Klärende Worte, Ergebnisbericht und Ausstellung zum Grundeinkommensprojekt in Namibia

Ronald Blaschke 13.08.2011 Druckversion

Einige GegnerInnen des bedingungslosen Grundeinkommens versuchen, die Idee des Grundeinkommens und Grundeinkommensprojekte durch unsachliche Kritik zu diskreditieren. So müssen sich auch die AktivistInnen der Basic-Income-Grant-Coalition in Namiba mit solchen Versuchen auseinandersetzen.

Jüngst erschienen in der deutschsprachigen namibischen Allgemeinen Zeitung zwei längere Beiträge, die die Geschichte des Projekts und die Vorzüge des Grundeinkommens gegenüber bedingten Transfers sachlich darlegen und sich den Vorwürfen stellen. Beide Beiträge sind online zu lesen (Beitrag 1, Beitrag 2).

In den Beiträgen werden auch einem Deutschen diffamierende und unsachgemäße Behauptungen vorgeworfen: Dr. Rigmar Osterkamp (wir berichteten), der im Bereich Internationaler Institutionenvergleich beim ifo-Institut für Wirtschaftsforschung tätig war, einem Institut, das für seine neoliberale wirtschaftpolitische Ausrichtung bekannt ist. Osterkamp ist derzeit an der Fakultät Wirtschaft & Management-Wissenschaften an der University of Namibia tätig.

Er behauptete zum Beispiel im Mai 2011, dass an der Begleitforschung zum BIG „keine unabhängigen externen Sachverständigen mitgewirkt [haben], […]. Denn all die genannten Profs – überwiegend aus Südafrika und auch mit der dortigen BIG-Koalition verbunden – sind ausgewiesene BIG-Befürworter. Und sie sind offensichtlich keine Spezialisten in Methoden der empirischen Sozialforschung […].“ Die BIG-AktivistInnen antworten auf diese Unterstellung wie folgt: „Die Forschungsberichte, die das Pilotprojekt auswerten, stützen sich auf mehrere Datenquellen und wurden von vier ausgebildeten Forschern mit langjähriger Erfahrung in diesem Bereich geleitet. Ein Team von 15 NamibianerInnen wurde ausgebildet, bei der Datenerhebung zu helfen. Eine Referenzgruppe, die noch zusätzlich den akademischen Standard und die Wissenschaftlichkeit der Studien garantiert, bestand aus international anerkannten WissenschaftlerInnen. Alle drei sind Professoren der Wirtschaftswissenschaft mit langjähriger Erfahrung in der empirischen Forschung und Publikationen in unterschiedlichen Fachbereichen. Die Professoren sind von Universitäten in Südafrika (Kapstadt), USA (Yale), und England (Bath).“

Auch fragte Osterkamp im April 2010 polemisch: „Es stellt sich die Frage […], ob das Projekt überhaupt für Namibia gedacht war oder vor allem dazu dienen sollte, die deutsche Diskussion über ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) mit einem real existierenden Beispiel zu beleben.“ Im zweiten Teil dieses Beitrages folgerte er: „So darf man im BIG-Projekt in Namibia – und seiner deutschen Unterstützung – wohl eine andere Begründung und Zielsetzung vermuten: Für die Forderung nach einem Grundeinkommen in Deutschland soll es endlich ein konkretes Beispiel geben, das der deutschen BGE-Gemeinde Mut machen kann.“ Die BIG-AktivistInnen aus Namibia verweisen dagegen auf folgende Fakten: „Im Jahre 2002 hat eine von der namibischen Regierung eingesetzte Steuerkommission (NAMTAX) ein universelles Grundeinkommen (universal income grant) als das beste Mittel vorgeschlagen, um die hohe Armut und Ungleichheit in Namibia zu verringern und dadurch Namibia auf einen nachhaltigen Wirtschaftswachstumskurs zu bringen. NAMTAX argumentierte, dass nachhaltiges Wirtschaftswachstum nicht möglich sei, wenn die hohe Armut und Ungleichheit bestehen bleiben. Die Kirchen und zivilgesellschaftliche Organisationen in Namibia haben bei einer Konferenz in Windhoek im November 2004 entschieden, diese Forderung von NAMTAX zu unterstützen und eine BIG-Koalition zu bilden, um zusammen mit allen Interessenträgern an der Einführung zu arbeiten.“

Diese beiden Beispiele sollen zeigen, mit welchen Mitteln versucht wird, die Grundeinkommensidee und konkrete Projekte zur Umsetzung des Grundeinkommens zu diffamieren. Dies sollte – unabhängig davon, wie man zum Projekt in Namibia oder in anderen Ländern, zum Beispiel in Indien, steht – Anlass sein, in der Auseinandersetzung um das Grundeinkommen und um konkrete Projekte objektiv, transparent, sachlich und fair vorzugehen, sich kritischen Debatten zu stellen und somit unsachlichen Unterstellungen von vornherein das Wasser abzugraben.

An dieser Stelle soll noch auf zwei gute Möglichkeiten verwiesen werden, sich ein umfassendes Bild zum BIG-Projekt in Namibia zu machen:
Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat in Kooperation mit AktivistInnen der BIG-Coalition eine deutschsprachige Publikation herausgegeben. In ihr findet sich ein ausführlicher Evaluationsbericht zum BIG-Projekt in Otjivero. Die Publikation enthält auch ein Vorwort von Katja Kipping, stellvertrende Vorsitzende der Partei DIE LINKE und Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales, und von Dr. Zephania Kameeta, dem Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik Namibia und Mitglied der BIG Coalition Namibia. Diese Publikation wurde erstmals auf dem Dresdner Kirchentag 2011 der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die zweite gute Möglichkeit: Die Bonner Initiative Grundeinkommen hat 2010 über das Pilotprojekt in Otjivero und seine Auswirkungen eine Fotoausstellung erstellt. Diese wurde durch den Ausschuss für Internationales und Wissenschaft der Stadt Bonn gefördert. Seit Anfang des Jahres 2011 ist sie auf Wanderschaft. Nach Stationen u. a. in Hamburg, Bremen und Nürnberg ist sie vom 11.-31. August 2011 in Berlin im Afrika-Medienzentrum/LoNam-Verlag zu sehen. Die Ausstellung kann auch online besichtigt werden.

Der Publikation und der Ausstellung ist eine zahlreiche Leser- und Seherschaft zu wünschen.

2 Kommentare

Christoph Schlee schrieb am 31.08.2011, 12:34 Uhr

Bei aller Unterstützung für die Grundeinkommensprojekte sollte doch mit Einwänden versucht werden sachlich umzugehen. Lapidar darauf zu verweisen, dass die evaluierenden Experten eine entsprechende Ausbildung genossen haben, entkräftet den Einwand einer \"parteiischen\" Evaluierung nicht.

Mich wundert schon seit langem, dass die Betreiber des Projektes in Namibia auf die Kritik, ihre Studie verfüge über keine unabhängige Evaluierung, so entrüstet reagieren. Wer ein Grundeinkommensprojekt ausschließlich von bekannten Befürwortern bewerten lässt, setzt sich (auch wenn sie anerkannte Professoren sind) dem Verdacht aus, an einem unabhängigen Gutachten gar nicht interessiert zu sein. Die Kritik an einem solchen Verhalten ist in der Grundeinkommensbewegung durchaus vorhanden und sollte ernst genommen werden. Die Grundeinkommensdiskussion wird nur vorankommen, wenn sie von beiden Seiten, den Kritikern und Befürwortern, nicht allzu polemisch geführt wird.

Abgesehen davon habe ich nur wenig Zweifel, dass die Ergebnisse des Praxisprojektes der BIG-Koalition vorzeigbar sind. Fraglich erscheint allerdings, ob Erfahrungen in einem Dorf ohne weiteres auf ein ganzes Land übertragen werden können. Dazu sind sicherlich weitere Modelle notwendig, auch mit möglicherweise geringerem Betreuungsstandard, der ja auch landesweit nicht bereitgestellt werden könnte.

Nicht hinlänglich ersichtlich erscheint mir weiterhin, ob das Grundeinkommen nicht ähnlich wirken würde, wenn es vorübergehend als eine Art Anschubfinanzierung ausgezahlt würde, um z. B. eine gewisse Infrastruktur aufzubauen. Um diese Fragen zu beantworten, erscheinen mir auch Modelle über einen längeren Zeitraum hinweg erforderlich, die dann von Experten untersucht werden sollen, die nicht als ausgewiesene Befürworter des BGE oder gar als Aktive des Basic Income Earth Networks bekannt sind.

Stefan Bürk schrieb am 11.09.2011, 20:56 Uhr

\"Diffamierungen\", \"Behauptungen\", \"Unsachlichkeit\", \"Gegnerinnen\", \"Polemik\" ... Warum werden Menschen, die sich kritisch mit dem Grundeinkommen auseinandersetzen, hier mit einem etwas abfälligen Wortschatz bedacht? Wir, die BGE-Befürworter, sollten doch für jede Kritik dankbar sein: Sie bringt das Thema hoch und wir können unsere - faire und freundliche - Argumentation trainieren.

Ansonsten kann ich den Wirbel um Namibia nicht ganz nachvollziehen: Ein paar hundert Leute in einem afrikanischen Dorf bekommen über kurze Zeit ein paar Dollars geschenkt - was beweist das? Siehe auch die Anmerkungen zu Namibia unter www.bgebge.de, wo dargestellt wird, dass dies vielleicht die denkbar beste Entwicklungshilfe ist, für die BGE-Diskussion in Deutschland aber wenig hergibt.

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