Zur Mindesthöhe des Grundeinkommens im Jahr 2025
Im Einkommensjahr 2023 lag die Armutsrisikogrenze (netto, alleinstehend) gemäß der EU-SILC-Erhebung in Deutschland bei 1.378 Euro im Monat (2022: 1.314 Euro). Damit bestätigt sich meine Prognose Anfang vorigen Jahres. Legt man die Steigerungsbeträge der letzten Jahre zugrunde, dürfte für das laufende Einkommensjahr 2025 die EU-SILC-Armutsgrenze bei ca. 1.450 Euro netto monatlich liegen. Dieser Betrag sollte die unterste Grenze für die Höhe des Grundeinkommens oder anderer Mindesteinkommen darstellen, wenn man damit auch Einkommensarmut abschaffen und auf der sicheren Seite sein möchte.
Warum? Eine jüngst vom Zentrum für neue Sozialpolitik (ehemals Stiftung Grundeinkommen) vorgelegte Studie hat sich einer anderen Methode der Bestimmung der Mindesthöhe von Transfers bedient. Statt das Mindesteinkommen über die Grenze der Einkommensarmut zu bestimmen, bezieht sie sich bei der Ermittlung eines „Lebensqualitätsminimums“ des britischen Minimum Income Standard (MIS). In der Studie heißt es auf Seite 2 dazu: „Der MIS hat zum Ziel, die Einkommenshöhe zu ermitteln, die Haushalte in Großbritannien für einen akzeptablen Lebensstandard benötigen. Wie auch beim Lebensqualitätsminimum geht es darum, die Bedarfe eines bescheidenen, aber auskömmlichen Lebens zu definieren.“ Weiter heißt es auf Seite 3: „Für die Erhebung des MIS wird in breit angelegten und von Expert:innen unterstützten Fokusgruppen ein fiktiver Warenkorb mit Gütern und Leistungen erstellt. Dieser wird anschließend in ein Budget umgerechnet, das als notwendig für ein angemessenes Leben erachtet wird.“ Ein mit dieser Methode ermittelter, die monatlichen Bedarfe einer alleinstehenden Person vollständig deckender Betrag in Deutschland beläuft sich auf 1.740 Euro netto, und das, wohlgemerkt, für das Jahr 2022.
Allerdings sind die sogenannten Mengengerüste, auf die sich die Ermittlung der Bedarfe im britischen MIS stützt, nur bedingt auf deutsche Haushalte übertragbar, so die Autor*innen der Studie. Das Zentrum für neue Sozialpolitik hat daher schon eine Pilotstudie zum Lebensqualitätsminimum ins Auge gefasst, in der eine für den deutschen Kontext passfähige und aussagekräftige Methodik ermittelt werden soll.
Bis dahin muss die o. g. Armutsgrenze als die absolut unterste Grenze für Beträge eines Grund- oder anderer Mindesteinkommen gelten. Selbst dieser Wert wird aber mit Hartz V, dem sogenannten Bürgergeld, keineswegs erreicht. Dies liegt bei durchschnittlich 1.033 Euro netto monatlich (563 Euro Regelleistung plus durchschnittlich 470 Euro anerkannte Kosten der Unterkunft und Heizung, vgl. Bundesagentur für Arbeit), ist also über 400 Euro zu niedrig. Gegenüber dem o. g. Lebensqualitätsminimum ist dieser durchschnittliche Hartz-V-Betrag sogar über 700 Euro monatlich zu niedrig. Das wären in einem Jahr 8.400 Euro netto, die den Bedürftigen vorenthalten werden.
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3 Kommentare
Auch da ich selbst (seit 2011) Transferleistungs-Empfänger bin, schaudern mich solche Berechnungen. Erstens gibt es keine OBJEKTIV richtige Höhe oder Mindesthöhe eines Grundeinkommens. Es steht dahinter IMMER eine subjektive Auffassung davon, was ein menschenwürdiger Lebensstandard ist.*
Zweitens können ich und auch Menschen in meinem Umfeld von heutigen Transferleistungen - nach meiner Auffassung menschenwürdig - leben. Es hängt allerdings viel davon ab, ob man damit klarkommt, praktisch nur gebrauchte Kleidung zu tragen, auf Zigaretten, Alkohol, Fleisch usw. (weitgehend) zu verzichten und noch dazu ein unterstützendes soziales Netz zu haben. Aus meiner Sicht wiegen die Stigmatisierung und auch die Anrechnung von Einkünften auf die Transferleistungen wesentlich schwerer als die Perspektive, (im ersten Anlauf) möglichlicherweise ein BGE unter irgendeiner pseudo-objektiven Armutsrisikogrenze zu bekommen.
Drittens dreht es mir das Gedärm um, wenn ich (jedenfalls so wie ich es verstehe) von den Verfechtern eines ausgesprochen hohen deutschen BGEs dann höre, dass es weltweit ja erstmal nur darum gehen könne, dass niemand verhungert. Es ist zwar richtig, dass niemand verhungern darf, aber meiner Meinung nach sind alle Menschen gleich viel wert. Wenn ich also für Deutsche einen hohen Mindestbetrag X fordere, muss das auch weltweit gelten. Oder andersrum: Wenn ich akzeptiere, dass mit dem BGE erstmal nur ein niedriger Lebensstandard gesichert werden kann, dann muss das auch für Deutsche gelten.
Es ist ja auch evident, dass ein ausgesprochen hohes BGE kurzfristig kaum finanzierbar und absolut überhaupt nicht politisch durchsetzbar ist. Nicht umsonst hat das weltweite BGE-Netzwerk BIEN das Kriterium \"hoch genug\" nicht in seiner BGE-Definition.
Ich wiederhole mich ungern: Viel wichtiger als die Frage nach der Höhe des BGEs ist die Frage, wer über diese Höhe entscheidet!
*Deswegen braucht es über die Höhe des BGEs regelmäßige Volksabstimmungen.
@Eric Manneschmidt
Am wichtigsten ist doch eigentlich die Bedingungslosigkeit. Die überhaupt erst mal den Kopf frei macht bei den Menschen, diese dann überhaupt in die Lage versetzt werden, zu lernen mit Geld vernünftig öko-sozial-liberal umzugehen. Dieser Erkenntniszuwach liesse sich mit einer schrittweisen Erhöhung des BGE von Jahr zu Jahr begleiten. Angefangen bei einem sanktionsfreien Bürgergeld (kann man auch BGE abkürzen ;-), welches die Krankenkassengebühren mit enthält, diese ja aktuell noch separat vom Amt abgeführt werden. Ggf. liesse sich auch ein Modell entwickeln, in dem Menschen eine medizinische Mindestversorgung ab der Geburt sichergestellt bekommen. Mit der Option zur individuellen Bedarfsanpassung aus eigenen Mitteln on top = ein Motiv gesünder zu leben und dadurch dort zu sparen. Hier könnten auch die Bürgerräte in Verbindung mit Volksabstimmungen mitwirken, weil es dann ja auch alle BürgerInnen betrifft und so das bestmögliche Gesamtkonzept gefunden werden kann, welches ggf. auch wegen des geringen bürokratischen Gesamtaufwands im Laufe der Zeit leicht angepasst werden kann.
Hey Eric,
das ist scheinbar die richtige Frage. Angesichts der Umfragen und Tendenzen zur Bundestagswahl scheint es unabdingbar, das Grundeinkommen von kurzfristigen Trends loszulösen. Bestimmte Medien haben aber leider auch die Macht und Fähigkeit, eine große Anzahl von Menschen GEGEN ihre eigenen Interessen stimmen zu lassen. Und zuvorderst kommt uns noch der Fakt in die Quere, dass wir in den letzen 20 Jahren kaum einmal weiter von der Einführung eines Grundeinkommens entfernt waren, als heute.
Vor 15 Jahren hätte ich gesagt \"über die Höhe müssen wir nicht heute entscheiden\" - angesichts des Stillstands in der Debatte scheint mir aber genau das der Fehler. Jeder noch so niedrige Monatsbetrag pro Kopf ist mit absurden Milliardenbeträgen verbunden, die der Staat erstmal einnehmen müsste - und für Lügenmäuler wie Lindner, Merz und Co. ist das so ein einfacher Sieg gegen uns, dass sie vermutlich amüsante Freudentränen weinen. Wir Befürworter bräuchten 5 Minuten zugewandtes Zuhören, von Millionen die durch die Bild aufgehetzt wurden - um die primitiven \"Argumente\" gegen das Grundeinkommen zu widerlegen. Diese 5 Minuten haben wir nicht. Hatten wir nie.
Doch was wenn wir die Höhe des Grundeinkommens bei 1.400 oder 1.500 oder gar 1.700 festlegen könnten - und die Kosten DENNOCH unterhalb der Kosten des aktuellen Sozialstaates halten könnten? Noch besser: Wenn dieses Grundeinkommen den Menschen Netto = Brutto bringen würde? Wenn also die Motivation der Bürger gerade WEGEN der Höhe des Grundeinkommens enorm hoch wäre. UND wenn es dann noch Vorteile im Kampf gegen China und Amazon und Musk und Trump brächte? UND wenn es auch noch die Rentenfrage lösen würde? Dann müssten unsere Gegner die Zeit aufwenden und sich rechtfertigen, warum sie uns mit Steuererklärungen quälen, mit kalter Progression und Jobcentern. Mit dem Niedriglohnsektor und den Millionen Aufstockern und Armutsrentnern.
Also lange Rede, kurzer Sinn: Dann hätten wir gewonnen. Vergiss die 17 Modelle. Die Höhe. Es ist genug für alle da. Die meisten kennen nur die Erfolgsformel noch nicht. Ja selbst die Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium konnten es nicht glauben. Die Antwort haben wir seit 1903. Nur leider im falschen Forschungsfeld. Wer kommt schon darauf, dass Politik dann irgendwie doch \"Rocket Science\" ist.