DIE LINKE Thüringen beschloss Antrag zum Grundeinkommen

Ronald Blaschke 05.11.2018 Druckversion

Auf dem Parteitag der LINKEN Thüringen am 27. Oktober in Weimar wurde ein Antrag zum Grundeinkommen mit überwältigender Mehrheit beschlossen.

Darin heißt es u.a.:

„Spätestens bis zur nächsten Bundestagswahl muss DIE LINKE in der Lage sein, ein breit in der Partei getragenes Konzept eines emanzipatorischen BGE zu präsentieren, unabhängig davon, ob dieses in einem Bundestagswahl- und in unserem Parteiprogramm als Forderung Eingang findet oder nicht. Nur mit einer gemeinsam getragenen Position kann DIE LINKE dem Vordringen neoliberaler BGE-Modelle wirksam entgegentreten und als wichtige Akteurin in der BGE-Community wahrgenommen werden. DIE LINKE. Thüringen wird in diesem Sinne in den Parteigremien wirken.“

Weiter heißt es im Beschluss:

„Der Landesparteitag empfiehlt, mit der Forderung nach einer bedingungslosen Kindergrundsicherung einen ersten Teilschritt in die Richtung eines emanzipatorischen BGE programmatisch zu verankern. Ausgangspunkt unseres Handelns sollte ein bereits weitgehend geeinter Themenpunkt sein: Schon in unserem Bundestagswahlprogramm 2017 heißt es: ‚Wir schaffen eine Kindergrundsicherung, die alle Kinder vor Armut und Ausgrenzung schützt.‘ Dieses universale Kinderrecht bedingungslos umzusetzen, in erster Linie vom Kind und nicht vom Einkommen der Eltern her gedacht, könnte ein erster weitgehend konsensualer Baustein sein. Die Überwindung von Kinderarmut mit allen ihren individuellen und gesellschaftlichen Folgen wäre ein sozialpolitischer Fortschritt, dem eine existenzsichernde bedingungslose Grundsicherung im Alter als nächster Schritt folgen könnte. Unbenommen davon sind Forderungen wie eine sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV richtige Maßnahmen, um Zwängen in der Arbeitswelt zu begegnen und für ein BGE eine bessere gesellschaftliche Ausgangslage zu erzeugen.“

Der beschlossene Antrag stellt auch einige konkrete Anforderungen an ein emanzipatorisches Grundeinkommen.

Dem Landesparteitag und dem dort beschlossenen Antrag ging ein landesweiter Werkstattprozess zum Grundeinkommen voraus, den DIE LINKE Thüringen organisierte.

Die Landesvorsitzende der Thüringer LINKEN, Susanne Henning-Wellsow, fragte am Rande des Landesparteitags: „Warum nicht ein bedingungsloses Grundeinkommen in Thüringen in der nächsten Legislatur einfach mal versuchen?“. Sie könne sich beispielsweise ein Modellprojekt in einer Dorfgemeinschaft mit 500 bis 1.000 Menschen über eine Dauer von vier Jahren vorstellen. Aus ihrer Sicht könnte das Grundeinkommen etwa 1.500 Euro monatlich betragen.

4 Kommentare

Oskar Franz schrieb am 08.11.2018, 13:50 Uhr

Wir können heutzutage alles produzieren was wir brauchen. Nur mit der Verteilung klappt es nicht. Wir brauchen kein Grundeinkommen, sondern ein anderes Gesellschaftsmodell, wo die Arbeit ehrlich bezahlt wird. Wer ein bedingungsloses Grundeinkommen befürwortet, will kein gerechtes Gesellschaftssystem, er will weiter im Kapitalismus leben. Denken die Befürworter etwa, die \"weiche Diktatur\" nutzt dieses Grundeinkommen durch höhere Mieten, Preise etc. nicht aus? Die Armut wird dann zunehmen. Kann man als Linke nicht strategisch denken?

Stephan Härtl schrieb am 16.11.2018, 20:48 Uhr

Es ist richtig, dass durch das Bedingungslose Grundeinkommen keine postkapitalistische Gesellschaft entsteht. Die Vision des BGE besagt lediglich, dass jedem bedingungslos seine Grundbedürfnisse und die Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht werden. Damit sind nicht arme, prekäre Verhältnissen gemeint. Die Frage ist lediglich, ob diese emanzipatorische Vision unter den Machtverhältnissen im Kapitalismus verwirklicht werden kann. Das BGE hat für mich den gleichen Stellenwert wie seinerzeit die Überwindung der Sklaverei bzw. der Leibeigenschaft. Auch damals werden wohl die meisten es für undenkbar und unrealisierbar gehalten haben.

Ute Behrens schrieb am 19.11.2018, 14:09 Uhr

Das BGE kann nur ein Baustein innerhalb einer vollständig zu verändernden Gesellschaftsordnung sein, die den Kapitalismus in seiner derzeitigen Ausprägung abschaffen muss (https://www.initiative146.de). Stichwortkatalog: Steuern müssen steuern, Tätigkeitsgesellschaft, Lebensgrundlagen zu Gemeingütern erklären, Genossenschaftsmodelle fördern, neue volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Ressourcenverbrauch einpreisen, BGE als regionales und internationales Innovationsprojekt betrachten und BGE-Skeptiker die nachfolgenden Fragen beantworten lassen:

- Wäre es nicht sinnvoller, den schlecht bezahlten Job nicht anzunehmen, stattdessen zu Hause zu bleiben und sich um die Familie und Gemüsebeet zu kümmern, anstelle die Straßen zu verstopfen und die Umwelt mit einem alten Dieselfahrzeug zu verpesten?

- Wäre es nicht sinnvoller, den Agraringenieur und die Lehrerin mit einem BGE auszustatten, damit beide sorglos in ein Schwellenland gehen können, um dort eine dem jeweiligen Land angepasste Infra- und Bildungsstruktur unter Einbezug der neuen Technologien (3-D-Manufacturing) aufzubauen, damit die Wertschöpfung in die dortige Volkswirtschaft fließen kann?

- Wäre es nicht sinnvoller, das BGE unter den Arm zu nehmen, die Metropolen wieder zu verlassen, die Peripherien neu zu beleben und der bisherigen Verdichtung entgegenzuwirken, indem man dort kleine Start-Ups, Genossenschaftsläden, Waldkindergärten und Schulen, ökologische Landwirtschaften aufbaut?

Das BGE ist ein hochkomplexes Thema und kann ganz sicher nicht aus der Ceteris-paribus–Perspektive angegangen werden.

Klaus Hering schrieb am 26.11.2018, 05:40 Uhr

Maibritt Illner dikuteirt das Grundeinkommen

Welch ein engstirniger nationaler Diskurs um ein menschheitsbewegendes Thema. Illner diskutiert das Grundeinkommen. Anwesend: eigentlich alle wesentlichen ideologischen und ökonomischen Interessensgruppen der Republik.

Die zentrale Frage des GE kann doch nicht lauten, ob in Deutschland einige Sanktionen für Hartz 4 wegfallen sollen.

Sie müssten lauten:

A: Ist die Menschheit in der Lage, Wertschöpfungsketten ohne die Knute der Lohnarbeit zu organiseren?

B: Wohin mit all diesen Produktivkräften, welche durch die nächste technische Revolution freigesetzt werden?

Aber: Keiner stellt sie!!

Meine erste These an die GE Befürworter

A: Es wird nicht gelingen, ein auskömmliches Grundeinkommen in den wohlhabenden Staaten einzuführen, ohne die extreme Ungleichverteilung weltweit einzudämmen.

Das Ergebnis wären sonst Wohlstandsinseln, die sich massiv gegen \"Zuwanderung ins Paradies\" abschotten müssten. Nationalismus und Rassismus als Begleiterscheinung der moralischen Zwangslage inklusive. Die voräufer sehen wir bereits.

B: Was ist das für eine Welt, in der sich der menschliche und technische Fortschritt auf einige wenige Hotspots verteilt. Während sich die einen mit irrsinnigem Aufwand langes oder gar unendliches Leben erkaufen, haben die unteren 90 Prozent keinen Schimmer von den Wundern moderner (Herrschafts-)Technik.

Diese Welt ist uns aus 100-jähriger Vergangenheit bestens bekannt: Kolonialismus / Sklaverei / imperilalistische Beutezüge.

Schon allein der hyperventilierende technologische Umbruch würde auch den (imperialistischen?) Zentren das Leben für viele zur Qual machen.

Wer nicht arbeitet soll nicht essen - dieses besonders in der rechtsgewirkten Arbeiterbewegung immer noch rumorende Dogma schien der Dikussion klassenübergreifend immer wieder durch (Klingbeil / Merz / Wagenknecht) .

Bei allem Verständnis für die Ängste, daß eine Welt ohne die Knute der Lohnarbeit auseinanderfallen könnte: Die GE-Befürworter können mit Fug und Recht auf kleinere Experimente (Namibia, Finnland) verweisen, die belegen, dass dem nicht so ist. Im Gegenteil: Die soziale Freiheit kann kreatives Selbstbewusstsein in Menschen wecken, welches der Gesellschaft zugute kommt und sogar die Ökonomie fördert.

Insgesamt würde ich mir eine Welt wünschen, die sich mit der Besiedlung des Mars ein wenig mehr Zeit läßt und ihre Ressourcen und Kräfte erst einmal in die Aufgaben steckt, die ihr mit der Umweltkrise, Überbevölkerung und ökonomischer Sackgasse dringend im Magen liegen. Schrumpfung des ökologischen Fußabdrucks und Postwachstum sind das Gebot der Stunde. Hier wäre dringend nachzufragen, welchen Nutzen ein Grundeinkommen hierfür böte.

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