Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV wird erneut im Bundestag beraten
Am 26. April 2012, ab ca. 10.30 Uhr, wird im Deutschen Bundestag der Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Abschaffung aller Sanktionen und Leistungseinschränkungen bei den Grundsicherungen (SGB II = Hartz IV, SGB XII = Sozialhilfe) – Bundestagsdrucksache 17/5174 – abschließend beraten.
Auch der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur zeitlich begrenzten Aussetzung sowie zur Einschränkung der Sanktionspraxis – Bundestagsdrucksache 17/3207 – steht zur abschließenden Beratung und Abstimmung auf der Tagesordnung.
Namentliche Abstimmung
DIE LINKE fordert für ihren Antrag eine namentliche Abstimmung, so dass jede Bürgerin und jeder Bürger prüfen kann, wer für und wer gegen die Beibehaltung der grundrechtsverletzenden Sanktionen ist. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird auf der Website des Netzwerks schnellstmöglich veröffentlicht. So können Interessierte mit den Abgeordneten und bei den kommenden Bundestagswahlen mit den Kandidatinnen und Kandidaten über ihr Abstimmungsverhalten diskutieren.
Übertragung der Plenarsitzung, Hinweise und Materialien
Plenarsitzungen des Bundestages werden live übertragen, stehen aber auch in der Mediathek auf der Website des Deutschen Bundestages – so auch die Debatte vom 26.4.2012.
Wer sich darüber informieren will, wie die oben genannten Anträge im Ausschuss für Arbeit und Soziales diskutiert worden sind und welche Beschlussempfehlung der Ausschuss für die abschließende Debatte am 26. April gibt, der sei auf die Bundestagsdrucksache 17/6391 verwiesen.
Auf der Website von Katja Kipping finden sich alle Materialien und Videos der ersten Lesung und der öffentlichen Anhörung zu den Anträgen im Ausschuss für Arbeit und Soziales.
Das Netzwerk Grundeinkommen hatte bereits zur öffentlichen Anhörung zu den Anträgen Stellung genommen.
Mails an Abgeordnete
Es ist sinnvoll, allen Abgeordneten vor dem 26. April 2012 eine E-Mail mit der Aufforderung zu senden, für die Abschaffung aller Formen der Leistungskürzung zu stimmen – und sich darüber hinaus für ein Grundeinkommen für alle einzusetzen (siehe dazu auch die Kampagne des Netzwerks Grundeinkommen und die Pressemitteilung des Netzwerks Grundeinkommen zur öffentlichen Anhörung voriges Jahr). Auf der Website des Bundestages findet sich eine Übersicht über alle Abgeordnete des Deutschen Bundestages und im Servicebereich des Netzwerks Grundeinkommen gibt es eine Auflistung ihrer E-Mail-Adressen als Textdatei.
Leistungskürzung ist verfassungswidrig
Eine empfehlenswerte Lektüre zum Thema Sanktionen ist der jüngst erschienene Aufsatz Zur Verfassungswidrigkeit von Sanktionen bei Hartz IV. Zugleich eine Kritik am Bundesverfassungsgericht von Wolfgang Neškovic (MdB, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof, Justiziar der Fraktion DIE LINKE) und Isabel Erdem. Es wird kurz und prägnant dargelegt, warum Leistungskürzung wegen fehlenden Wohlverhaltens grundgesetzwidrig ist. Im Aufsatz heißt es u. a.: „Jeder Mensch in einer existenziellen Notlage hat einen Anspruch auf ein Minimum staatlicher Leistung. Ihre Gewährung darf nicht von ‘Gegenleistungen’ abhängen. Dies macht den Kern des Sozialstaats aus.“
Die Vorbereitung der Petition gegen Sanktionen läuft weiter
An dieser Stelle sei auch noch einmal darauf hingewiesen, dass weiterhin Unterschriften für eine Petition zur Abschaffung der Sanktionen gesammelt werden. Wenn die für eine öffentliche Anhörung nötigen 50.000 Unterschriften vorliegen, wird die Petition beim Bundestag eingereicht.
7 Kommentare
Alle Sanktionen sind rechtswidrig! Wenn neben den für die Vollzeitbeschäftigten zur Verfügung stehenden bezahlten Erwerbsarbeitsstunden für 34 Millionen Erwerbsfähige pro Person nur noch durchschnittlich 25,25 bezahlte Erwersarbeitsstunden verbleiben, m ü s s e n sich alle staatlichen Sanktionen schon allein aus diesem Grunde verbieten. Der Mensch in Deutschland kann von der Arbeit allein unmöglich noch leben. Und dass Jobcenter mit Hilfe von Sanktionen Menschen zu Stundenlöhnen von drei Euro zwingen dürfen, da der Vizepräsident der BA, Heinrich Alt die Jobcenter anwies, erst bei Löhnen unter drei Euro einzuschreiten, dürfte bereits den Straftatsbestand des Lohnwuchers beinhalten und die Beihilfe hierzu. Dies alles dürfte kaum der Verfassung eines demokratischen Rechtstaates entsprechen.
Millionenfacher Leistungsbetrug durch Regierung? Das Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 hat klar gestellt, dass das Existenzminimum absolut ist, s. 2. Leitsatz i. V. Rdnr 133. Seitdem hat die Regierungskoalition dieses Urteil nicht nur ignoriert, sondern die Sanktionsmöglichkeiten sogar noch verschärft. Meines Erachtens handelt es sich hier um vorsätzliche Unterschlagung. Sanktionen führen vor allen Dingen zum Lohndumping. Das sollten auch die Arbeitnehmer nicht vergessen.
Ich klage bereits auf Vermittlung in einen menschenwürdig belohnten Arbeitsplatz oder, falls meine Arbeitskraft nicht benötigt wird, auf ein menschenwürdiges Grundeinkommen in Höhe der relativen Armutsgrenze. Inzwischen beklage ich im Zuge dieses Verfahrens vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen die Einschränkung von 11 Grundrechten (Aktenzeichen L 6 AS 698/11.
Nach Artikel 1 Absatz 3 GG binden die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht auch die vollziehende Gewalt. Das bedeutet, dass die Jobcenter große Teile des SGB II, insbesondere die Sanktionen, nicht anwenden dürfen!
Solange alle Menschen noch blind Unterschriften in Behörden abgeben und sich damit dem SGB II unterwerfen, bleiben Sanktionen legitim, da \"vertraglich vereinbart\". Die Bürger kennen ihre Grundrechte nicht, dann können sie die Freiheit eines BGE weder wahrnehmen noch leben.
agb2 §31 nimmt bei der entziehung der existenzgrundlage sogar billigend den möglichen tod eines betroffenen in kauf. wie verträgt sich das mit art 1 und art20 GG?
Eine namentliche Abstimmung, wer für oder gegen Sanktionen ist ... Eine solche Transparenz gegenüber Abgeordneten ist wünschenswert! Und um Abgeordnete öffentlich anzuschreiben, gibt es u. a. folgendes Werkzeug: http://www.abgeordnetenwatch.de/wir_ueber_uns-838-0.html
Sanktionen bedrohen und bestrafen die Einforderung von Mitbestimmungsrechten über Arbeitsinhalte und Arbeitsbedingungen mit dem Entzug des Existenzminimums. Bürger, die Widerstand versuchen, werden im Hartz-IV-System mit Medizinischem Dienst und Abschiebung in Behindertenwerkstätten bedroht, in denen sie ohne Lohn arbeiten müssen, an Fremdfirmen verliehen werden dürfen ...