das Grundeinkommen, während lediglich 35 Prozent für eine Grundsicherung sind. In dieser Studie von Ringo Jünigk wird aber auch deutlich, dass sogar 68 Prozent der Parteimitglieder das Grundeinkommen befürworten, wenn man nicht die Entscheidung zwischen Grundeinkommen und Grundsicherung abfragt, sondern die grundsätzliche Position zum Grundeinkommen. (Hier die Ergebnisse beider Studien in einer Übersicht.)

Das sind deutliche Signale dafür, dass das Grundeinkommen für die LINKE ein zukunftsträchtiges Projekt sein könnte. Allerdings spiegelt sich dies nicht im derzeit diskutierten Entwurf des Programms der Partei DIE LINKE wider. Dort steht kein Wort mehr zum Grundeinkommen. Es wird lediglich auf die schon im Wahlprogramm 2009 der LINKEN fixierte sanktionsfreie, bedarfsdeckende und individuell bedürftigkeitsgeprüfte Mindestsicherung verwiesen.

Insbesondere die gewerkschaftlich orientierte LINKEN-Strömung „Sozialistische Linke“ (SL) verdammt das Grundeinkommen in Bausch und Bogen. In einer Stellungnahme zum Entwurf des Parteiprogramms heißt es: „Arbeit ist die Quelle des gesellschaftlichen Wohlstands. Die Arbeiterbewegung führt seit jeher soziale Kämpfe gegen kapitalistische Ausbeutung und Herrschaft. Es gibt keinen Weg zum Sozialismus, der an diesen Kämpfen für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und eine demokratische Neuorganisation von Arbeit und Produktion vorbeiführt, etwa durch das bedingungslose Grundeinkommen.“ Nicht einmal als Diskussionsgegenstand möchte die Sozialistische Linke das Grundeinkommen mehr im Programm der LINKEN haben. Diese Haltung ist umso verwunderlicher, bedenkt man, dass an der Gewerkschaftsbasis die Diskussion zum Grundeinkommen einen Aufschwung erlebt, wie es zum Beispiel anhand des ver.di-Beschlusses deutlich wird. Verwunderlich ist diese Haltung auch angesichts der Forderung nach einem Grundeinkommen in der IG-Metall-Umfrage.

Die Frage stellt sich also: Handelt die gewerkschaftsorientierte „Sozialistische Linke“ nicht nur an der großen Zustimmung zum Grundeinkommen in der WählerInnen- und in der Mitgliedschaft der Partei DIE LINKE vorbei, sondern auch an der Gewerkschaftsbasis?

Anders als die „Sozialistische Linke“ positioniert sich die Partei-Strömung „forum demokratischer sozialismus“ (fds). In ihren 13 Thesen zum Programmentwurf schreibt sie zwar: „Die Debatte über das ‚Bedingungslose Grundeinkommen‘ (BGE) wollen wir führen, auch wenn wir uns als forum demokratischer sozialismus diese Forderung nicht zu eigen machen.“ Deutlich wird allerdings auch Kritik an der „Sozialistischen Linken“ geübt. Sie würde das bedingungslose Grundeinkommen als Utopismus markieren: „Damit“, so heißt es weiter, „wird nicht weniger versucht, als die in unserer Partei geführte Kontroverse ohne inhaltliche Debatte darüber zu beenden.“ Mehrere Passagen in den 13 fds-Thesen beziehen sich positiv auf das Grundeinkommen: „Im forum demokratischer sozialismus ist die Forderung nach Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) ebenfalls nicht unumstritten. Anders als die SL sind wir jedoch der Auffassung, dass schon allein die Diskussion über die unterschiedlichen Formen der Grundsicherung bis hin zum bedingungslosen Grundeinkommen wertvolle Beiträge zur Weiterentwicklung der linken Debatte über Strategien der Beschäftigungs-, Sozial- und Gesellschaftspolitik liefert. Wir halten es für notwendig, Überlegungen anzustellen, wie das Recht auf eine gesicherte Existenz und gesellschaftliche Teilhabe nicht mehr allein von Erwerbsarbeit abhängig ist.“ Und weiter heißt es: „In der aktuellen Debatte um das Für und Wider des BGE positionieren wir uns wie folgt: Angestrebt wird durch uns eine moderne Form des Rechts auf Arbeit: Alle haben ebenso ein Recht auf einen fairen Anteil an bezahlter Erwerbsarbeit wie auf einen fairen Anteil an disponibler Zeit. In diesem Sinne soll Grundeinkommen mit einem universellen und für jede und jeden gleichen faktischen Zugang zu Erwerbsarbeit verbunden sein. Ein solches Grundeinkommen würde das Prinzip der ‚kurzen Vollzeit’ stützen. Die so gewonnene Zeit würde aber nicht dem Staat oder über Subventionen den Unternehmen, sondern den Individuen selbst zur Disposition gegeben.“

Auch die Feministin und Marxistin Frigga Haug, die viele AnhängerInnen hat, positioniert sich zum Grundeinkommen. Im Rahmen ihrer Debatte über die mangelnde feministische Ausrichtung des Programmentwurfes und die Vier-In-Einem-Perspektive orientiert sie auf die gesellschaftliche und individuelle Umverteilung und Reduzierung von Erwerbsarbeit: “Die Empörung der im Erwerbsleben Tätigen […] kann genutzt werden, um die aus der Erwerbsarbeit Herausgefallenen mit zusätzlicher Verachtung zu belegen. Das Spannungsfeld wird zunehmend ein ideologisch umkämpftes Terrain. In ihm entfalten sich Alternativbewegungen, die etwa im Kampf um ein bedingungsloses Grundeinkommen die Verknüpfung von sozialer Sicherheit mit Kontrolle über den Arbeitseinsatz als einen Zusammenhang begreifen, kapitalistische Disziplin zu reproduzieren. Ihr Aufbruch sollte in ihrem Beharren, dass die sozialen Garantien des Lebens (Luxemburg) in einer modernen Gesellschaft allen gewährt werden müssen, verknüpft werden mit dem Verlangen, die Zeit, die die Einzelnen in der Erwerbsarbeit verbringen, auf das historisch notwendige Maß zurückzudrängen.“

Die in der Partei DIE LINKE agierende und mit ca.800 Mitgliedern starke Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE hat Anfang des Jahres 2010 ihr überarbeitetes Konzept für ein Grundeinkommen in Höhe von 1.000 Euro für Erwachsene vorgelegt (Kinder / Jugendliche bis zum 16. Lebensjahr 500 Euro). Dieses Konzept einer Endausbaustufe des Grundeinkommens wurde im Rahmen der Debatte über das Wahlprogramm der Partei DIE LINKE 2009 um ein Konzept der schrittweisen Einführung eines Grundeinkommens ergänzt. Wie nicht anders zu erwarten, hat die BAG Grundeinkommen sich auch in der aktuellen Programmdebatte zu Wort gemeldet. Stefan Wolf, einer der SprecherInnen der BAG, hat die Argumente für die Aufnahme des Grundeinkommens ins Parteiprogramm in einer Wortmeldung zur Programmdebatte zusammengefasst.

An der Seite der großen Anzahl der BefürworterInnen des Grundeinkommens in der LINKEN-WählerInnen- und Mitgliedschaft steht auch Katja Kipping, die stellvertretende Vorsitzende der Partei DIE LINKE, sozialpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion DIE LINKE und Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag. Sie veröffentlichte jüngst mehrere Beiträge zum Thema Grundeinkommen – mit direktem und indirektem Bezug zur Programmdebatte. In dem Beitrag Nicht auf der Höhe der Zeit attestiert sie dem Programmentwurf mangelnden Respekt vor der Vielfalt der linken Bewegung. In einem Beitrag in der Wochenzeitung ‘Freitag’ diskutiert sie das Grundeinkommen als eines von mehreren Transformationsprojekten, die die Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft grundlegend verschieben sollen: „Kein Projekt hat so sehr das Potenzial dazu wie das bedingungslose Grundeinkommen – ein Einkommen, das jedem Menschen qua Existenz zusteht. Dieses sollte ein Leben jenseits der Armut ermöglichen und ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Zwang zur Arbeit ausgezahlt werden. Es greift eine entscheidende Voraussetzung der kapitalistischen Ausbeutung an: Die Abhängigkeit derjenigen, die nicht über Produktionsmittel verfügen und nur ihre Ware Arbeitskraft anzubieten haben. Ein Grundeinkommen würde sie in eine bessere Verhandlungsposition versetzen. Sie wären nicht zwingend auf den sofortigen Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen. So eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Mitbestimmung, für das Erstreiten höherer Löhne oder besserer Arbeitszeiten. Ein Grundeinkommen erleichtert auch die Gründung von Genossenschaften oder anderen Formen der solidarischen Ökonomie.“ In ihrem jüngsten Interview im ‘Neuen Deutschland’ arbeitet Katja Kipping den Bezug des Grundeinkommens auf die Grundrechte heraus.

Die verschiedenen Vorstöße der BefürworterInnen eines Grundeinkommens in der LINKEN bleiben nicht unwidersprochen, wie dieser Beitrag aus der Feder von (Ex-)Gewerkschaftsfunktionären deutlich macht. Er zeigt, dass es noch einige dicke Bretter zu bohren gilt, um das Grundeinkommen im Programm der Partei zu verankern. Kämpfe für emanzipatorische Politikansätze sind auch in einer linken Partei nötig.

Um der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen im Programm der Partei DIE LINKE Nachdruck zu verleihen, können Mitglieder wie auch SympathisantInnen, die der Partei nicht angehören, in einer Online-Abstimmung ihre Unterstützung kundtun.

4 Kommentare

Alexander Janke schrieb am 08.10.2010, 19:25 Uhr

Schöne Zusammenfassung der aktuellen Lage der Linken. Aber die auch in dem Artikel als entscheidend beschriebene Frage, was ein Grundeinkommen leisten kann, das eine sanktionsfreie Mindestsicherung nicht bietet, muss noch klarer beantwortet werden.

Ich arbeite derzeit immer mit der fortdauernden mentalen Spaltung, die eine sanktionsfreie Mindestsicherung zwischen sozialversicherungspflichtig Erwerbstätigen und \"bloßen\" Beziehern der Mindestsicherung bedeuten würde, sowie mit dem Hinweis auf Bürokratie. Außerdem scheint mir wichtig, dass die sanktionsfreie Mindestsicherung nicht zu modernen Arbeitsweisen passt (Projektarbeit, befristete Arbeitsverträge).

Was gibt es noch für Argumente?

Marc Schneider schrieb am 09.10.2010, 05:31 Uhr

Erwerbsarbeit ist eine Frage der Definition innerhalb einer mehr oder weniger dogmatischen Ideologie. Diesen Begriff und dessen Legitimation in Frage zu stellen, ist Emanzipation. Menschen handeln angeblich individuell rational, aber jeder hat im gegebenen System einen eigenen, meist systemgeprägten Standpunkt, und das Rationale wird sehr schnell Opfer des Egoismus bzw. des Egozentrismus.

Angesichts der globalen Fakten werden die - mit Respekt bedachten - Helden der Arbeit früher oder später, so oder so, an ihre Grenzen kommen. Nicht die Emanzipation ist Feind des allgemeinen Wohlergehens, sondern die Borniertheit derjenigen, die den sozialistischen Gedanken nicht konsequent und nicht jedes Gesellschaftsmitglied einschließend zu Ende denken wollen, nur weil sie vermeintlich noch auf der Gewinnerseite stehen.

Jörg Brockmann schrieb am 11.10.2010, 11:54 Uhr

Nach der nicht veröffentlichten Studie (warum eigentlich nicht?) sind 86 Prozent der Wähler und Wählerinnen der Partei \"Die Linke\" für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Wird Zeit das \"Die Linke\" ihr Parteiprogramm anpasst. Oder sind da etwa \"noch\" undemokratische Kräfte bei den Linken am Drücker?

Manfred Seitz schrieb am 20.04.2011, 15:13 Uhr

Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein muss,damit die permanente Erpressung durch

Arbeitgeber,Jobcenter ein Ende hat.Arbeitslose muss mit erhobenen Kopf ohne

sich schämen zu müssen am gesellschaftlichen

Leben teilnehmen können.

Einen Kommentar schreiben

Erforderliche Felder sind mit * markiert.
Bitte beachten Sie die Regeln für die Veröffentlichung von Kommentaren.