FU Berlin führt Onlineumfrage zum bedingungslosen Grundeinkommen durch

Patrick Wehner 05.09.2015 Druckversion

Bastian Michael Foto: privat

Bastian Michael Foto: privat

Im Rahmen eines Forschungs­projekts am Lehr­stuhl für Arbeits- und Organisations­psychologie der Freien Univer­sität Berlin hat ein Student eine Onlineumfrage erstellt, an der voll­jährige Erwerbs­tätige teil­nehmen können. Mit seiner Abschluss­arbeit will Bastian Michael herausfinden, ob es einen Zusammen­hang zwischen Sinn­erleben, dem Engage­ment von Organisa­tionen und dem bedingungs­losen Grund­einkommen gibt. Pro Teil­nehmer der Umfrage spen­det der Initia­tor zusätzlich 25 Cent an „Help – Hilfe zur Selbst­hilfe e.V.“, eine gemein­nützige Organi­sation, die Menschen in Not hilft und großen Wert auf die Unter­stützung von ‪‎Flüchtlingen legt. Seine Abschluss­arbeit ist der Auftakt zu weiteren Unter­suchungen zum bedingungs­losen Grund­einkommen, die er durchführen möchte. Was das genau bedeutet und welche weiteren Pläne er hat, erklärt er im Interview.

Wie bist du auf das Thema BGE aufmerksam geworden und was interessiert dich daran am meisten?

Die Idee ist mir erstmals in der Mail eines Freundes im Jahr 2006 begegnet, aber eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema beginnt für mich erst jetzt. Die Idee fasziniert mich aus vielerlei Gründen und je mehr ich mich mit ihr befasse, desto bewusster wird mir die Tragweite an Implikationen, die mit der Einführung eines BGE einhergehen würden. Beispielsweise habe ich mich im Rahmen meines Psychologiestudiums an der University of California Berkeley mit den Antezedenzien (Anm.d.R.: Vorleben, frühere Lebensumstände) von Kreativität, Innovation und Entrepreneurship auseinander gesetzt und ich bin überzeugt davon, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen, zumindest in der Form, wie es auch durch das Netzwerk Grundeinkommen vertreten wird, Impulsgeber für eine kreativere und innovationsfreudigere Gesellschaft werden kann.

Zudem war in Berkeley in Folge der räumlichen Nähe zum Silicon Valley für mich spürbar, dass im Zuge der zunehmenden Automatisierung von Arbeitsabläufen die Einführung eines alternativen Modells perspektivisch unumgänglich sein wird. Nicht umsonst wird die Idee auch rund um die Bay im Norden Kaliforniens lebhaft diskutiert. Es ist schwer vermittelbar, dass in Zeiten nie da gewesener Produktivität und Wertschöpfung, die Gewinne von wenigen akkumuliert werden, während andere sich am Existenzminimum bewegen und z.T. von der sozialen Teilhabe ausgeschlossen werden. Die Art und Weise, wie mit Individuen umgegangen wird, die aus den unterschiedlichsten Gründen von staatlicher Unterstützung leben, erlebe ich als problematisch für die gesamte Gesellschaft und hier sind die Potentiale eines BGE genauso evident wie im Zusammenhang zu Beschäftigungsverhältnissen im Niedriglohnsektor.

Am wichtigsten ist für mich allerdings, dass der Diskurs zum BGE eine der entscheidendsten Fragen aufwirft – in welcher Welt wollen wir eigentlich leben? Letztlich tragen wir die Verantwortung für die Beantwortung dieser Frage und ich habe den Eindruck, dass viele Menschen sich der Möglichkeit, durch ihr Handeln auf wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitisch bedeutsame Prozesse Einfluss zu nehmen, wieder zunehmend bewusst werden. In diesem Zusammenhang ist es für mich ermutigend zu erleben, wie zahlreich die Reaktionen sind, die ich aktuell auf die Umfrage zum BGE aus den unterschiedlichsten Richtungen erhalte.

Kannst du kurz erklären, worum es in deiner Abschlussarbeit geht und wie das bedingungslose Grundeinkommen dort aufgegriffen wird?

In meiner Abschlussarbeit untersuche ich den Zusammenhang von berufsbezogenem Sinnerleben, affektivem organisationalen Commitment und einer Variablen, die durch das BGE möglicherweise beeinflusst wird. Genauer möchte ich an dieser Stelle nicht werden, um die Untersuchungsergebnisse nicht zu beeinflussen. Aber dem aufmerksamen Teilnehmer wird nicht verborgen bleiben, worum es in der Umfrage letztlich geht.

Wie wird in deiner Arbeit das bedingungslose Grundeinkommen definiert?

Ich beziehe mich im Rahmen der Arbeit vorrangig auf die Definitionen von Götz Werner und Philippe van Parijs. Im Vordergrund steht, dass es sich um ein Einkommen handelt, dass jedem Mitglied einer politischen Gemeinschaft ohne Bedürftigkeitsprüfung und unabhängig von der wirtschaftlichen Situation eines Individuums ausbezahlt wird, wobei die Höhe des Grundeinkommens derart bemessen sein soll, dass es Existenzsicherung ermöglicht und zur sozialen Teilhabe befähigt. (Anm.d.R.: van Parijs definiert das Grundeinkommen nicht mit den vier Kriterien)

Bis wann kann man an der Onlineumfrage teilnehmen? Und wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Die Onlineumfrage ist noch bis zum 7.9.2015 aktiv. Die Umfrage erfolgt anonym und die Daten werden nur in generalisierter Form ausgewertet, sodass keinerlei Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich sind.

Was hat es mit den Spenden für die humanitäre Hilfsorganisation „Help – Hilfe zur Selbsthilfe e.V.“ auf sich? Spendest du den Gesamtbetrag selbst?

Häufig wird als Anreiz zu Onlineumfragen ein Amazon- oder Starbucks-Gutschein verlost und ich habe nach einer Alternative gesucht. Help e.V. hat mich überzeugt, weil diese Organisation zur Selbsthilfe befähigen möchte und sich in zahlreichen sinnvollen Projekten engagiert. Ich spende den Gesamtbetrag selbst und auch wenn ich aktuell mein Geld zusammenhalte, um für die Wohnungssituation in London, meinem neuen Zuhause, gewappnet zu sein, hoffe ich sowohl für mein Projekt als auch für Help e.V., dass viele Teilnehmer zusammen kommen.

Können die Ergebnisse deiner Untersuchung eingesehen werden, wenn sie beendet ist?

Ja, ich kann zwar noch nicht sagen, in welcher Form das geschehen wird, aber es ist geplant, die Ergebnisse zu veröffentlichen.

Willst du dich auch zukünftig mit dem Thema auseinandersetzen?

Ich beginne in Kürze einen Master in Sozial- und Kulturpsychologie an der London School of Economics and Political Science und aktuell ist es mein Plan, auch dort die psychologischen Implikationen eines BGE zu erforschen.

Was würdest du selbst machen, wenn du ein Grundeinkommen hättest? 

Als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes erhalte ich bereits eine Art Grundeinkommen und weiß daher aus eigener Erfahrung, welchen Unterschied diese Form der finanziellen Absicherung in Bezug auf die eigene Lebensgestaltung darstellt. Ohne Stipendien hätte ich nicht die Möglichkeit gehabt nach Berkeley zu gehen, und könnte nun auch meinen Master nicht in London absolvieren. Ich habe bereits vor meinem Studium als Schauspieler gearbeitet und trotz aller Phantasie habe ich mir damals nicht ausmalen können, was das Leben noch an weiteren Abenteuern für mich bereithält. Ich denke, dass dies eine der zahlreichen großartigen Möglichkeiten ist, die ein BGE bieten kann. Selbst zu entscheiden, in welche Richtung man sein Leben bewegen möchte, ganz egal ob das bedeutet, noch einmal eine neue Ausbildung zu beginnen, oder sich in einem neuen Beruf zu erproben, welcher die weitere Entfaltung der eigenen Potentiale ermöglicht.

Zur Teilnahme an der Umfrage einfach dem Link folgen.

 

Ein Kommentar

berni schrieb am 14.10.2015, 10:04 Uhr

Grundeinkommen wird nicht nur über Steuern generiert, auch über Erwerb und Versicherung, die ja enthalten sein kann als Grundversicherung. So ist es durchaus möglich, auf weit mehr als 1500 Euro zu kommen. Der Grundbedarf lässt sich berechnen nach tatsächlichem Lebenshaltungsbedarf, der regional etwas unterschiedlich sein kann.

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