Silicon Valley träumt vom Grundeinkommen

Patrick Wehner 02.03.2015 Druckversion

Foto: Leonardo Rizzi

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Das Silicon Valley gehört nicht nur in den USA zu den wichtigsten Standorten der IT- und High-Tech-Industrie. Seit den 60er Jahren haben sich in dem Gebiet rund um die Bucht von San Francisco Unternehmen wie Google, Apple, Ebay und Facebook angesiedelt, um nur einige der bekanntesten zu nennen.

Dem Journalisten und Autor Nathan Schneider, der sich intensiv mit der Occupy-Wall-Street-Bewegung auseinandergesetzt hat, ist bei seinen Streifzügen durchs Valley aufgefallen, dass es von den dort ansässigen Unternehmern, Investoren und Tech-Nerds unerwartete Unterstützung für ein Grundeinkommen gibt.

In seinem Artikel versucht er die wirtschaftsliberalen Interessen der High-Tech-Welt auszuloten und stellt ihnen kritische Einwände des alteingesessenen Grundeinkommensaktivisten Karl Widerquist und der Wissenschaftlerin Kathi Weeks gegenüber.

Eine immer größer werdende Gruppe von Technikinvestoren, Unternehmern und Wirtschaftsbloggern betont die Vorteile eines Grundeinkommens. Das durch neue Apps und Algorithmen hervorgerufene Hauptproblem sei die fortschreitende Automatisierung vieler Arbeitsbereiche, die immer mehr Arbeitsplätze koste. Ein Grundeinkommen könne diesen negativen Einfluss der technologischen Entwicklung auf den Arbeitsmarkt ausgleichen.

Weiterhin würde es eine Unternehmerkultur fördern, die sich wohl jeder Informatiker, der in seiner Garage an der nächsten technologischen Innovation bastelt, erträumt. Denn für Innovationen braucht man einen freien Kopf und Zeit.

Zu Ausgestaltung und Finanzierung eines Grundeinkommens äußern sich die Protagonisten des Silicon Valley nicht. Im Zusammenhang mit der fortschreitenden Automatisierung schlug dagegen der Chaos Computer Club 2012 vor, nichtmenschliche Arbeit – also automatisierte Vorgänge – zu besteuern und mit dieser Automatisierungsdividende ein Grundeinkommen mit zu finanzieren (wir berichteten).

Karl Widerquist, Co-Vorsitzender von BIEN und Herausgeber des BIEN-Newsletters, steht den Ansichten der Investoren und Unternehmer eher skeptisch gegenüber, da man in der Frage des Grundeinkommens nicht darauf warten solle, bis der technologische Fortschritt zu noch mehr Arbeitslosigkeit führt. Vielmehr müsse sich das ausbeuterische Besitzsystem an sich verändern.

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch die Wissenschaftlerin und Autorin Kathi Weeks, die bei den Vorschlägen zum Grundeinkommen auf mögliche Gefahren hinweist.

Sie befürchtet, dass bei einem zu niedrigen monatlichen Betrag (Stichwort partielles Grundeinkommen) Arbeitnehmer wegen fehlender finanzieller Absicherung nicht kündigen könnten und Arbeitgeber dennoch die Löhne senken würden. Dann müsse der Staat wieder mit Unterstützungsmaßnahmen einspringen. Außerdem würde ein Grundeinkommen, welches mit Kürzungen der Sozialleistungen einhergeht, eine riesige Unterschicht schaffen und keineswegs Ungleichheiten ausgleichen, sondern neue Abhängigkeiten schaffen.

Foto „server room“ von reynermedia Lizenz: CC BY 2.0

Ein Kommentar

Realist schrieb am 02.03.2015, 16:04 Uhr

Die digitalen Kapitalisten kommen ja mit sehr wenigen Arbeitern aus, Lohnkosten spielen - wenn überhaupt - eine untergeordnete Rolle. Wenn also durch das BGE die Löhne steigen, trifft das die digitalen Kapitalisten nicht so sehr. Gleichzeitig ist das digitale Kapital, vor allem Amazon, Ebay, Google (Milliarden Einnahmen durch Werbung), die App-Hersteller usw. sehr stark auf den Konsum angewiesen. Da ein Grundeinkommen dem Konsum und somit dem Umsatz förderlich wäre ist dies natürlich im Interesse digitaler Unternehmer.

Allerdings denke ich das die alten Industriekapitalisten das werden verhindern wollen, denn die brauchen ja billigste Lohnarbeit für die Produktion.

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