Das bedingungslose Grundeinkommen als bloßes Modell der Armutsvermeidung

Manuel Franzmann 06.06.2008 Druckversion


Anmerkung zur öffentlichen Podiumsdiskussion „Mai 1968: 40 Jahre danach – und nun?“ zwischen Daniel Cohn-Bendit und Ulrich Oevermann

Am Montag, den 2. Juni 2008 fand an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main eine öffentliche Diskussion zwischen Daniel Cohn-Bendit (EU-Politiker der Grünen) und Ulrich Oevermann (emeritierter Frankfurter Soziologieprofessor) zum Mai 1968 statt, in der Oevermann in einem zeitdiagnostisch motivierten Vergleich der Situation heute mit der Konstellation 1968 das bedingungslose Grundeinkommen als Lösung für aktuelle Krisen nannte (siehe dazu an späterer Stelle den Wortlaut).

Cohn-Bendit reagierte darauf. Seine Antwort ist bezeichnend für den Hauptstrom des gegenwärtigen politischen Diskurses in den Parteien, denn er reduzierte den Grundeinkommensvorschlag stillschweigend – wie dies sehr häufig geschieht – auf einen Ansatz zur Armutsvermeidung und zur Sicherung eines zum Leben ausreichenden Mindesteinkommens und brachte zum Ausdruck, dass er vor allem darin die Herausforderung sieht. Die Differenz zwischen dem Grundeinkommensvorschlag und anderen Modellen der Sicherung eines Mindesteinkommenssicherung besteht für ihn daher lediglich in einer weniger bedeutsamen, eher technischen Hinsicht: welches dieser Modelle das geeignetste Mittel für diese Zielsetzung darstellt.

Wenn das Grundeinkommen jedoch lediglich als Mittel der Armutsvermeidung und nicht vor allem unter dem Gesichtspunkt von Autonomiegewinnen betrachtet wird, dann kann man sich im Prinzip auch darauf beschränken, für eine bloße Erhöhung bestehender Transferzahlungen wie Hartz IV einzutreten. Ja, man kann dann bezeichnenderweise sogar gleichzeitig für die Beibehaltung oder den Ausbau scharfer Kontrollen der Arbeitsbereitschaft von Hartz-IV-Empfängern und harter Sanktionsmaßnahmen eintreten. Wahrscheinlich schwebt Cohn-Bendit so etwas nicht vor, aber es ist doch bezeichnend, dass er die Pointe eines bedingungslosen Grundeinkommens, nämlich die dadurch ermöglichten Autonomiegewinne, entweder gar nicht wahrnimmt oder aber nicht besonders wertschätzt. Es drängt sich die Frage auf, wo die Emanzipationsorientierung einer Ikone der 68er-Bewegung geblieben ist.

Die erwähnte Passage der Diskussion im Wortlaut:

Oevermann:

    „(…) Den 68ern, der Studentenbewegung, kam es auf die Universität überhaupt nicht an. Das war ihr ziemlich egal. … Dutschke hat sich nie für die Universität interessiert, sondern für die Weltpolitik. Die Universität war nur ein Vorwand. Die Universität, die Krise der Universität war damals vergleichsweise gering im Vergleich zu heute. Die gesellschaftliche Krise war überhaupt nicht da, im Vergleich. Heute dagegen haben wir eine Transformation der Universität eines riesigen Ausmaßes. Wir haben die endgültige Zerstörung der Humboldt-Universität, und wir wissen nicht, was die Folgen sind – im Kleinen. Wir haben im Großen, nur ein Stichwort, sechs Millionen Hartz-IV-Empfänger und kein Wochenende bisher, an dem sie auf die Strasse gehen. Eine große Krise!

    Wir haben eine Krise am Arbeitsmarkt, die im Grunde genommen so etwas wie ein bedingungsloses Grundeinkommen erforderlich machen müsste. Aber selbst die Grünen haben das wie eine heiße Kartoffel fallengelassen und diese Kartoffel auch nicht wieder konsequent aufgenommen. Am letzten Parteitag der Grünen ist das ziemlich daneben gegangen.

    Und wir haben eine Linke, die sowohl Mindesteinkommen vertritt wie Grundeinkommen, und beides widerspricht sich radikal. Man kann nicht das eine fordern und das andere, denn das sind zwei vollkommen verschiedene Logiken. Das heißt also, es ist ein rein populistisches Programm. …

    Wenn man sich jetzt fragt: Warum gibt es keine vergleichbare, ja eine viel erforderlichere Revolte oder Rebellion dagegen? Warum gibt es keine Massenbewegung dagegen? Dann, denke ich, ist eine erstmal einfache und sehr vordergründige Interpretation oder Deutung die, dass heute für diese Krisendiagnose ein Diskurs nicht vorhanden ist. Es gibt keinen gültigen zeitdiagnostischen Diskurs, der etwa aus den Sozialwissenschaften geliefert würde. Wir haben stattdessen einen außerordentlich reduzierten Diskurs, den ich den Diskurs der Verbetriebswirtschaftlichung nennen würde, der manchmal als Neoliberalismus bezeichnet wird. Das ist ein Diskurs, der außerordentlich mächtig ist, obwohl intellektuell sehr dünn. Warum ist der so mächtig? Ich habe mir diese Frage häufig gestellt und vorläufig nur eine Antwort gefunden darauf, die nicht besonders befriedigend ist. Er ist deswegen so mächtig, weil jedes Argument, das man gegen einen Vertreter dieses Diskurses vorbringt, sofort dazu zwingt, die Grundlagen dieses Diskurses in Frage zu stellen. Und wenn man das tut, dann kriegt man sofort das Gegenargument: In welcher Welt leben Sie eigentlich? Und Sie haben wohl den letzten Schuss noch nicht gehört.“

Cohn-Bendit:

    „(…) Und zum Schluss jetzt die Frage, warum gibts heute keine Revolte, die Analyse ist ja richtig. Also ich könnte jetzt mit Dir streiten über Grundeinkommen oder bedingungsloses Grundeinkommen und Mindesteinkommen. Richtig an Deiner Analyse ist, dass mit dieser sozialen Ungerechtigkeit in dieser Gesellschaft wir einfach unten irgendwie einen Strich ziehen müssen, darunter darf kein Mensch leben und kann in unserer reichen Gesellschaft nicht leben. Jetzt streiten wir uns dann noch, was die beste Lösung ist, aber dieser Gedanke ist völlig richtig. Und Deine Analyse, dass die Grünen nicht weit gegangen sind, nicht weit genug – warum nicht? – halte ich aus!“

(Dieser Diskussionsausschnitt bei Youtube.
Hier die vollständige Aufzeichnung der Diskussion.)

Zu Oevermanns Krisenskizze ließe sich ergänzen, dass ein angemessener öffentlicher Krisendiskurs wohl nicht nur deswegen fehlt bzw. es schwer hat, ein größeres Gewicht zu bekommen, weil der Diskurs der Verbetriebswirtschaftlichung alles überragt, sondern auch weil viele Menschen (und so auch die heutige Jugend und die jungen Erwachsenen) gleichzeitig unter Bedingungen einer mittlerweile schon sehr weitreichend nach betriebswirtschaftlichen Modellen veränderten Praxis leben müssen, die sie gewissermaßen im Würgegriff hält und ihnen kaum Freiräume (Zeit) zum Nachdenken über utopische Lösungsentwürfe gegenwärtiger Gesellschaftskrisen lässt. Entsprechend bildet sich für einen angemessenen Krisendiskurs, den es ja keimhaft gibt, nur sehr beschwerlich ein förderlicher Resonanzboden aus, auch wenn hier in den letzten Jahren doch beachtliche Fortschritte zu verzeichnen sind.

In der 68er-Generation hatten zumindest die privilegierten Studenten an der Universität – aus heutiger Sicht geradezu unvorstellbare – Freiräume zur Verfügung, und angesichts der guten Arbeitsmarktaussichten war auch die berufliche Zukunft weitgehend sicher, selbst wenn man durch wilde Revolutionsrhetorik von sich reden machte. Heute müssen selbst Studenten unter der verbetriebswirtschaftlichten Realität eines verschulten Studienbetriebs leiden. Solange die zur Verfügung stehenden Freiräume so gering sind, solange ist sicherlich damit zu rechnen, dass die Konstitution eines angemessenen öffentlichen Krisendiskurses und einer demonstrierenden Bewegung gegen die Zumutungen gegenwärtiger Scheinreformpolitik nur äußerst beschwerlich vorankommt.

Immer wieder ist von Alt-68ern zu hören, dass sie bei der heutigen Jugendgeneration ein vergleichbares Engagement für utopische Gesellschaftsentwürfe und ein Aufbegehren vermissen, wie sie es aus ihrer Jugend gewohnt sind. Dazu kann man nur sagen: Als privilegierter studentischer 68er hatte man dazu auch sehr günstige (nicht zuletzt ökonomische) Bedingungen, sich derart weitreichend mit solchen Grundsatzfragen des Lebens zu beschäftigen (abgesehen davon, dass die gesellschaftspolitischen Hervorbringungen von damals sich auch als wenig belastbar erwiesen haben). Will man heute nicht nur den – noch vergleichsweise privilegierten – Studenten ähnliche Freiräume zurückgeben, sondern für alle günstige Voraussetzungen zur Teilnahme an politischen Zukunftsdebatten bzw. am öffentlichen Diskurs schaffen, drängt sich ein zum Leben ausreichendes bedingungsloses Grundeinkommen als Ansatz geradezu auf. Aber natürlich wäre es unsinnig auf die Verbreitung dieser Einsicht zu warten. Um die beschwerliche, allmähliche Ausweitung des Grundeinkommensdiskurses unter widrigen Bedingungen führt wahrscheinlich kein Weg vorbei.

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Der Autor

Manuel Franzmann forscht und lehrt als Sozialwissenschaftler an der Universität Frankfurt/M. und ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Netzwerks Grundeinkommen

9 Kommentare

Volker Huth schrieb am 10.06.2008, 15:05 Uhr

Jeder, der als aktiver Vertreter des \"Bedingungslosen Grundeinkommens\" sich die Mühe macht seine Überzeugung öffentlich zu vertreten, hat die Erfahrung erhalten wie notwendig die Arbeit auf der Straße ist. Nur durch die Kernerarbeit an Infoständen erreichen wir den Bürger der nicht zu \"Bildungselite\" gehört, der unvorbelastet das Gespräch sucht. Meine bisherige Erkenntnis aus öffentlichen Info-Aktionen, die ich als Mitglied der Dortmunder Bürgerinitiative Bge ist mitgestaltet habe, liegt in der Notwendigkeit die Bewegung dem \"Normalbürger\" ins Bewusstsein zu bringen. Diese Informationsarbeit sollte seriös, ohne Besserwisserei, ohne Parteinähe oder gängiger Ideologie erfolgen. Mit der Klarheit, die Erreichung des Bge ist nicht hauptsächlich Ökonomische Notwendigkeit, sondern eine im höchsten Maße ethische Weichenstellung. Um das Bürgerbewustsein aus der materialistischen Sackgasse zu lösen ist die Trennung von Arbeit und Einkommen das notwendige Ziel. Erst wenn den Menschen bewusst wird; ich arbeite bereits jetzt immer für andere und andere arbeiten für mich; Wird sich ein überlebensfähiges Menschenbild entwickeln können.

Also, raus aus unseren liebgewonnenen (auch notwendigen) Debattierkreisen und an die harte aber auch gewinnende Arbeit auf der Straße. Alle die sich mit diesem Thema ernsthaft beschäftigen gehören zu einer \"Bewusstseinselite\" die nicht als dekadentes Gehabe, sondern als verpflichtende Aufgabe verstanden werden muss.

Ich freue mich über jede ehrliche Aktivität in diesem Sinne.

\"Nichts ist so kraftvoll wie die Idee dessen Zeit gekommen ist\" (frei nach Victor Hugo)

Viktor Panic schrieb am 11.06.2008, 09:22 Uhr

Bei der Masse der Bevölkerung würde es uns schon ein Stück weiter bringen, auf Redewendungen wie \"die Trennung von Arbeit und Einkommen\" zu verzichten, die den Eindruck verstärken, beim BGE handele es sich lediglich um eine soziale Wohltat, und es sei leistungsfeindlich. Im Gegenteil sollten wir stärker bewusst machen, dass das BGE im unteren Einkommensbereich das Leistungsprinzip stärkt, welches da heißt, wer mehr leistet (Arbeistlohn), sollte auch mehr davon haben (Kaufkraft). Und ich hoffe, niemand gibt sich der Illusion hin, die Einführung des BGE würde das Interesse der Menschen an Wohlstand und persönlichem Aufstieg ändern! Gerade dieser Eindruck schreckt möglicherweise weite Teile unserer Elite davon ab, sich mit dem BGE zu befassen. Die Erfolgreichen fürchten das, was ihren Erfolg entwerten könnte, wir dürfen nicht den falschen Eindruck erwecken, das BGE führe zu einer sozialen Umwälzung. Auch und gerade mit BGE wird bezahlte Arbeit wieder das Mittel zum sozialen Aufstieg werden.

human 6008790802 schrieb am 16.06.2008, 11:00 Uhr

Ich schlage vor, die gesamte Diskussion über das BGE zu bündeln und sich bei 1000 € pro Person zu einigen. (Andere Währungszonen müssten eine andere Normzahl nehmen; es gibt ungefähr 160 ). An dieser Zahl könnten sich alle anderen Preise und Löhne, Kosten und Unkosten normativ ausrichten. Ich vermute, ohne eine konkrete Zahl kommt auch nicht die konkrete Tat. Sondern nur viele weitere unendliche Diskussionen und Varianten von Wenns und Abers und Berechnungskalkulationen.

( Begründung:

1. die \"1000\" ist leicht zu merken, versteht jeder. Sie ist hoch genug, um auch für \"Besserverdienende\" oder \"Normalverdienende\" akzeptabel zu sein. Klingt weder nach Armut noch nach Reichtum.

2. wird sowieso von den meisten ungefähr erwartet, vermute ich,

3. wem das zuviel erscheint, bedenke mal die Preise für Neubauten, Neuwägen, usw., wenn man ohne Kreditaufnahme etwas in bar ( ein Haus oder Auto ) kaufen möchte. ( Beispiel: Selbst eine 6-köpfige Familie mit 6000 € müsste noch ungefähr 10 bis 20 Jahre auf ein Eigenheim sparen, wenn sie nur BGE beziehen würde. Bei den derzeitigen Preisen.)

4. Ein \"durchschnittlicher\" Staatsbürger könnte sich dann auf die Formel \"1000 + X\" einstellen. (\"1000\" bezeichnet das BGE und \"X\" bezeichnet das weitere Einkommen. \"1000\" bedeutet seine monetäre Existenzsicherung und \"X\" ist Luxus, den man sich erarbeiten muss, oder ererben, erspekulieren, oder, oder,....)

5. Ich habe den Eindruck, dass in die BGE-Diskussion zuviel politischer Ballast und Ideologie hineingepackt wird, was sie unnötig verkompliziert. Konkret geht es bei BGE doch \"nur\" um Geld und individuelle monetäre Souveränität, um das menschliche Leben innerhalb einer monetären Weltwirtschaft zu vereinfachen. Alle anderen politischen Themen müssen auf die entsprechende sachliche politische Ebene.

6. Vorschlag: von BGE \"1000\" sollen individuell finanziert werden: der Grundbedarf an Lebens-und Haushaltsmittel, Wohnung, Kleidung, Medizinische Versorgung (Krankenkasse), Information (auch genannt Bildung und Wissen, oder TV, Radio, Internet, Telefon ).

7. Da die meisten Menschen mehr wollen, als nur irgendwie zu existieren, werden sie auch weiterhin fleißig arbeiten. Das politische System wird von BGE noch nicht erschüttert, es wird nur erträglicher gemacht und rationalisiert. Aber wenigstens das.

Viktor Panic schrieb am 21.06.2008, 10:07 Uhr

Falls Sie den Kommentar von human 6008790802 nicht durchgelesen haben, weil er Ihnen zu utopisch erschien, geht es Ihnen wie mir.

Ich habe es nochmal versucht, und möchte hiermit seine Punkte 5 und 7 unterstützen.

Okay, also was die Höhe des BGE betrifft: Wir müssen von der heutigen Kaufkraft unserer Währung ausgehen, human... tut dies im Folgenden ja auch! Und 1000 Euro monatlich entspräche nun mal ca 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts! Obgleich darin die Gesundheitsversorgung enthalten wäre, würde die Gesamt-Steuerbelastung wohl die 50-Prozent-Marke deutlich überschreiten, das ist mit Sicherheit nicht politisch durchsetzbar.

Insbesondere ist ein Grundeinkommen, welches höher als das heutige Alg-II wäre, nur schwer zu begründen! Ich weise ständig darauf hin, dass das BGE den meisten heutigen Alg-II-Empfängern den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben ermöglichen würde, was offensichtlich vielen nicht klar ist. Wenn dann jemand trotzdem nicht arbeiten will, warum sollte er/sie dann mehr Geld als heute erhalten? Übrigens glaube ich, dass JEDER Mensch in der Lage ist, sich etwas hinzuzuverdienen, selbst körperlich oder geistig Behinderte. Die Hauptsache ist, er hat genug Geld für ein menschenwürdiges Leben, und die Freiheit, sich für oder gegen Arbeit zu entscheiden.

Letztere hat er heute nicht wirklich, weil er auf dem Arbeitsmarkt gegenüber zahlreichen Mitbürgern und Saisonkräften benachteiligt ist, was die marktwirtschaftlichen Löhne für ihn inakzeptabel macht.

human 6008790802 schrieb am 24.06.2008, 10:50 Uhr

zu Kommentar Victor: 1. Wenn das BGE eine res publica ( Sache des Volkes, also einer grossen Mehrheit ) werden soll, wird die Vorstellung eines Herumdümpeln auf ALG 2 -Niveau nicht viele interessieren. ALG 2 oder Sozialhilfe bekommen Sie sowieso, wenn auch mit viel bürokratischem Aufwand und erst, wenn Sie schon alle Besitztümer verkauft haben und alle Verwandten 1. Grades finanziell belästigt haben.

2. \"Steuern\" sind sowieso nur ein grosser Verschiebebahnhof.

3. Es gibt ALG 2 -Empfänger, die versorgen kleine Kinder und andere Verwandtschaft. Die haben genug Arbeit und wollen gar nicht in die Kampf-Arena Arbeitsmarkt einsteigen, weil sie überlastet werden.

4. Wenn das BGE eine Mehrheit finden soll, darf es nicht nur ein \"Arme-Leute-Problem\" bleiben. Es steht ja eine neue Philosophie dahinter, die sich auf die gesamte Menschheit bezieht. Und warum soll man den Menschen immer runterrechnen auf Existenzminimum ? ( Sparsame Askese ist bestimmt lobenswert, aber nicht jedermanns Sache. )

5. Dass man \"Total-Faule\"(???) mitunterstützt, wird man einfach akzeptieren müssen. Mit der gleichen Toleranz, mit der wir Milliardäre mitfinanzieren. Aber ich vermute, eine egoistische Total-Faulheit ist den meisten Menschen einfach zu langweilig und die Natur zwingt UNS sowieso alltäglich zum Arbeiten und zum Zusammenarbeiten.

Viktor Panic schrieb am 27.06.2008, 18:08 Uhr

Zitat:

\"Wenn das BGE eine res publica ( Sache des Volkes, also einer grossen Mehrheit ) werden soll, wird die Vorstellung eines Herumdümpeln auf ALG 2 -Niveau nicht viele interessieren.\"

Das soll ja auch nicht so sein!

HEUTE ist es so, dass viele Menschen auf Alg-II-Niveau \"herumdümpeln\", weil selbst diejenigen Jobs, die in Reichweite sind, kaum mehr an Lohn zu bieten haben! Das BGE würde dies ja gerade ändern! Es würde den \"Wettbewerbs-Nachteil\" korrigieren, den sie gegenüber Schülern, Studenten, Rentnern, Zweitverdienern, Nebenverdienern und Saisonkräften haben, welche allesamt weit mehr von dem Verdienten selber behalten dürfen! Alg-II-Empfänger müssen (abgesehen von 105 Euro Freibetrag) 80% des Lohns ans Amt abführen! Da ist es doch kein Wunder, wenn man den Spaß an der Arbeit verliert! DAS sollten wir den Menschen unter die Nase reiben! Die meisten Normalbürger wissen das gar nicht!

Und: JEDES BGE-MODELL bringt auch finanzielle Verbesserungen bis weit in die Mittelschicht hinein. Wenn das nicht rüber kommt, machen wir wohl etwas falsch.

Aber ich glaube, das größte Vermittlungs-Problem haben wir wegen der leidigen Finanzierungs-Frage. Man kann diese Sache auf einen einfachen Punkt bringen: Das BGE muss SO gestaltet werden, dass es nicht zum Rückgang der Produktion führt, da sonst die Finanzierungs-Grundlage wegbricht, was entweder zu weiteren Steuererhöhungen und somit zu einem Teufelskreis führt, oder zur Senkung des BGE-Niveaus, sofern dieses nämlich ans Durchschnittseinkommen geknüpft ist. Darum ist es nützlich zu wissen, dass ein Modell existiert, welches völlig ohne Steuererhöhung eingeführt werden könnte! Das Modell von Hans-Werner Sinn, Präsident des \"Instituts für Wirtschaftsforschung\" IWF, welches ganz allein auf dem Rücken der Bedürftigen finanziert würde, daher absolut asozial! Aber es ist wichtig, diese unsinnige Behauptung zu bekämpfen, das BGE sei nicht finanzierbar!

Irgendwo zwischen den beiden Extremen, dem Sinn-Modell und dem der Linkspartei, existiert er, der goldene Mittelweg! Das besagt schon der Mittelwertsatz der Mathematik.

Reinhard Börger schrieb am 30.06.2008, 09:49 Uhr

Ich rede nicht gern über Zahlen; wenn ich in Diskussionen mit Gegnern des Grundeinkommens ein bGE von 1000 Euro im Monat vorschlüge, würde wahrscheinlich nur noch über diese Zahl diskutiert, nicht mehr über das Grundeinkommen an sich. Da auch das Vermögen beim bGE nicht berücksichtigt wird, lohnt sich auch das Sparen eher. Heute muss jemand, der von seinem kargen Einkommen einen größeren Betrag für schlechtere Zeiten gespart hat, diesen zunächst verbrauchen; wer ein größeres Einkommen gleich verjubelt hat, bekommt sofort AlgII. Den größten Vorteil des Grundeinkommens sehe ich in der Abschaffung des Zwanges zu Beschäftigung und Wirtschaftswachstum; dieser treibt so merkwürdige Blüten, dass in Brandenburg eine Fabrik für Porno-Videos und eine Fabrik zur Plastination toter menschlicher Körper aus Arbeitsplatzgründen begrüßt werden.

Hans-Jürgen Reckers schrieb am 06.11.2010, 19:23 Uhr

zu bedingungslosem Grundeinkommen:

Meine subjektive Betrachtungsweise zu diesem Thema sieht folgendermaßen und einfach aus, dies bedarf keiner akademischen Betrachtungsweise.

1. Das Volk bildet einen Staat und wählt eine Regierung.

Die Regierenden werden schließlich auch mit Steuergeldern finanziert (sicheres Einkommen bei mtl. 12.500 Euro, Miminum für 4 Jahre)

gerechnet 12.500x13=159.250 Eurox4=637.000 Euro.

Ein normaler Arbeitnehmer verdient, wenn er heute gut bezahlt wird, ca. 1.600,00 Euro netto x12=19.200,00 Euro. Großzügig berechnet

2.000 Euro x12=24.000 Euro.

Was auffällt, dass die Wirtschaft unsere Politik bestimmt, weniger Menschen ausgebildet werden, um dann Fachkräfte aus anderen Ländern ordern. Bei ca. 3 Mill. Arbeitslosen eine Maulschelle für unsere Arbeitnehmer, somit eine Bankrotterklärung für unsere Beschäftigungspolitiker und unser modernes Neo-Unternehmertum.

Hier in der Beschäftigungspolitik liegt aber der Hase im Pfeffer, denn eine Volksvertretung ist dafür gewählt, die Interessen in erster Linie des Volkes zu vertreten und nicht nur die Wirtschaftsinteressen gemäß dem Unwort \" Wachstum \". Die Wirtschaft soll für die Menschen da sein und nicht umgekehrt.

Hier hat sich eine Gesellschaft herausgebildet, die es versteht, diejenigen, die sich am wenigsten wehren können, absolut unter menschenunwürdigen Bedingungen und bei menschenverachtender Entlohnung zu beschäftigen, und dies hat Tendenz; das amerikanische System lässt grüßen. Dies kann nur über den Schwächsten am Arbeitsplatz geschehen. Die Börsen krachen und es gibt in vielen Bereichen nicht einmal Tarif- bzw. gesetzliche Mindestlöhne. Man beachte dabei global die Privatisierungen in allen Bereichen, das heißt, die Privatwirtschaft hat hier das Sagen, nicht aber die Volksvertreter, also die Regierenden. Aber Achtung, insbesondere liebe Volksvertreter, Sie verkaufen die eigenen Wähler an die Wirtschaft, die keine Löhne mehr bezahlen will; dies führt zwangsläufig zu persönlicher Enteignung und zu Leibeigenschaft.

Insbesondere an die Gelehrten und Politiker:

Das Wort \"privat\" oder\" Privatisierung \" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet:

privare= \"berauben\".

Mein persönlicher Vorschlag wäre:

1.000,00 Euro netto für jeden Bürger bis zum Lebensende zu bezahlen. Jetzt könnten Arbeitgeber davon profitieren, denn 1.000,00 Euro vom Staat für den Bürger und Zuverdienstmöglichkeiten bei einem Stundenlohn von ca. 6,00 Euro ließen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer absolut größere Spielräume beiderseits zu. Allerdings muss die Regierung, egal welcher Couleur, dafür sorgen, dass die Mieten bezahlbar bleiben und nicht ins Unermessliche steigen. Bereits heute lässt sich eine Tendenz erkennen, dass viele Familien aufgrund der miserablen Beschäftigungspolitik und Zahlungsmoral unserer Wirtschaft die Mieten nicht mehr bezahlen können. Hier haben Politik und insbesondere die Wirtschaft versagt.

Ohne Bürger und Arbeitnehmer keine Politiker, keine Unternehmer. Der Unternehmer soll Löhne und Gehälter bezahlen und die Beschäftigten an den Gewinnen beteiligen, denn er verdient an ihnen und darf sie nicht nur als Unkostenfaktor sehen. Wie blind sind die Unternehmer, dass sie das nicht merken wollen. Dies sind Zustände wie im Mittelalter.

Das Grundgesetz wird von allen Seiten zum größten Teil missachtet, denn zur Würde eines Menschen zählt auch eine ordentliche Entlohnung für seine Arbeit.

Franklin A. Oberlaender schrieb am 23.05.2021, 12:36 Uhr

Nach Angaben des Arbeitskreises Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder und dem Statistischen Bundesamt 2019 ist das Arbeitsvolumen zwischen 2008-2019 in der BR Deutschland um 6,1 %, die Anzahl der Beschäftigten um 14,8 % und die Gesamtbevölkerung jedoch nur um 2,6 % gestiegen. Daraus ist zu erkennen, dass zwar das Arbeitsvolumen pro Beschäftigten gesunken ist, anderseits aber das Gesamtvolumen pro Kopf der Gesamtbevölkerung gestiegen ist. Es stellt sich daher die Frage, ob die Grundprämisse von Prof. Oevermann, dass das Arbeitsvolumen aufgrund der höheren Arbeitsproduktivität sinkt, überhaupt für die letzte Dekade zutreffend war. Wenn sie aber nicht zutreffend sein sollte, so wären auch die daraus resultierenden Ableitungen nicht zutreffend.

Unabhängig davon empfindet eine, mir zahlenmäßig nicht bekannte, größere Anzahl von Menschen die herrschende Einkommens- und Vermögensverteilung als ungerecht. Fraglich ist jedoch, ob eine von der Wertschöpfung des Einzelnen als Beitrag zur Wirtschaftskraft der Gesellschaft, unabhängiges Transfereinkommen dem Wunsch der Menschen nach einer gerechten Gesellschaft entgegen kommen würde. Denkbar wäre auch, dass dies zu einer schroffen Zuspitzung von Vorstellungen einer sozialen Gerechtigkeit auf der Grundlage der Würde des Menschen und einer Vorstellung von Leistungsgerechtigkeit gespeist auf der Grundlage protestantischer Arbeitsethik kommen würde.

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