Bericht über die Mitgliederversammlung am 12. Dezember 2009

Herbert Wilkens 14.12.2009 Druckversion

Die Mitgliederversammlung (MV) fand mit mehr als 50 Teilnehmern im Paul-Gerhardt-Stift im Berliner Arbeiterbezirk Wedding statt. Die Tätigkeit des Netzwerks wurde eingehend erörtert, und in konzentrierter Beratung wurden zahlreiche Beschlüsse gefasst. Die Einzelheiten werden im Protokoll veröffentlicht, die folgende Zusammenfassung der Tagung mag aber nützlich sein.

Tätigkeitsbericht

Der Netzwerkrat (NWR) erstattete über seine Aktivitäten seit der letzten Mitgliederversammlung Bericht. Besonders zu erwähnen sind:

  • Die Woche des Grundeinkommens fand mit Beteiligung zahlreicher Initiativen (siehe Website www.woche-des-grundeinkommens.eu ) in mehreren europäischen Ländern statt (Deutschland, Italien, Luxemburg, Österreich, Schweiz, Ukraine). Einen Überblick über die vielen Aktionen bieten die Meldungen, die in das Aktuelle Archiv Grundeinkommen Eingang gefunden haben (dort Suchfunktion benutzen!).
  • Das Netzwerk entsandte zwei Vertreter zu der Tagung des USBIG (U.S. Basic Income Guarantee Network) in New York und machte dort die deutsche Grundeinkommensbewegung bekannt, insbesondere die Woche des Grundeinkommens. (Reisekosten mussten nicht aus den regulären Spendeneinnahmen des Netzwerks bestritten werden, sondern die Mittel wurden gesondert eingeworben.)
  • In Herzogenrath wurde mit finanzieller Unterstützung der EU-Kommission eine wissenschaftlich-politische internationale Tagung durchgeführt. Dort wurde eine Resolution verabschiedet, welche die EU-Kommission auffordert, durch detailliert benannte konkrete Maßnahmen das Grundeinkommen zur Lösung aktueller sozialpolitischer Probleme in der EU zu nutzen.
  • Das Netzwerk hat die Bundestagswahl begleitet. Das lässt sich u.a. an der Initiative „Grundeinkommen ist wählbar“ ablesen.
  • Öffentlichkeitsarbeit – Sonderbeilage im Publik-Forum, Broschüre „ABC des Grundeinkommens“. Ein eigener Flyer des Netzwerks steht vor der Fertigstellung.
  • Ausbau der Website grundeinkommen.de mit neuem Logo und aktualisierter Struktur des Informationsangebots. Die gute Entwicklung der Zugriffszahlen wird hervorgehoben.

  • Es wurde ein stetiger Mitgliederzuwachs erreicht. Gegenwärtig hat das Netzwerk rund 2500 Mitglieder. Es wird allgemein bedauert, dass der Frauenanteil nach wie vor gering ist.
  • Der Haushalt des Fördervereins scheint 2009 mit leichtem Plus abzuschließen. Das Gesamtvolumen dürfte zwischen 20 und 30 Tausend EUR liegen. Die Zahlen stehen noch nicht fest; hierzu ist der zum Jahresende zu erstellende Jahresabschluss abzuwarten, der den Mitgliedern zur Kenntnis gegeben wird. Bei den Einnahmen aus Unterstützungsbeiträgen der Mitglieder des Netzwerks wirkt sich nachteilig aus, dass viele Alt-Mitglieder sich noch nicht neu registriert haben und somit auch die Frage nach möglichen Unterstützungsbeiträgen von ihnen noch nicht beantwortet ist.

Johannes Ponader bedauert, dass seine persönlichen Ziele, die er sich für die Arbeit im NWR gesetzt hatte, nur unzureichend zu verwirklichen waren. Er bedauerte insbesondere, dass die Anbindung des Netzwerkrats an die Netzwerkbasis nach wie vor äußerst mangelhaft sei und dass beim Einwerben von Geldern Versäumisse zu beklagen seien. So gebe es immer noch keine Ausschüttung von Mitgliedsbeiträgen an die regionalen Initiativen, wie sie in den Statuten des Netzwerks vorgesehen war. Um hier mehr zu erreichen, hätte es eines sehr hohen Einsatzes bedurft, für den es ihm jedoch an Kraft fehlte. Er erklärte deshalb seinen Rücktritt aus dem NWR, was von den Anwesenden mit Bedauern zur Kenntnis genommen wurde. Der NWR hat somit nur noch neun Mitglieder. Eine Nachwahl von NWR-Mitgliedern fand mangels KandidatInnen nicht statt.

Beratung zu Aufgaben und Zielen des Netzwerks Grundeinkommen

Die Generaldebatte förderte zahlreiche Einzelziele und -aufgaben zutage. Es ist nicht verwunderlich, dass sie nicht alle völlig neu waren, aber die Aussprache war dennoch nützlich, weil sie eine Besinnung auf unmittelbare Ziele und längerfristige Aufgaben des Netzwerks brachte und sich zahlreiche Mitglieder daran beteiligten. Zu nennen sind vor allem folgende Punkte:

  • Es muss mehr inhaltliche Diskussion im Netzwerk und mit den noch Außenstehenden erreicht werden.
  • Die öffentliche Debatte um die Grundsicherung für Kinder und eine Mindestrente sollte für die Verbreitung der Grundeinkommensidee genutzt werden.
  • Auf der Website sollte noch stärker für das Grundeinkommen geworben werden.
  • Eine neue Woche des Grundeinkommens sollte organisiert werden – wenn möglich mit noch breiterer Beteiligung und mehr Ländern.
  • Netzwerkmitglieder sollten ermutigt werden, sich in politischen Parteien zu engagieren. Auch die Arbeit in den Gewerkschaften wäre dringend zu intensivieren.
  • Es wurde angeregt, einen „Parlamentarischen Abend“ mit aktiven Politikern, insbesondere Bundestagsabgeordneten zu veranstalten.
  • Das Netzwerk sollte zu aktuellen politischen Entwicklungen Stellung nehmen, insbesondere zu der bedrohlichen Schwächung der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Sozialversicherung.
  • Bei der Diskussion um Bürgergeldmodelle sollte das Netzwerk klarmachen, dass unser Kriterienkatalog das „Original“ ist und nicht verwässert werden darf. Eine Abgrenzung gegen Fehlentwicklungen unter der Flagge von Bürgergeld-ähnlichen Argumenten sollte nicht gescheut werden.
  • Der Wissenschaftliche Beirat bzw. seine Mitglieder wird gebeten, mehr für die Stärkung der inhaltlichen Basis des Netzwerks zu tun. Studien und Beiträge zur Website sind dringend erwünscht.
  • Es sollte geprüft werden, wie eine internationale Grundeinkommenskampagne auf Internet-Basis organisiert werden kann.
  • Die EU-Kommission muss an den Auftrag erinnert werden, den das Europaparlament ihr erteilt hat, nämlich zu prüfen, wie Soziale Sicherung durch Grundeinkommen erreicht werden kann.
  • Grundeinkommensinitiativen für Entwicklungsländer sollten nachdrücklich unterstützt werden. Ein Beispiel ist Namibia, andere (von Brasilien bis zur Mongolei) sind gleichermaßen unterstützungswürdig.
  • Bei aller Bereitschaft zu politiknaher Arbeit wird gemahnt, die eigene gedankliche Basis zu vervollkommnen und sich auf die eigenen Werte und Ziele zu besinnen.

Beschlüsse

Die MV fasste nach teilweise sehr intensiver Diskussion eine Reihe von Beschlüssen, die für die künftige Arbeit wesentlich sind (Einzelheiten und Abstimmungsergebnisse werden demnächst im Protokoll veröffentlicht):

  • Rassismus in Sinne einer gruppenspezifischen Abwertung von Menschen ist mit einer Mitgliedschaft im Netzwerk Grundeinkommen unvereinbar. Mitglieder, die gegen diesen Grundsatz verstoßen, werden ausgeschlossen. Sie haben Einspruchsmöglichkeit vor der MV, welche die Mitgliedschaft wieder in Kraft setzen kann.
  • Regionalinitiativen werden bis auf weiteres nicht nach festen Regeln an den Einnahmen aus Unterstützungsbeiträgen beteiligt. Die entsprechende Bestimmung der Statuten des Netzwerks wurde gestrichen. Ausschlaggebend war die Überlegung, dass der bürokratische Aufwand – insbesondere der Nachweis der satzungsgemäßen gemeinnützigen Verwendung – in keinem vernünftigen Verhältnis zu der geringen verteilbaren Masse stände. Die MV hat den Netzwerkrat beauftragt, gangbare Wege zur Förderung der Regionalinitiativen zu suchen.
  • Auf der Website wird ein passwortgeschützter Mitgliederbereich eingerichtet. Er dient zunächst der besseren Vernetzung unter den Mitgliedern und der Information über netzwerkinterne Angelegenheiten. Der geschützte Bereich bildet darüber hinaus eine Voraussetzung zur Durchführung von Online-Abstimmungen. Die Einführung von Online-Abstimmungen ist allerdings umstritten. Vor allem die mögliche Konkurrenz zu NWR-Beschlüssen und Entscheidungen, die aus offener und allgemeiner Diskussion in einer MV hervorgegangen sind, wurde als Problem gesehen. Deshalb soll die technische Abstimmungsplattform bis zur endgültigen Entscheidung einer MV nur zu Testzwecken genutzt werden.
  • Die Redaktion wird darauf achten, dass Berichte über allgemein bedeutsame Aktivitäten der Regionalinitiativen an hervorgehobener Stelle bekannt gemacht werden, z.B. auf der Startseite der Website.
  • Über die Verwendung der Website www.woche-des-grundeinkommens.eu wird der NWR im Benehmen mit den übrigen in- und ausländischen Organisatoren der Woche des Grundeinkommens entscheiden.
  • Für die Wahl des Netzwerkrats wurde eine Wahlordnung verabschiedet, die – bei entsprechender Kandidatenzahl – sicherstellt, dass der Netzwerkrat 12, mindestens aber 8 Mitglieder hat, davon die Hälfte Frauen, und dass die NWR-Mitglieder möglichst von mindestens der Hälfte der bei der MV anwesenden Mitglieder gewählt werden.
  • Einzelne Tagesordnungspunkte von NWR-Sitzungen können ausnahmsweise und bei ausführlicher und protokollierter Begründung nicht-öffentlich behandelt werden.
  • Die Mitgliedschaft des Netzwerks bei Attac bleibt bestehen.
  • Der Antrag für die Förderung einer „BGE-Party-Hotline“ wird vom Netzwerk nicht unterstützt.
  • Die nächste MV soll früher stattfinden, etwa im Oktober, und der Termin soll frühzeitig festgelegt und mitgeteilt werden.

2 Kommentare

Robert Bleilebens schrieb am 18.12.2009, 12:55 Uhr

Das sind in wichtigen Fragen sehr traurige Beschlüsse! Online-Abstimmungen werden also als mögliche Konkurrenz gesehen zu Beschlüssen des Netzwerkrates! Das sollen sie ja auch sein! Denn die Mitglieder sollen doch die Entscheidungen treffen; und nicht eine kleine Clique von Funktionären! Johannes Ponader hat die mangelnde Vertretung der Mitgliederinteressen zu Recht beklagt! Er war ein großer Lichtblick im neuen Netzwerkrat. Nun ist er gescheitert bei seinem Versuch, mehr Demokratie und Freiheit im Netzwerk durchzusetzen. Sein Rücktritt ist zwar schade, jedoch konsequent! Gegen die Funktionärsmentalität, die Demokratie nur als unliebsame Störung ihrer eigenen Machtfülle sieht, ist beim Netzwerk offensichtlich kein Kraut gewachsen!

Dies zeigt auch die Tatsache, daß das Netzwerk weiterhin Mitglied bleibt bei attac. Das ist eine autoritäre, linksdogmatische Organisation. Ich habe viele schlechte Erfahrungen mit attac gemacht. Sie alle aufzuzählen, führt hier zu weit. Jedenfalls wird durch diese Mitgliedschaft die Neutralität des Netzwerkes verletzt. Es hat nach wie vor starken Linksdrall.

Für Menschen wie mich, die keine linksautoritären Konzepte wollen, sondern stattdessen die Freiheit des Einzelnen, ist im Netzwerk offensichtlich kein wirklicher Platz. Ich werde daher aus diesen Tatsachen die Konsequenzen ziehen und noch vor Jahresende aus dem Netzwerk austreten!

Mir reichts!

Wolfgang Schlenzig schrieb am 18.12.2009, 17:57 Uhr

Ich habe an dieser MV teilgenommen. 50 Teilnehmer sind akzeptabel. Davon waren bestimmt 50% keine Berliner. Die MV wurde von Herrn Wilkens charmant aber straff geführt, so dass wir pünktlich 18.00 Uhr die Tagesordnung abgearbeitet hatten. Und ich glaube insgesamt zufriedenstellend für die Anwesenden. Wir haben uns zu inhaltlichen Punkten grundsätzlich verständigt, das Statut präzisiert und Aufgaben für die nächste Zeit formuliert. Das betraf sowohl die \"Basis\" als auch den Netzwerkrat. In Finanzfragen muss exakter gearbeitet werden.

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