Für wessen Freiheit steht die FDP?

Archiv 06.06.2008 Druckversion

Die FDP hat in München deutlich gemacht, dass mit ihr ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht zu machen ist. Ihr Bürgergeld gibt es nur für die „wirklich Bedürftigen“ (die berühmten „truly needy“ des Bill Clinton). All jene, die von Bürokraten als arbeitsfähig eingestuft werden, haben ihre „Leistungsbereitschaft“ unter Beweis zu stellen. Konkret wird das bedeuten, dass die heutigen Hartz-IVer zur Annahme jeder erdenklichen Arbeit, und sei diese auch noch so idiotisch, unproduktiv und sinnleer, gezwungen werden. Sonst haben sie eine Kürzung ihres Existenzminimums hinzunehmen. Nur wer zur Leistung bereit ist, nur wer sich sein Bürgergeld durch eine Gegenleistung verdient, soll es auch bekommen. Ein Lohnextremismus, in dem auch die Lohnersatzleistungen zum Lohn werden, zum Lohn für Unterwerfung und Wohlverhalten.

Um wessen Freiheit geht es dieser FDP? Es geht ihr um die Freiheit der ökonomisch Stärkeren, unbürokratisch über die ökonomisch Schwächeren verfügen zu können. Letztere haben sich mit ihrer Unfreiheit abzufinden, haben sich zur Verfügung zu halten, dürfen sich für nichts zu schade sein. Noch willkommener sind sie, wenn sie sich mit vorauseilendem Gehorsam als mitdenkende Dienstkräfte anpreisen.

Nun könnten Optimisten einwenden, dass die Programmbeschlüsse im Fall einer Regierungsbeteiligung im allgemeinen schnell unwichtig werden. Auf die einflussreichen Personen käme es dann an. Um so schlimmer. Westerwelle lässt nicht den geringsten Zweifel daran, dass von ihm kein menschenwürdiger Umgang mit jenen Erwerblosen zu erwarten ist, die nicht spuren. Mit professioneller Politiker-Hysterie hetzt er gegen „die Findigen“, die es sich im Sozialstaat einrichten und „sich einen faulen Lenz machen“. Von diesem autoritären Scharfmacher und seinen Gefolgsleuten sind keine Impulse für eine freiere Gesellschaft, für die Ermöglichung einer größeren Vielfalt von Lebensentwürfen, zu erwarten.

3 Kommentare

Volker Stöckel schrieb am 07.06.2008, 11:53 Uhr

Sind sich die Damen und Herren, die das beschlossen haben, eigentlich darüber im Klaren, wie nahe sie daran sind, dass ihre demokratische Freiheit beendet wird? Und das meine ich nicht nur in bezug auf die FDP oder die 5%-Hürde.

Gerade erst kam der Deutschlandtrend in der ARD. Während der letzten neun Landtagswahlen gab es überall eine Rekordnegativwahlbeteiligung. Und demgemäß ergab diese Umfrage, dass nur noch 48% aller Deutschen damit zufrieden sind, wie die Demokratie in Deutschland funktioniert. Wäre die Frage (wie schon deutlicher bei anderen solchen Umfragen) drastischer gestellt worden, käme vielleicht noch schlimmeres heraus. Auf dem Katholikentag in Osnabrück fragte ein älterer Bürger (der sicher nicht als Revolutionär verdächtig ist) bei einer Grundeinkommensdiskussion, ob nicht die Wahrscheinlichkeit einer „heissen“ Revolution näher gerückt sei. Wenn es so weitergeht, besteht durchaus eine Wahrscheinlichkeit größer Null, dass es zu einer solchen Revolution kommt. Wollen sollte dies indes niemand. Und mindestens deshalb ist der Weg der Graswurzelrevolution der Grundeinkommensbewegung der bessere.

Katja Kipping spricht zu recht von einer Demokratiepauschale. Natürlich hat mit einem ordentlichen BGE jeder die Möglichkeit, sich demokratisch zu betätigen. Darüber hinaus ist tatsächlich auch der Kauf, also das Ausgeben von Geld, ein demokratischer Prozess. Wenn am Samstag abend 10 Millionen Haushalte „Wetten dass...?“ schauen, dann haben sich genau diese gegen alle anderen Optionen einschließlich Party, Theater usw. entschieden – sie haben gewählt. Und nicht nur das. Sie haben zugleich Geld dafür bezahlt (anteilige Rundfunkgebühren), also eigene Leistung dafür erbracht; das ist viel mehr Eigenbeteiligung als bei den offiziellen politischen Wahlen. Es gibt niemanden, der besser weiß, wie man Geld nutzenmaximierend einsetzen muss, wie das Individuum selbst; die Anmaßung des Staates ist der Generalfehler (Zur Beruhigung: 30 Millionen Haushalte haben gegen die Sendung votiert).

Das demokratische System beweist hinreichend, das es systeminherent nicht mehr in der Lage ist, die sozialen Probleme des Landes zu lösen. Den Politikern deshalb den größten Teil ihrer Macht in Geld zu nehmen und es, in Form eines BGE, direkt den Bürgern zu geben, würde nicht nur das Land erheblich demokratisieren, es würde auch die Demokratie als solche stärken und erhalten. Wenn es die parteilichen Machthaber nicht einsehen wollen, dürfen sie sich auch nicht über die Quittung beschweren.

Viktor Panic schrieb am 16.06.2008, 10:29 Uhr

Zwangsarbeiter! So kritisierte der Präsident des Bauernverbandes die zum Ernteeinsatz \"vermittelten\" Alg-zwei-Empfänger, und beklagte sich, dass sie mehr Schaden als Nutzen anrichteten. Und dabei handelt es sich um einen ausgesprochen konservativen Verband!

Außerdem sollte man den Menschen die Gesetze des Marktes vor Augen führen: Wenn die Finanzierung des Existenzminimums an (Zwangs-)Arbeit gekoppelt ist, führt dies dazu, dass auch der Lohn für freiwillige, einfache Arbeit auf das selbe Niveau absinkt. Die gesunkenen Löhne der vergangenen Jahre sind eine direkte Folge der verschärften Zumutbarkeitskriterien!

[Übrigens bin ich ein glühender Anhänger der Marktwirtschaft, nur die heutigen gesetzlichen Rahmenbedingungen haben Schuld!]

Michael Klockmann schrieb am 30.07.2008, 17:45 Uhr

Bei aller Liebe zur heißen Revolutionen (aber nur Rolle v o r w ä r t s, bitte) und auch wenn einem bei Unflätigkeiten wie denen von Westerwelle die Galle hochkommt: Bitte doch nicht das Kind (der Demokratie) mit dem Bade (der Profitratenreparatur auf unsere Kosten) ausschütten!

Die parlamentarische Demokratie hat in den 1970er Jahren mit der Aufnahme der Grünen in ihre Sitzungssääle den klaren Beweis erbracht, dass sie auf veränderte gesellschaftliche Verhältnisse, neue Paradigmen, Herausforderungen und Klasseninteressen sehr wohl produktiv und integrativ reagieren kann.

Nun erweisen sich die Grünen ja zunehmend als Erben der FDP, was ihre waldursprüngliche Natur als moderne bürgerliche Partei sehr schön belegt. Aber leider mein schönes Argument etwas schwächt, weil, dass ein bürgerliches Parlament eine junge bürgerliche Partei, wenn auch mit üblichen Zetern der Alten, dann doch reinlässt, heißt ja noch lange nicht, das sie auch eine richtige Opposition reinlässt. Eine die mal wieder richtige hübsche Meinungsverschiedenheiten aufbringt, meine ich, nicht die PDS...

Die Nagelprobe darauf, ob wir in einer Demokratie leben, haben wir insofern noch vor uns. Und als Protagonisten einer fundierten emanzipativen Idee wie dem bedingungslosen Grundeinkommen sollten wir offen und freundlich auf das derzeitige Establishment zugehen. Warum ihnen dumm kommen, wenn sie es nicht tun? Und eher populistische Parolen, von wegen irgend einem Menschen etwas rauben sind fehl am Platze, es geht beim Grundeinkommen schließlich nicht um einmal ein paar Krümel, sondern um die halbe Bäckerei, jeden Monat wieder! Also: Ball flach halten, Volker...

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