Das Hartz IV–Bürgergeld – einfach, niedrig und unsozial

Redaktion 04.06.2008 Druckversion

Der jüngste Parteitagsbeschluss der FDP zum „Liberalen“ Bürgergeld

Die FDP hat nun ihr Bürgergeld beschlossen: „Als bedingtes Grundeinkommen, das Bedürftigkeit voraussetzt und Leistungsbereitschaft fordert, unterscheidet es sich von anderen Bürgergeldkonzepten, wie insbesondere dem leistungsfeindlichen und unfinanzierbaren bedingungslosen Grundeinkommen.“

In nahezu allen Punkten entspricht dieses FDP-Papier dem bereits 2005 beschlossenen „Liberalen Bürgergeld“: Bereits vorhandene Sozialtransfers werden in der Form einer Negativen Einkommensteuer schlicht und einfach in das Steuersystem integriert. Darüber hinaus zeichnet sich der FDP-Vorschlag vor allem dadurch aus, dass das Hartz IV-Armutsniveau festgeschrieben wird und es weiterhin Bedürftigkeitsprüfungen und – bei Ablehnung einer „zumutbaren“ Arbeit – Leistungskürzungen geben soll. Es ist schade, dass die FDP drei Jahre nutzlos hat verstreichen lassen und die Zeit nicht dazu genutzt hat, einen zukunftsweisenden und freiheitlichen Entwurf für eine Wirtschafts- und Sozialpolitik im 21. Jahrhundert vorzulegen. Was disziplinierende Kontrolle und Arbeitszwang mit liberal zu tun hat, bleibt das Geheimnis der FDP. Liberal wäre, dass jeder Mensch das unbedingte Existenzrecht und die freie Wahl der Teilhabe- und Lebensform hat, auf ein Leben und Tätigsein in Freiheit – ermöglicht durch ein bedingungsloses Grundeinkommen. Zu dessen Finanzierung bedarf es natürlich steuerlicher Anstrengungen und neuer Überlegungen und Konzepte. Falsch wäre es, die steuerliche Verteilungsfunktion des Gemeinwesens aufzugeben.

Die FDP missbraucht das Begriffspaar „Liberales Bürgergeld“ und verkehrt beide Begriffe in ihr Gegenteil – der kontrollierende, disziplinierende und sanktionierende Staat behält die Rolle eines Vormunds der Bürger, denen ein individueller Anspruch auf eine Sozialdividende konsequent vorenthalten wird.

Pressemitteilung
Netzwerk Grundeinkommen
04.06.2008

V.i.S.d.P.: Günter Sölken, Nymphenburger Straße 11a, 10825 Berlin, Tel: 0177/6279604; mailto: guenter.soelken@gmx.de

5 Kommentare

mathias schweitzer schrieb am 04.06.2008, 21:54 Uhr

Lieber Günter, leider treffend von dir formuliert. Gerade hier hätte es mich gefreut, wenn ich nicht \"leider\" schreiben müsste. Naja, es ist halt so, wie es ist. Die FDP besitzt offensichtlich weder Menschenkenntnis noch Kreativität, um zu der Erkenntnis eines bGE zu kommen. Die sind derzeit wohl eher damit beschäftigt, alt bekannte Stammtischparolen zu grölen. Nach dem Motto \"was ich selber denk und tu, trau ich auch den anderen zu\" werden hier die arbeitslosen Menschen als faul und \"Sozialschmarotzer\" hingestellt. Absolut nicht wählbar, diese Truppe mit dieser Einstellung.

Reinhard Börger schrieb am 05.06.2008, 14:04 Uhr

Entschuldigung, ich gebe Günter Sölken recht. Beim ersten flüchtigen Lesen hatte ich den massiven Arbeitszwang beim FDP-Modell übersehen; in der Systematik sehe ich es zwar ähnlich wie die FDP, aber die Sätze sind sehr niedrig, möglicherweise zu niedrig. Mit dem Ziel der FDP, die Wirtschaft zu beleben, stimme ich überhaupt nicht überein. Ob die Gefahr besteht, dass die FDP den Begriff \"Bürgergeld\" in ihrem Sinne besetzt, weiß ich nicht. Einerseits benutzen andere ihn anders, andererseits ist vielleicht in der allgemeinen Diskussion das Wort \"Grundeinkommen\" ohnehin besser.

Tobias Teetz schrieb am 05.06.2008, 18:59 Uhr

Lieber Günther,

auch die Gutachter des Sachverständigenrates äusserten sich sehr kritisch zu einem Bürgergeld nach den Althaus-Vorschlägen. In den Jahren 2001-2004 gab es trotz Arbeit keinen ausreichenden Lohn - ich erinnere mich an das Grundeinkommensbüchlein von Attac zu diesem Thema. Auch bei Attac gab es im Jahr 2005 keine geschlossene Zustimmung zu einem bedingungslosen Grundeinkommen.

In den Jahren 2002-2004 (ich war in diesen Jahren arbeitslos trotz vielfacher Bewerbungsbemühungen) habe ich mich sehr für die sozialen Folgen von Arbeitslosigkeit und Ungleichheit -Ausgrenzung in Deutschland interessiert. Ein Großteil meiner Homepagearbeiten resultiert aus dieser Zeit. Ich bin glücklicherweise nicht allein, es gibt viele Juristen die im Arbeitsrecht fitter sind als ich.

Mittlerweile gibt es viele zeitnahe Veröffentlichungen vom Stat. Bundesamt zu Nettoeinkommen, Einkommensteuern, Bruttolöhnen usw.. Das war in den Neunzigern noch nicht so detailliert.

Ich sehe die Welt aus naturwissenschaftlicher Sicht. Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz glaubte, dass Traditionen, Kultur quasi der Sklettbau einer Gemeinschaft sind. Das Sklett der Säugetiere, des Menschen ermöglicht aber nicht alle Freiheiten die beispielsweise ein Regenwurm noch hat. Das Sklett ist ein Stützapparat ebenso wie die Traditionen, die Kultur, möglicherweise die Arbeit. Was würde passieren, wenn der Mensch sein Sklett verlöre?

Eine Wheatstonesche Brücke wird in der Elektronik benutzt, um einen unbekannten Widerstand zu ermitteln. In zwei parallelen Stromkreisen wird die Spannung zwischen zwei Widerständen auf Null gebracht. Je höher der Widerstand desto geringer der Strom.

Ähnliches gilt leider auch für die sogenannte Globalisierung. Hier werden Volkswirtschaften verkoppelt. Dabei stellt der eine Widerstand die Verteilung des Wohlstandes auf die Beschäftigten im Unternehmen dar, der andere Widerstand ist die Verteilung des Wohlstandes auf die übrige Bevölkerung. Betrachtet man nun beispielsweise Westeuropa, Osteuropa, Asien USA als parallele Stromkreise, so ist das Problem wesentlich komplizierter. Die Stromstärke soll ja nicht auf Null sinken.

Daher unterscheidet sich auch das Modell von Götz Werner von dem Modell von Helmut Pelzer.

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Teetz

Viktor Panic schrieb am 16.06.2008, 11:23 Uhr

LEISTUNGSFEINDLICH!!!

Leistungsfeindlich ist das heutige System,

Leistungsfeindlich ist das \"Bürgergeld\" der F.D.P.,

beide aus demselben Grund: Jeder, der sein Existenzminimum selber erwirstschaftet, wird vom Staat im Stich gelassen, also praktisch dafür bestraft, dass er sich selbst über Wasser hält. Die Lebenshaltungs-Kosten hat gefälligst der Arbeitgeber zu tragen!

Das bedingungslose Grundeinkommen dagegen führt dazu, dass sich jede Leistung lohnt! Und bei einer linearen Finanzierung (Flatrate) wäre sogar das Kosten-Nutzen-Verhältnis jeder Arbeit konstant!

Kosten = Arbeitskosten

Nutzen = Kaufkraftgewinn (Kaufkraft minus Grundeinkommen)

Das Althaus-Modell hat hier übrigens seine Schwäche. [Zweistufige Steuer: unten 50%, oben 25%, also degressiv.]

Wäre aber ein Fortschritt gegenüber heute [unten 80% ALGII-Anrechnung; darüber ca 25% Eingangssteuersatz, steigend].

Anmerkung zum Götz-Werner-Modell:

Der wesentliche \"Unterschied\" seines Modells ist die Ersetzung der Einkommensteuer durch eine höhere Mehrwertsteuer.

Tatsächlich würde dies die Möglichkeit der Steuervermeidung beinhalten, d.h.: in Deutschland arbeiten, im Ausland einkaufen.

Allerdings bin ich der Auffassung, dass sich der Unterschied zwischen Einkommen- und Mehrwert-Steuer real in Luft auflöst, wenn man einen FESTEN Einkommensteuersatz (ohne Freibetrag) und einen EINHEITLICHEN Mehrwertsteuersatz vergleicht.

Darum sollte es möglich sein, ihn davon zu überzeugen, dass diese Komponente (Abschaffung der Einkommensteuer) nicht notwendig ist.

Stefan Körbe schrieb am 03.08.2008, 14:03 Uhr

Sehr geehrter Herr Panic,

ich denke schon, dass gerade eine Abschaffung der Einkommensteuer, bzw. aller Steuern, die zwischen Netto- und Bruttolohn liegen, für eine Belebung des Arbeitsmarktes mehr als hilfreich wären. Das bGE würde eine neue \"Null-Linie\" definieren, auf der dann alle Löhne und Gehälter aufgesetzt werden können. Arbeitgeber könnten viel leichter jemanden einstellen, ohne riesige Kosten mitzahlen zu müssen. Konsumiert wird dann sowieso. Die Gewissheit, dass das bGE im nächsten Monat sowieso wieder zur Verfügung steht, plus Lohn oder Gehalt, verhilft den Menschen dabei, sich Wünsche erfüllen zu können. Sparen muss dann nur noch für \"größere Wünsche\" stattfinden. Die Binnennachfrage steigt, die Wirtschaft freut sich. Alle freuen sich!

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