Die USBIG-Konferenz in New York

Dorothee Schulte-Basta und Reimund Acker 02.03.2009 Druckversion

Dritter Konferenztag, Sonntag, 1.3.09 von Dorothee Schulte-Basta

Die gestrige Abendveranstaltung, gesponsert von der Henry-George-School, brachte einen spannenden Mix an GE-Diskussionen, persönlichen Gesprächen und diversen Verschwörungstheorien zu 9/11.
Immer wieder im Raum steht die Frage, wie realistisch, sinnvoll und umsetzbar konkrete Vernetzungen speziell zur angelsächsischen GE-Bewegung wirklich sind. Die Ausgangspunkte sind zur Zeit – das ist allen bewusst – doch sehr unterschiedlich. Die Amerikaner wollen, angeregt u.a. vom abendlichen Vortrag ihres grünen Urgesteins Stanley Aronowitz zeitnah Schritte unternehmen, um ihre doch noch sehr “exklusive” und diskussionslastige Grundeinkommensdebatte in eine aktive, tätig werdende Bewegung zu überführen.

Unser letzter Kongresstag startet mit einer sehr kontroversen Diskussionsrunde, in der einer der Vortragenden mit seinem Modell die Frage aufwirft, ob nicht ein “near-universal Basic Income” (NUBI) erfolgreicher und gesellschaftlich akzeptierter wäre als ein echtes Basic Income (UBI). Überhaupt steht heute nach all der anfänglichen Einigkeit eher Opposition im Mittelpunkt. Im Plenum stellt sich der Autor Brian Steensland den Krititkern seines Buches “The Failed Welfare Revolution: America’s Struggle or Guaranteed Income Policy”.

Auch das Kongress-Ende will nicht ganz versöhnlich gelingen. Es geht um die Frage, ob der vom brasilianischen Senator Eduardo Matarazzo Suplicy angeregte und gemeinsam mit anderen Teilnehmenden verfasste Brief an Präsident Obama im Namen von BIEN International und des USBIG Network unterzeichnet und verschickt werden soll. Die Diskussionen über das Für & Wider dieses Briefes und die Frage, ob und wie unterzeichnet werden darf, kann, soll oder muss, kommen uns doch sehr bekannt vor….

Und dann ist der 8. Kongress des U.S. Basic Income Guarantee Network auch schon Geschichte.
Während wir mit den Kollegen des kanadischen Netzwerks unseren letzten Abend genießen, bricht um uns herum noch mal mit Macht der Winter aus: 30 cm Schnee sollen in der Nacht fallen und stellen unseren Rückreiseplan in Frage. Der Flug der Kanadier wurde wegen des angekündigten Schneesturmes bereits gecancelt und wir bangen noch um den unsrigen.
Es ist also Daumendrücken angesagt…..
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Unser Abschlussbericht wird dem NWR auf seiner nächsten Sitzung in Berlin am 4. und 5. April präsentiert und anschließend online gestellt. Er wird nicht nur detaillierter auf die unterschiedlichen Gespräche und Inhalte des Kongresses eingehen, sondern darüber hinaus auch Empfehlungen bezgüglich konkreter Kooperationen und Projekte geben.

Zweiter Konferenztag, Samstag, 28.2.09 von Dorothee Schulte-Basta

Heute ist eindeutig der Tag der Europäer bei diesem Kongress: neben Yannick Vanderborght aus Belgien und Sean Healy aus Irland ist es besonders der türkische Senator Aziz Akgul, der auf großes Interesse stößt.

Und es ist auch Reimunds großer Tag: unter dem Titel “Netzwerk Grundeinkommen – von Utopia nach Berlin” präsentiert er nicht nur das deutsche Netzwerk, sondern gibt vor allem einen Überblick über die Grundeinkommensdebatte in Deutschland, die vielfältigen Aktivitäten der letzten Monate und die künftig geplanten Projekte.

Reimund Acker bei USBIG

In der Diskussion über den Stand der Entwicklung des bGE sind sich alle einig über die enorme Wichtigkeit, die einer möglichst breiten gesellschaftliche Unterstützung im Hinblick auf die Einführung eines Grundeinkommen zukommt.

Während hier in den Staaten das Grundeinkommen bisher lediglich in eher exklusiven akademischen und politischen Zirkeln diskutiert wird, waren die Teilnehmenden erstaunt, von unserer deutschen und europäischen Bewegung zu hören. Unser Vorschlag, die Kräfte über die Grenzen hinweg zu bündeln und u.a. eine internationale Woche des Grundeinkommens zeitgleich in unterschiedlichen Ländern zu begehen, wird auch abseits der offiziellen Runden enthusiastisch diskutiert. Mal sehen, was das abendliche Get-together diesbezüglich bringen wird….

… es gibt hier tatsächlich Menschen, die unseren Newsletter abonniert haben. Beeindruckend, als jemand gestern zu Reimund sagte: oh, that’s you!
I subscribed your newsletter…

Erster Konferenztag, Freitag, 27.2.09 von Dorothee Schulte-Basta

Ein erster Kongresstag liegt hinter uns, der neben neuen Ideen viele Kontakte gebracht und deutlich gezeigt hat, dass es richtig ist, hier vertreten zu sein.
Die vielen Fragen im Vorfeld von Reimunds Vortrag sprechen für das rege Interesse, das an den Entwicklungen und den Debatten in Deutschland besteht.

Unsere Begegnungen sind vielfältig: So diskutierten wir beim Mittagessen mit Alanna Hartzok, der Vizedirektorin des Earth Rights Institute über die Verbindung von Landrechten und gerechter Verteilung gesellschaftlichen Wohlstands; beim Kaffee mit dem kanadischen Senator Hugh Segal über die Möglichkeiten und Wege, ein Grundeinkommen über die politische Willensbildung zu etablieren. Abends beim Bier war Henry George das Thema, ein progressiver Sozialreformer des späten 19. Jahrhunderts (und Erfinder des Monopoly-Spiels), der in seinen Überlegungen eine Lösung für das Problem anbietet, dass sich der gesellschaftlich erwirtschaftete Mehrwert in Bodenpreisen ausdrückt und von denen Landbesitzer profitieren ohne entsprechende Gegenleistung erbracht zu haben.

Aber auch die offiziellen Diskussionsrunden bieten vielfältige Erkenntnisgewinne:
Richard C. Cook, ehemaliger Mitarbeiter im US-Finanzministerium, demonstrierte ein klares Verständnis von Ursachen und Konsequenzen der Finanzkrise. Seiner Meinung nach sei der einzige Ausweg aus der derzeitigen Krise und Vorbeugung künftiger, dass der Teil der Wertschöpfung, der Finanzblasen entstehen lässt, in Form einer Sozialdividende an alle Bürgerinnen und Bürger ausgeschüttet wird.

Und last but not least haben wir auch über die neue US-Regierung einiges gelernt: ab April wird die Obama-Administration alle Einkommen bis hin zur gehobenen Mittelschicht mit 500 Dollar im Jahr subventionieren.
Allen Beteiligten zufolge gibt es darüber hinaus in der neuen US-Regierung scheinbar ein großes Interesse an der Idee eines basic income.

Donnerstag: 26.2.09 von Reimund Acker

Donnerstag früh um 3 Uhr 15 ist also die Nacht ‘rum, wenn ich den Flieger nach NYC zum USBIG-Kongress noch erwischen will. Nicht leicht für einen geborenen Spätaufsteher. Normalerweise gehe ich um diese Zeit ins Bett. Aber ich denke, der Einsatz lohnt sich. Rechtzeitig zu seinem fünften Geburtstag werden wir dem Netzwerk einen gebührenden Einstand auf dem internationalen Parkett verschaffen. Vermutlich sind wir nämlich das stärkste Grundeinkommens-Netzwerk weltweit; höchste Zeit also, nicht nur ausländische Vertreter der globalen Grundeinkommensbewegung auf unseren eigenen Kongressen zu empfangen, sondern uns auch selbst auf den Weg zu ihnen zu begeben, auch wenn der weiter ist als bis nach Wien oder Basel.

Eigentlich war es Dorothees Idee. Als sie vor ein paar Wochen den Antrag stellte, zu diesem Kongress nach New York zu fahren, wurde mir schnell klar, wie wichtig das für unsere Arbeit werden könnte. Aber war es denn nicht längst zu spät, dort mehr als die Rolle eines Zaungastes zu spielen? Immerhin war der „Call for Papers“ schon seit Monaten abgelaufen. Und wer sollte das bezahlen in einem Netzwerk, dessen gerade einmal 350 zahlende Mitglieder ihm wenig finanziellen Spielraum lassen?

Erfreulicherweise fand sich für beide Probleme eine Lösung. In einer Art Flucht nach vorn nahm ich sofort Kontakt auf mit Karl Widerquist, dem Organisator des USBIG-Kongresses, und der erklärte sich schließlich bereit, uns noch im offiziellen Programm unterzubringen. Ob ich ihm noch schnell ein paar Sätze zum Inhalt meines Vortrags schreiben könnte? Ich konnte; oder besser: musste sie mir aus den Fingern saugen, denn wir hatten noch nicht darüber nachgedacht und die Zeit drängte. Immerhin gelang mir ein hübscher Titel, der Karl zu gefallen schien: „Political Phase Transition: Netzwerk Grundeinkommen’s Departure from Utopia to Berlin“. Darin soll sich unter anderem die Ende letzten Jahres getroffene und in den Statuten verankerte fundamentale Entscheidung des Netzwerks widerspiegeln, nicht nur Diskussionsplattform sein, sondern auch die politische Debatte vorantreiben und damit letztlich Mehrheiten für die Einführung eines Grundeinkommens schaffen zu wollen.

Donnerstag, 26.2.09 von Dorothee Schulte Basta

Was will ich also hier, keine vier Wochen vor Abgabe meiner Magisterarbeit und knappe zehn Flugstunden von Berlin entfernt? Der Weg ist weit, aber das Ziel ist ganz nah: Ich möchte dass wir das, was mit einer Idee zweier Berliner Grundeinkommensbegeisterter seinen Anfang nahm und im September letzten Jahres erstmals so kraftvoll und erfolgreich seinen Weg in diverse europäische Länder genommen hat, in diesem Herbst weltweit begehen können. Imagine, wir könnten vom 14. bis 21. September 2009 die zweite, und dieses Mal internationale Woche des Grundeinkommens begehen und tatsächlich global etablieren!
I have a dream – und ich weiß, ich bin bei weitem nicht die einzige. Das also will ich hier: von Berlin in die Welt – für ein weltweites Grundeinkommen!

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