Ein früher Versuch für bessere Armenunterstützung in Kanada

Herbert Wilkens 04.03.2013 Druckversion

Evelyn Forget, Professorin für Gesundheitswissenschaften an der Universität von Manitoba, Kanada, hat von einem Versuch zu unbürokratischer sozialer Unterstützung berichtet, der von 1974 bis 1978 in ihrem Land durchgeführt wurde. Schon ab 2010 haben einige lokale Zeitungen darüber geschrieben – von der Grundeinkommensszene anscheinend erst jetzt bemerkt. Siehe die Berichte in Englisch z.B. hier, hier, ausführlicher hier und jüngst hier.

In der Kleinstadt Dauphin, Manitoba, (damals mit Umgebung ca. 13000 Einwohner) wurde während der Regierungszeit des liberalen Premierministers Trudeau ein Mindesteinkommen („Mincome“) für alle bereitgestellt, die Einkünfte unterhalb der Armutsgrenze hatten. Die Armutsgrenze lag damals bei 2100 kanadischen Dollars (CAD) pro Jahr. Die bisher bekannten Berichte sind unklar. Es heißt, etwa 1000 Familien hätten das Mincome erhalten. Die Höhe des Betrags wird mit jährlich 1200 CAD angegeben, ausgezahlt in Monatsbeträgen, und zwar offenbar pro Person und, wie berichtet wird, ohne weitere Fragen seitens der Behörden. Es handelte sich also um eine Grundsicherungsleistung. Soweit aus den lückenhaften Beschreibungen in den Presseberichten ersichtlich, war es wie folgt konzipiert: Es wurde nur eine sehr vereinfachte Bedürftigkeitsprüfung angewendet – z.B. ohne den Versuch, etwa vorhandenes Vermögen der Geringverdiener zu berücksichtigen -, und anscheinend wurde die Unterstützung personenbezogen gezahlt – nicht etwa an „Bedarfsgemeinschaften“.

Ziel des Projekts sei es gewesen, zu prüfen, wie sich die Unterstützung auf die Erwerbstätigkeit auswirkt und ob ein solches Verfahren landesweit eingeführt werden sollte. Nach vier Jahren und Ausgaben von etwa 17 Mill. CAD sei der Versuch sang- und klanglos eingestellt worden und die Evaluierungsprotokolle seien ohne Auswertung eingelagert worden.

Erst 30 Jahre später machte sich Evelyn Forget an die Auswertung und stellte positive Wirkungen des Projekts fest. Die Ähnlichkeiten mit anderen Pilotprojekten, besonders dem in Otjivero, Namibia, sind unverkennbar. Auch in der kanadischen Stadt verbesserte sich der Gesundheitszustand und der Schulbesuch nahm zu. Die Erwerbstätigkeit wurde beibehalten, außer bei Müttern mit Neugeborenen und bei Jugendlichen, die länger zur Schule gingen, um einen Abschluss zu erreichen, statt frühzeitig die Schule zu verlassen, um ihre Familien zu unterstützen.

Solche positiven Effekte sind nicht verwunderlich, weil klar ist, dass Menschen in Armut mit Unterstützung besser leben können als ohne. Auch ist das Festhalten an Erwerbstätigkeit bei einem Unterstützungsbetrag, der nicht existenzsichernd ist, einfach notwendig. Ob eine Unterstützung besonders günstige Wirkungen hat, wenn sie bedingungslos und dauerhaft garantiert wird, ist bisher nicht empirisch nachgewiesen.

In Kanada wird dieser frühe Versuch jetzt zum Anlass genommen, bei der Restrukturierung des Sozialsystems auch Elemente eines Garantie-Einkommens zu prüfen.

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