Sanktionen bei Hartz IV: ja oder nein?

Ronald Blaschke 27.04.2012 Druckversion

Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung (Dateien unten) am 26. April 2012 im Bundestag über den Antrag der LINKEN zur Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV und Leistungseinschränkungen bei der Sozialhilfe (wir berichteten im Vorfeld) zeigt, wie stark die derzeitigen Abgeordneten der Logik des Bestrafens und Disziplinierens verhaftet sind. Zwang zur Arbeit und zu anderen Gegenleistungen bestimmt nach wie vor das Denken der meisten Abgeordneten im Deutschen Bundestag.

Gegen den Antrag der LINKEN, also für die Beibehaltung grundrechtswidriger Sanktionen und Leistungskürzungen, stimmten die Abgeordneten von CDU/CSU, FDP und fasst alle Abgeordneten der SPD. Abweichend vom Stimmverhalten der SPD-Fraktion enthielten sich der Stimme folgende Abgeordnete der SPD: Klaus Barthel, Steffen-Claudio Lemme, Hilde Mattheis, Stefan Rebmann, Rüdiger Veit. Die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich – bis auf eine Ausnahme – der Stimme. Abweichend vom Abstimmungsverhalten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmte Hans-Christian Ströbele dem Antrag der LINKEN zu.

Elf Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gaben zu ihrem Abstimmungsverhalten zum Antrag der LINKEN eine persönliche Erklärung ab.
Darin wird dargelegt, dass sie ebenfalls für die Abschaffung der Sanktionen sind. Aber der Antrag der LINKEN sei ihnen nicht weitgehend genug, denn sie würden für Reformen der sozialen Sicherung in Richtung eines Bedingungslosen Grundeinkommens eintreten. Andererseits aber stimmten diese elf Abgeordneten ebenfalls am 26.04.2012 dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu, der lediglich die Sanktionen bei Hartz IV aussetzen und dann – nach einer Reform der Vermittlungs- und Sanktionspraxis – Sanktionen in einer gemilderten Form wieder einsetzen möchte. (Vgl. dazu dieser Bericht und die Dokumente unten).

Zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema Sanktionen und Leistungseinschränkungen kann ein aufschlussreiches Dossier mit Fakten zu Sanktionen und Argumenten von der Website von Katja Kipping heruntergeladen werden. Dort findet sich auch eine Videoserie zum Thema Sanktionen bei Hartz IV.

Hier das Deckblatt der namentlichen Abstimmung über den Antrag der LINKEN am 26.04.2012. Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum Antrag der LINKEN lautete: Ablehnung – siehe Bundestagsdrucksache 17/6391. Hier das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den LINKEN-Antrag. Das Ja in der namentlichen Abstimmung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses am 26.04.2012 bedeutet also Ablehnung des LINKEN-Antrags zur Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV und Leistungseinschränkungen bei der Sozialhilfe.

Hier das Deckblatt zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung des Aussschusses für Arbeit und Soziales lautete: Ablehnung – siehe Bundestagsdrucksache 17/6391. Hier das Ergebnis der Abstimmung über den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen am 26.04.2012. Das Nein in der namentlichen Abstimmung bedeutet Zustimmung zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

5 Kommentare

Sylvia Kreye schrieb am 01.05.2012, 18:42 Uhr

Um es gleich vorweg zu nehmen: ich bin zwar (zumindest momentan noch nicht) Hartz IV-Empfängerin und war auch nie Anhängerin des Kommunismus. Es geht ja auch gar nicht darum, Betroffene durch den Wegfall von Sanktionen zum Müßiggang zu ermuntern. Aber angesichts der grundrechtswidrigen Politik eines Großteils unserer Abgeordneten gegenüber Hartz IV-Empfängern, den Ärmsten unserer Gesellschaft (man denke nur an das Beispiel mit dem Betreuungsgeld, das ausgerechnet Hartz IV-Empfängern vorenthalten werden soll!) kann man wohl nur noch DIE LINKEN oder die Piraten wählen! Es ist traurig genug, dass nicht einmal die Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen ausreichend Zivilcourage zeigen, wenn es um die längst fällige Abschaffung der grundrechtswidrigen Sanktionen gegen Hartz IV-Empfänger geht! Ein bedingungsloses Grundeinkommen sollte endlich jedem EU-Bürger zustehen!

Eck schrieb am 02.05.2012, 09:32 Uhr

Bürger, die Mitbestimmungsrechte über Arbeitsbedingungen und Arbeitsinhalte einfordern, werden in Deutschland mit dem Entzug des Existenzminimums bedroht!

Der Medizinische Dienst der Arbeitsagentur wird laut Recherchestand zunehmend benutzt, um Bürger einzuschüchtern. Drohung: Abschiebung in Behindertenwerkstätten. In Behindertenwerkstätten müssen Bürger ohne Arbeitslohn arbeiten und können an Fremdfirmen verliehen werden, ohne den Sozialhilfestatus verlassen zu können. Was tun?

Tobias Teetz schrieb am 31.05.2012, 21:37 Uhr

Ohne Vertrauen geht es nicht

Viele Arbeitslose hatten zwischen 1990 und 2005 eine gute Schulausbildung oder auch gute Arbeitsleistungen im Betrieb. Die Arbeitslosigkeit war damals jedoch sehr hoch. Manche Produkte und Dienstleistungen wurden durch die technologische Revolution ersetzt. Es herrschte ein Druck, jeden entlohnten Job anzunehmen, egal welche Qualifikation man hatte. Fähigkeiten wurden entwertet. Die Menschen, die dort gearbeitet haben, haben sich in jedem Falle Sicherheit durch die Gesellschaft verdient.

Die Angebote und der Arbeitsverwaltung das Einkommen sind auf die individuellen Fähigkeiten der Arbeitslosen zugeschnitten. Es sind Angebote der Arbeitsverwaltung, denen der Arbeitslose nach Möglichkeit nachkommen sollte, um seine Fähigkeiten für die Gemeinschaft zu nutzen. In der Marktwirtschaft, im Wettbewerb gibt es auch Handlungszwänge. Der Unternehmer kann nur Ware verkaufen, die die Konsumenten auch benötigen.

In der arbeitsteiligen Weltwirtschaft ist es schwieriger, einen deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber bestehenden Firmen zu erzielen. Daher steigt der Druck auf die besten Mitarbeiter in den Firmen, andernfalls schickt die Börse die Firma auf Talfahrt. Auch ein Wahlausgang (Wahl eines kommunistischen Systems oder einer weltfremden Partei) kann die Stimmung bei Börsenspekulanten deutlich eintrüben, wenn sie genau wissen, dass es mit der Wirtschaft bergab geht. Die Beschäftigung im öffentlichen Sektor ist leider auch nicht so sicher, da auch ein Staat Handlungszwängen unterworfen ist.

Angst sollten wir vor der globalen Wirtschaft nicht haben. Wenn eine Gesellschaft viele Güter und Dienstleistungen herstellt und auch viele Waren aus anderen Ländern erhält, ist die Gefahr der Armut und Not geringer. Harte Sanktionen, versucht der Exporteur nach Möglichkeit zu vermeiden. Nur wer stark die Zahlen fälscht (wie Griechenland) muss mit einer bestimmten Strafe rechnen.

Ähnliches sollte auch für die Hartz IV - Gesetzgebung gelten. Wir versuchen einzubinden, nur bei extremen Regelverstößen gibt es Sanktionen.

Eckehard schrieb am 23.06.2012, 08:22 Uhr

Ich finde es erbärmlich, dass in einem Land, wo Millionen verbrannt werden, die Ärmsten der Gesellschaft bestraft werden. Wenn man Hartz IV bezieht, hat man schon kaum die Chance, sich da raus zu bewegen. Auch weil das Geld oft nicht reicht für Bewerbungen usw.

MIT SANKTIONEN verschlimmern die das nur noch. Ich kann nur sagen, das die Arge kein Interesse hat, Leute zu vermitteln. Ich habe mir selbst eine Weiterbildung gesucht und werde dafür bestraft!

Manfred Seitz schrieb am 21.08.2012, 12:43 Uhr

Ich finde, das bedingungslose Grundeinkommenist die einzige Möglichkeit, den sozialen Frieden zu erhalten und jedem Bürger ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Die Praxis des \"Fordern und Fördern\", besser des Foltern und Fordern, hat nur ein Ziel: den unseriösen Arbeitgebern (Leihfirmen,Beschäftigungsträger ...) billige Arbeitskräfte zu verschaffen.

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