Grundrechtskongress in Berlin – leider ohne BGE

Archiv 06.06.2008 Druckversion

Am 23. und 24. Mai 2008 fand in der Humboldt-Universität zu Berlin ein Kongress zu den Bürgerlichen Grundrechten statt. Titel: „Sicherheitsstaat am Ende. Kongress zur Zukunft der Bürgerrechte“. Hauptschwerpunkt, wie unschwer am Titel zu erkennen, waren die liberalen Grundrechte, die in Zeiten des „Krieges gegen den Terror“ bedroht scheinen. Im Rahmen dieser Ausrichtung fand auch ein gut besuchter Workshop zu den sozialen Grundrechten statt. Mit der Frontstellung: „Ökonomische Macht vs. Grundrechte“ wurde nach Beiträgen von Detlef Hensche (Rechtsanwalt) und Udo Geiger (Richter am Sozialgericht, Berlin) eine Diskussion von Dieter Hummel (Rechtsanwalt) geleitet, die soziale Grundrechte zweifach thematisierte: erstens die Verletzung von Grundrechten bei SozialleistungsbezieherInnen und zweitens die Grundrechte von Erwerbstätigen, allen voran die Koalitionsfreiheit. Leider blieb es hauptsächlich bei der Formulierung düsterer Diagnosen und Prognosen in beiden Fällen, da Hartz IV den Grundrechtsschutz leistungsbeziehender Personen einschränkt und der europäische Sozialgerichtshof das Streikrecht in seinen Entscheidungen sehr eng auslegt.

Die Möglichkeit des Grundrechtsschutzes bei einem Übergang von dem heutigen Leistungssystem zu einem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) und die grundlegende Veränderung der Verhandlungsposition von Arbeitnehmern durch ein BGE wurden leider auch auf Nachfrage kaum bzw. gar nicht erkannt, diskutiert und wertgeschätzt. Dass die BGE-Forderung zum ersten Mal Ernst macht mit den sozialen Grundrechten und diese zu einem grundlegenden Bestandteil des Bürgerstatus machen würde, blieb im Dunkeln. Stattdessen wurden sie bloß als Anhängsel der politischen und liberalen Grundrechte betrachtet, so wie es auch in der Resolution dieses Kongresses erkennbar wird.

Die liberalen Abwehrrechte gegen den Staat waren vielmals Thema auf dem Kongress und dem genannten Workshop, die Forderungen nach einem Abwehrrecht gegen ökonomische Macht, also die Forderungen nach einem BGE, blieben auf diesem Kongress ungehört. Festzustellen bleibt daher: Die BGE-Bewegung muss noch viel Arbeit leisten im Bereich der grundrechtlich ausgerichteten NGOs und Initiativen. Warum etwa werden im jährlich erscheinenden Grundrechtsreport die sozialen Rechte kaum thematisiert? Warum treten Organisationen, die z.B. diesen Report veröffentlichen und den besagten Kongress organisierten, an keiner Stelle in der BGE-Diskussion auf – etwa die Gustav-Heinemann-Initiative, die Humanistische Union, die Internationale Liga für Menschenrechte, das Komitee für Grundrechte und Demokratie, die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen u.a. Diese einzubinden und den grundrechtlichen Charakter der BGE-Forderung zu unterstreichen, sollte Aufgabe unseres Netzwerkes sein. Nicht umsonst bezieht sich die Reihung „Freiheit – Gleichheit – Grundeinkommen“ auf das historische Hauptereignis mit dem die Bürgerrechte verbunden sind.

Ein Kommentar

Tobias Teetz schrieb am 11.06.2008, 18:05 Uhr

Grundrechte können - wenn diese in Gesetzestexten verankert sind - nicht willkürlich aufgehoben werden. Durch Arbeitslosigkeit, Ausgrenzung und Armut wurden jedoch Bürgerrechte verletzt.

Ein guter Richter muß sich in den Bereichen Theologie, Philosophie, Verhaltensforschung, Technik, Naturwissenschaften halbwegs auskennen.

Ferner sollte sie neuere Kenntnisse über wichtige Statistiken des Stat. Bundesamtes haben.

Ich bedaure, dass sich die Juristen gegen ein BGE ausgesprochen haben.

Auf meiner Homepage habe ich versucht, zur Experimentierklausel nach SGB2 (Button: Grundeinkommensunternehmer) nötige Änderungen zu formulieren. Wer mich kritisieren will und bessere weiß, kann sich gerne einschalten.

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Teetz

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