Vom Recht auf Müßiggang statt des Menschenrechts auf Faulheit

Redaktion 02.09.2007 Druckversion

Gibt es ein Recht, möglicherweise sogar ein Grund- oder Menschenrecht auf Faulheit? In der schillernden Diskussion über das Bedingungslose Grundeinkommen ist diese Frage wiederholt aufgeworfen worden, so auch ganz aktuell in der Berliner Debatte. Ich finde, dass der Reiz der Frage vor allem darin liegt, dass sie so wunderbar provokant ist. Und Provokation kann ein sehr taugliches Mittel sein, die eigenen Gedankengänge bzw. die des Gegenübers von der Wurzel her zu klären und zu erläutern.

Die Diskussion innerhalb der Grundeinkommens-Gemeinschaft läuft, und sie sollte dazu genutzt werden, klar herauszuarbeiten, dass die Forderung nach Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens auf eine „Tätigkeitsgesellschaft neuen Typs“ gerichtet ist und keineswegs in eine „Hängematten-Gesellschaft“ führen wird, in der einige weiter arbeiten, während es sich die anderen in eben jener Hängematte gemütlich machen und sich zudem noch von den Arbeitenden bedienen und versorgen lassen.

Schon bei Paul Lafargue, auf den das Begriffspaar „Recht auf Faulheit“ zurückgeht, hatte es vor allem eine provokatorische Funktion. Lafargue griff damit die Borniertheit der Arbeiter an, sich den Arbeitgebern zu erniedrigenden Arbeitskonditionen anzubiedern.
Paul Lafarge
Paul Lafarge

Zugleich entwarf auch er bereits das Bild einer anderen Gesellschaft, die durch eine gerechtere Verteilung der Erwerbsarbeit und auch der Möglichkeiten gemeinsamen Genusses gekennzeichnet sein sollte. Wer die provokative Absicht Lafargues verkennt und ernsthaft ein Recht auf Faulheit einklagt, läuft Gefahr, die Grundeinkommensforderung in ein schiefes Licht zu bringen und ihr damit zu schaden. Geboten ist dagegen darzulegen, welche Chancen die Tätigkeitsgesellschaft neuen Typs mit einem bedingungslosen Grundeinkommen für jede und jeden eröffnen würde und welche Vorteile sie gegenüber der derzeitigen Verfassung unserer Lebens- und Arbeitswelt bietet.

Doch fangen wir zunächst zum Thema Recht auf Faulheit noch mal ganz von vorne an.

Zunächst einmal kann jede/r so faul sein, wie sie oder er selbst will. Das kann und konnte man immer schon, ohne jedes verbriefte Recht. Man hatte und hat dann halt die Konsequenzen zu tragen: eventuell Hunger, kein Dach überm Kopf usw.. So ist es nahezu in der ganzen Menschengeschichte gewesen; abgesehen von den Sklavengesellschaften. Wenn du früher faul warst, konntest du natürlich auch Glück haben, dass dir jemand irgendwelche Almosen gegeben hat, und natürlich hat es zu allen Zeiten auch die begnadeten Schmarotzer gegeben, die es immer wieder geschafft haben, andere für sich arbeiten zu lassen und denen dennoch es gut ging. In der Regel war dieser Typ des Faulen aber fast allein bei den Feudalherren anzutreffen. Weil sie eben die Macht besaßen, andere für sich arbeiten zu lassen. Die Lebensrealität von weit über 90 Prozent der Menschen war bis ins 19. Jahrhundert dagegen dadurch gekennzeichnet, dass sie sechs Tage die Woche arbeiten mussten und dennoch mit den Erträgen ihrer Arbeit kaum mehr als ihr Überleben sichern konnten (und vielfach nicht mal das; siehe das Thema Kindersterblichkeit). Und diese Situation gibt es beispielsweise in Afrika selbst heute noch.

Und jetzt führen wir eine Faulheitsdiskussion, als sei Faulheit etwas Erstrebenswertes. Faulheit als Menschenrecht???? – Die Diskussion ist nicht müßig, aber sie ist höchst missverständlich.

Wenn hier von Rechten und Menschenrechten die Rede ist, dann gilt es bitte aber auch die Bedeutungsskala der Menschenrechte zu beachten. Das höchste ist sicherlich das Recht auf Nahrung, um überleben zu können. (Das ist übrigens der Aspekt, unter dem derzeit in der Entwicklungspolitik und in den Vereinten Nationen eine Grundeinkommensdiskussion geführt wird).

Das nächsthöchste Menschenrecht dürfte das der freien Selbstbestimmung sein, das Recht, ein Leben nach eigener Fasson führen zu dürfen, das u. a. die Religions- und Weltanschauungsfreiheit beinhaltet.

Etwa auf der gleichen Stufe (oder davon abgeleitet) ist das Antidiskriminierungs-Gebot anzusiedeln, dass niemand wegen seines Geschlechts, seiner Rasse und Neigungen und Überzeugungen verfolgt oder diskriminiert werden darf.

„Ich will den Einfluss des Klerus zu einem allgemeinen machen, weil ich auf ihn rechne in der Verbreitung jener gesunden Philosophie, die den Menschen lehrt, dass er hier ist, um zu leiden, und nicht jener anderen Philosophie, die im Gegenteil zum Menschen sagt: Genieße!“
Adolphe Thiers

Und jenseits aller Menschenrechte gibt es einen weit verbreiteten individuellen Wunsch, ein glückliches Leben zu führen. Philosophen haben diesen Wunsch oder dieses Verlangen nicht erst seit Seneca immer wieder thematisiert. In der Geschichte hat die Mehrheit der Menschen diesen Wunsch jedoch nicht einmal gedacht, denken können, weil ihr Streben allein auf das eigene Überleben und das der eigenen Familie gerichtet war. „Ein Glückliches Leben“ war in den Generationen vor uns für die meisten ein Widerspruch in sich, wurde doch von der Kirche die Erde als „Jammertal“ bezeichnet.

Ein „glückliches Leben“ das konnte allenfalls im Paradies, also dem Leben nach dem Tod, vorbehalten sein. Wirkliche Bedeutung hat dieser Wunsch erst in der Moderne gewonnen, und vielleicht ist er der modernste und politisch maßgeblichste Gedanke überhaupt.

Die Moderne: Das Recht auf Bildung und das Recht auf eine freie Berufswahl

Selbst in unseren entwickelten Gesellschaften im Westen (die lange von der Ausbeutung anderer Länder gelebt haben und das teilweise noch heute tun) ging es ab der industriellen Revolution um weit banalere Dinge als ein „glückliches Leben“: zunächst darum, den Anspruch auf einen Arbeitsplatz, dann das auf einen gerechten Lohn und menschenwürdige Arbeitsbedingungen, schließlich um einen Zugang zum Gesundheitswesen und die Einrichtung von Rentenkassen durchzusetzen. Manches von dem ist heute erreicht und manches von dem ist heute wieder in Gefahr.

Im Nachkriegsdeutschland kam dann noch das Recht auf Bildung hinzu. Und in der Verfassung festgeschrieben wurde schließlich sogar das Recht auf eine freie Berufswahl.

Das Recht auf Bildung war dabei lange umkämpft. In der BRD gab es bis Ende der 50er Jahre ein von den Eltern zu zahlendes Schulgeld und erst Bundeskanzler Brandt hat in den 60ern die Forderung zum Programm erhoben, dass jedem Kind – unabhängig von der Herkunft und dem Vermögen der Eltern – der Zugang zur weiterführenden Schulen und schließlich zu den Universitäten ermöglicht werden soll. Das war die große Bildungsreform, die heute – u. a. durch die Einführung von Studiengebühren – möglicherweise wieder rückgängig gemacht wird.

Ja, und die freie Berufswahl. In der Verfassung steht sie, in der Realität gab es sie vorübergehend wirklich, solange es für kurze Zeit die Vollbeschäftigung gab, die aber auch nur eine für Männer war. Und heute wird sie wieder massiv ausgehöhlt, weil Ausbildungsplätze immer knapper werden und man auch im späteren Berufsleben nehmen muss, was eben kommt – damit Miete bezahlt werden kann und man nicht Opfer der Arbeitslosigkeit und des Hartz-IV-Regimes wird. Das ist wirklich erschreckend, so meine ich, dass diese wichtige Freiheit, sich selbst auszusuchen, in welchem Beruf man arbeiten will, nur noch auf dem Papier steht.

Die Diskussion über die freie Berufswahl zu führen, erscheint mir mindestens so interessant wie die Diskussion über das Recht auf Faulheit. Und wesentlich zielführender. Dass wir diese Faulheitsdiskussion führen, hat einen gewissen intellektuellen Reiz, aber vielen Menschen erscheint sie abseitig. Verständlicher und leichter vermittelbar wäre aber, wenn wir die Diskussion in einem klaren Kontext zur Frage der Bedingungslosigkeit diskutieren würden. Losgelöst hiervon macht sie keinen Sinn und solange unsere Mitbürger die Vision Grundeinkommen nicht verstanden haben, treten hier eindeutig die Assoziationen „Spinner“ und „Schmarotzer“ in den Vordergrund. Das heißt, die Klappe fällt runter und kaum noch einer hört zu.

Jetzt also mal wieder zur Grundeinkommensdiskussion. Warum ist sie so interessant und relevant geworden? – Weil der Stand der Entwicklung der Produktivkräfte inzwischen so gewaltig ist, dass es erstmals in der Geschichte der Menschheit möglich ist, allen zu geben was alle brauchen, alle Waren und alle Dienstleistungen. „Es ist genug für alle da“ wie Attac es ausdrückt. Für alle WELTWEIT: Ganz klar ist, dass die Grundeinkommensdiskussion global zu führen ist. Wenn man hier ein neues Menschenrecht einführen will, so ist es m. E. das Recht auf die Sozialdividende in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens, sprich auf den gerechten Anteil an dem von der Gemeinschaft hergestellten Reichtum. Da eine Sozialdividende sich allein aus dem Menschsein ableitet, bekommt sie halt auch der, der nicht arbeitet, also auch der einfach „faul“ ist. Basta!! Das ist eine schlichte Feststellung, aber gleich eine Feststellung mit Grund- oder Menschenrechtsrang??

Der Gedanken der Sozialdividende hat zunächst eine große Ähnlichkeit mit dem Begriff der Allmende. Mit diesem Begriff brachten z.B. germanische Stammesgemeinschaften zum Ausdruck, dass es einiges gäbe, was einfach allen, der Gemeinschaft und damit auch jedem gehöre. Darunter fielen das Recht zu Jagen, ein Anspruch auf die Früchte des Bodens und folglich das Recht auf Nahrung. Ein sympathischer und wie ich meine geradezu fortschrittlicher Gedanke, den die alten Germanen da hatten. Jedoch ist zu vermuten, dass die Vorfahren großen Wert drauf legten, dass jeder seinen Beitrag zum gemeinschaftlichen Zusammenleben und Wohlstand leistete. Man stelle sich mal vor, da hätte sich irgendein Mann aus Feigheit oder Faulheit dem Kriegsdienst (oder positiveren gemeinschaftlichen Aufgaben) entzogen? Die Folgen wären gewisslich nicht angenehm – Nahrungsentzug oder einfach nur soziale Ächtung???

In gleichem Maße wie früher gibt es auch heute ein aus dem Bauch kommendes Gerechtigkeitsgefühl: Dass der, der Leistungen von der Gemeinschaft bezieht, der Gemeinschaft auch etwas zurückgeben soll. Und ich kann eigentlich auch nicht erkennen, was an dieser Erwartung heute falsch sein soll. Die Gesellschaft darf diese normative moralische Erwartung haben. Ich bin nur dagegen, dass sie die Möglichkeit bekommt, diese Erwartung gegen den Einzelnen auch durchzusetzen, und dies dann noch möglicherweise mit Macht, Gewalt und finanziellen Zwangsmitteln.

Die Faulheitsdiskussion erweckt den Eindruck, dass die Erwartung der Gemeinschaft auf eine Gegenleistung unberechtigt ist. Das verstehen viele nicht. Und wenn wir für das Grundeinkommen werben, sollten wir uns darum bemühen, richtig verstanden zu werden und nicht in jedes Fettnäpfchen zu treten.

Sinnvoll erscheint mir zu begründen, warum ein Grundeinkommen unbedingt bedingungslos gezahlt werden muss – und zwar eben auch an den, der keine Arbeit hat, keine Arbeit findet, die gut genug bezahlt ist, keine findet, die seinen Neigungen entspricht,——oder weil er bzw. sie einfach grade keine Lust hat.

Dies zu begründen fällt doch eigentlich leicht: weil es sonst wieder Bürokratie, Überwachung und Schikanen geben wird, weil sonst wieder Menschen gezwungen werden, schlecht bezahlte Jobs anzunehmen oder Jobs in schädlichen Produktionszweigen oder eben Jobs, die mit der eigenen Berufsentscheidung nichts zu tun haben. Die Bedingungslosigkeit des Grundeinkommens ist von entscheidender Bedeutung, weil sonst die Freiheit der Berufswahl weiter nur auf dem Papier steht, und wir ohne diese Freiheit der Berufswahl überhaupt nicht die Möglichkeit haben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. „Faulheit“, also die Entscheidung, gar nicht zu arbeiten, ist meines Erachtens maximal wie eine Berufswahl oder eine temporäre Entscheidung zu betrachten.

Was wir tatsächlich brauchen, ist das Recht und die materiellen Voraussetzungen, NEIN zu sagen zu können: NEIN zu zugewiesenen Arbeiten, NEIN zu schlecht bezahlten Arbeiten und Ausbeutung, NEIN zu Arbeiten die nicht unseren Neigungen entsprechen und für die wir uns nicht selbst frei entschieden haben. Ein „Menschenrecht auf Faulheit“ ??? – Dieser Begriff hat überhaupt keine Nähe zu einem Widerstandsrecht, und darum geht es aber. Faulheit löst falsche und negative Assoziationen aus, wie sie am trefflichsten im Wort „Schmarotzertum“ zum Ausdruck kommen. (Das ist nicht meine Assoziation, aber es ist zu berücksichtigen, dass die Diskussion in der Öffentlichkeit leicht in diese Ecke gedrängt wird und unser eigentliches Anliegen nicht zum Ausdruck kommt.)

Kommen wir doch bitte auch zu dem, was noch wichtiger ist, als das Grundeinkommen: DIE CHANCE, EIN GLÜCKLICHES UND SELBSTBESTIMMTES LEBEN ZU FÜHREN; und das möglichst in einer friedlichen, respektorientierten Gemeinschaft. Um dies zu erreichen, ist das bedingungslose Grundeinkommen meines Erachtens das beste Modell von allen. Und nun sollten wir uns fragen, ob ein glückliches Leben ein Leben in Faulheit ist. Ich denke, was wir uns ALLE gönnen müssen, das ist Müßiggang, die Möglichkeit (zwischendurch oder für länger), die Füße hoch zu legen, den lieben Gott einen guten Mann sein lassen, sich verwöhnen lassen und einfach nur die Gedanken baumeln zu lassen.

Aber auch das ist sicherlich nur ein Teil des Lebens, ein sehr wichtiger, ein sehr angenehmer, und vielleicht sogar ein sehr produktiver. Für die meisten ist ein genauso wichtiger und glücksbringender Teil des Lebens aber auch, dafür Sorge zu tragen, dass es anderen gut geht, angefangen bei der eigenen Familie, den engsten Freunden, den Nachbarn, den Alten und den Kranken. Gutes für andere zu tun, kann ernorm schön sein; viele wissen das und viele tun das. So funktioniert auf dieser Ebene das ganze gesellschaftliche Engagement; das Vereinsleben und unsere politischen Initiativen bauen auf diesem Gefühl auf. In der Realität beruhen bereits 60 Prozent des gesamtgesellschaftlichen Reichtums auf dieser freiwilligen, selbstbestimmten und in der Regel nicht bezahlten Arbeit. Und das ist gut so.

Die Bedingungslosigkeit eines Grundeinkommens ist für mich auch deshalb wichtig, weil diese gesellschaftliche Arbeit stets und immer auf Freiwilligkeit beruhen sollte. Werden Leute in diese bisher ehrenamtlichen Jobs getrieben und verpflichtet, dann würde man diese gesellschaftliche Arbeit m. E. eindeutig entwerten.

Zum Abschluss: Mein Traum von einem 3.000 €-Grundeinkommen

Ich hatte vor kurzem einen Traum. Darin war inzwischen ein bedingungsloses Grundeinkommen von 3.000 € für jeden eingeführt. Als ich wach wurde habe ich noch ein wenig über den Traum nachgedacht und mich gefragt, was wäre denn dann? – Meine erste Befürchtung war, dass mein geliebtes Frühstücksfernsehen ausfallen würde und keine Zeitung da wäre. Bei 3.000 € könnten ja sogar Journalisten auf die Idee kommen, lieber faul zu sein und im Bett zu bleiben. Dann wurde mir klar, dass es möglicherweise keine Brötchen gäbe. Und die Stromversorgung ist ausgefallen. Aus der Wasserleitung kommt nur noch braune Brühe. – Stopp, das kann´s nicht sein, schwante mir. Und ich begann zu überlegen, was eigentlich passieren müsste, damit Menschen – mich eingeschlossen – auch bei einem Grundeinkommen von 3.000 € noch arbeiten gehen. Was mir dazu eingefallen ist:

  • Einsicht in die Notwendigkeit arbeitsteiliger Zusammenarbeit (wir wollen, dass es uns allen gut geht)
  • Freiwilligkeit (dafür möchte ich meinen Beitrag leisten)
  • Spaß an der Arbeit (da die freie Berufswahl nicht mehr nur auf dem Papier steht, kann ich sie mir nämlich selbst aussuchen)
  • nette Chefs und nette Kollegen (wenn die mich ärgern oder mobben, bleib ich nicht lange; dann suche ich mir einen anderen Erwerbsjob oder bleibe ich zu Hause und mach ganz was anderes)
  • aber auch Zuverlässigkeit (wenn ich gesagt habe, morgen dies und jenes zu tun, dann mache ich das auch. Da können sich alle drauf verlassen.)
  • und: ich muss keiner Erwerbsarbeit nachgehen (weder aus finanziellen Gründen, noch um mich gesellschaftlich zu engagieren und selbstzuverwirklichen; mit Grundeinkommen habe ich die Möglichkeit, mich ebenso gut in unbezahlte soziale, kulturelle oder politische Projekte einzubringen).

So unrealistisch ein 3.000 €-Grundeinkommen auch ist, auch für ein Grundeinkommen von „nur“ 1.000 € gilt, dass seine Einführung weitreichende Auswirkungen in dem oben beschriebenen positiven Sinne haben sollte. Die Strahlkraft, die die Grundeinkommensdiskussion hat, bezieht sie zu allererst aus der Vision einer gerechteren, demokratischeren, noch innovativeren und vor allem nachhaltig verantwortlichen Gesellschaft. Eine Vision, die weit in die Geschichte zurückreicht, die aber erstmals jetzt – bedingt durch neue Technologien, enorme Produktivitätsfortschritte und die Ersetzung menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen – die Chance hat, schrittweise umgesetzt und zur Realität zu werden. Die Einführung des BGE könnte – und das haben viele erkannt – hierfür ein wichtiger Baustein sein. Wir sind dabei, diese Vision gegen den Mainstream einer rückwärtsgewandten Realpolitik wiederzubeleben. Dabei ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, für die es guter Argumente und klarer Begrifflichkeiten bedarf.

Dazu gehört auch die eindeutige Botschaft, dass wir keine Hängemattengesellschaft anstreben, sondern eine auf humanes und solidarisches Handeln begründete Tätigkeitsgesellschaft neuen Typs. Das bedingt natürlich auch eine Neubestimmung des Arbeitsbegriffs, angepasst an die heutigen und zukünftigen Gegebenheiten.

Die Forderung nach einem „Recht auf Faulheit“ wird uns hierbei nicht weiter bringen, sondern wegen der negativen Assoziationen des Wortes Faulheit eher schaden. Sinnvoller wäre es, über ein „Recht auf Müßiggang (für alle)“ zu philosophieren. Das ist weniger missverständlich und viel sympathischer – und in einer Zeit, in der uns Politik und Wirtschaft einreden wollen, dass wir aus welchen Gründen auch immer eigentlich alle mehr, härter und länger arbeiten müssen Provokation genug. Immer mehr arbeiten ist, wie schon zu Lafargues Zeiten, eindeutig die falsche Rezeptur.

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