Interviews zum Grünen Parteitag – Part 10: Antworten von Christoph Schlee
Christoph Schlee ist geschäftsführender Gesellschafter der Allmende-Film und Autor etlicher Dokumentationen zu Grundeinkommens-Events und – last but not least – Sprecher der Kölner Grundeinkommensinitiative.-more->
Ist das Ergebnis eine Enttäuschung oder war es zu erwarten? Glauben Sie, dass die Grundeinkommens-Idee immer noch eine realistische Chance hat, im nächsten Bundestagswahlkampf eine Rolle zu spielen? Wenn ja, in welchem Zusammenhang?
Christoph Schlee: Das Ergebnis des Grünen Parteitags ist nicht optimal, aber alles andere als eine Enttäuschung. Vor allem weil die Gegner des bGE genötigt waren, sich in ihren Positionen den Befürwortern anzunähern, und weil das bGE als mittel- bis langfristige Option ausdrücklich bestehen bleibt. Auch das Abstimmungsergebnis zeigt eine schon recht starke Befürwortung von Grundeinkommens-Elementen. Das bGE wird beim Bundestagswahlkampf wohl
keine entscheidende Rolle spielen, allerdings möglicherweise die Sozialpolitik. Meines Erachtens müsste es Ziel sein, das Thema eher überparteilich zu verankern, und die Bezugnahme vieler Parteien auf einecjeweils spezifische Form von bGE zu erreichen.
Welche Bedeutung hat das Abstimmungsergebnis für den sozialpolitischen Kurs der Grünen Partei? Gehört die Kontroverse zwischen Grundeinkommens- und Grundsicherungsbefürwortern jetzt der Vergangenheit an oder geht sie weiter?
Christoph Schlee: Ich halte das bGE innerhalb der Grünen Partei für durchsetzbar. Um so mehr, wenn es nicht als „linke Position“ sondern als moderne, zeitgemäße Sozialstaats-Variante verkauft werden kann, die dem eher staatsskeptischen (Bürgergesellschafts-)Profil der Grünen entspricht.
Stecken die BGE-Befürworter in der Grünen Partei jetzt auf oder formieren sie sich neu?
Christoph Schlee: Mit Sicherheit wird die Diskussion weitergehen.
Welche Bedeutung hat das Ergebnis für die Fortführung der Diskussion zum BGE in anderen Parteien, den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden?
Christoph Schlee: Das bGE wird zunächst einmal weiter bekannt gemacht und als Diskussionsgegenstand etabliert. Die Debatte zum bGE wird allerdings nicht
automatisch von Parteien und Interessenverbänden übernommen. Dazu muss
eine gezielte, auf die jeweils unterschiedlichen Kommunikationsformen und
Interessenhorizonte abgestimmte Strategie entwickelt werden.
Welche Auswirkungen hat das Ergebnis auf die außerparlamentarische Diskussion in der GE-Bewegung?
Christoph Schlee: Das Ergebnis zeigt eines ganz deutlich: Die Debatte in den Parteien ist – jedenfalls bei den Grünen – schon außerordentlich weit fortgeschritten. Die Argumente für das bGE auf Seiten der Grünen sind z. T. fast identisch mit denen, die im Netzwerk verwendet werden.
Mir scheint es darum dringend geboten, engen Kontakt mit den bGE-Kräften
bei den Grünen aufzunehmen und zu einer gemeinsamen Arbeitsbasis zu
kommen. Erforderlich ist die Bündelung der für ein bGE engagierten Kräfte
im Netzwerk (im Sinne eines dichten Informations- und Austauschzusammenhangs), um einen außerparteilichen Bezugsrahmen darzustellen.
Es muß aber klar werden, dass es sich nicht um eine spezifische Debatte
bei den Grünen oder der Linken handelt, sondern um eine Diskussion um die
zukunftsweisende Fortentwicklung des Sozialstaats. Tatsache ist natürlich
auch, dass wir uns für einen Austausch mit den Grünen auch organisatorisch
fit machen müssen.
Wie stehen Sie zur Aussage von Michael Opielka, dass es sich die BGE-Befürworter nicht leisten können, ein Konzept wie das von Dieter Althaus als „neoliberal“ aus der Diskussion auszugrenzen? Bitte beachten Sie dabei Opielkas Argument, dass auch das heutige Sozialversicherungsmodell konservativer Provenienz ist und schließlich auf den „Vater der Sozialistengesetze“ zurückgeht.
Christoph Schlee: Michael Opielka hat vollkommen Recht. Es geht nicht in erster Linie darum, einen Dialog mit den Grünen oder innerhalb der Linken zu führen.
Eine solche bleibt in einer Ecke, die als „sektiererisch“ bzw. links außen wahrgenommen und umso leichter abgetan werden kann. Um eine gesellschaftliche Mehrheit zu erreichen, wäre es äußerst fahrlässig, die liberalen und konservativen Kräfte außen vor zu lassen.
Eines ist dabei vollkommen klar. Wenn wir die Wirtschaft, CDU und FDP
nicht in die Diskussion einbeziehen, um dort einen nennenswerten Meinungs-Umschwung zu erzielen, wird sich das bGE in Deutschland nicht
durchsetzen lassen. Gerade die liberalen, staatsskeptischen und an der
Freiheit des Einzelnen, auch am Handlungsspielraum von Unternehmen
orientierten Argumente für das bGE könnten dabei sehr hilfreich sein.
Nächster Teil: Antworten von Sascha Liebermann
Ein Kommentar
Je breiter die Diskussion geführt wird, umso besser.Die BGE Bewegung braucht jede Stimme! Auch die von Promis aus Wirtschaft und intellektuellen Kreisen!Auch ich kann den Pessimismus von einigen nach dem Grünen PT nicht nachvollziehen.Keine andere Partei hat sich bisher überhaupt auf so breiter Front damit auseinander gesetzt.Was daran auch deutlich wird: es gibt noch viel zu tun!