Buchbesprechung: „Digitalisierung? Grundeinkommen!“

    Sepp Kusstatscher 07.04.2019 Druckversion

    Beim Mandelbaum-Verlag erschien jüngst der Sammelband „Digitalisierung? Grundeinkommen!“, den Werner Rätz, Dagmar Paternoga, Jörg Reiners und Gernot Reipen herausgegeben haben. Das Buch basiert auf dem Frankfurter Manifest, das mir die Forderung nach einem emanzipatorischen Grundeinkommen im Zeitalter der Digitalisierung so komprimiert und fundiert erklärt wie kein Dokument zuvor.

    Die Autoren stellen die Würde des Menschen ins Zentrum ihrer Überlegungen, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948) festgeschrieben wurde. Damit heben sie sich mit ihrer Forderung nach einem Grundeinkommen sehr klar und wohltuend ab von den Vorstellungen einiger Silicon-Valley-Unternehmer und IT-Manager, für die der Mensch nur ein Produktionsfaktor, Konsument und User zu sein scheint. Wie ein roter Faden zieht sich durch das Buch das Prinzip, dass die bedingungslose Absicherung der Existenz und die gesellschaftliche Teilhabe eines jeden Menschen ein Grundrecht, ja ein Menschenrecht ist.

    Die Digitalisierung wird in diesem Buch nicht verteufelt, sie wird sogar begrüßt, insofern sie das Leben der Menschen erleichtert und selbstbestimmter macht. Sie müsse daher als Projekt der „Ökonomie des Gemeinsamen angegangen werden, also optimistisch, offensiv und emanzipativ“ (S. 172). Es wird unzweideutig vor der Kommerzialisierung der digitalen Güter gewarnt, die die wenigen ganz Reichen noch reicher macht und der Verarmung breiter Massen nichts entgegensetzt. Die neoliberale Ausrichtung der Digitalisierung, die prekäre Arbeitsformen befördert, alles beschleunigt und ein neuer Stressfaktor ist, die dem Menschen zudem jede Privatsphäre raubt und lediglich die Gewinnmaximierung beschleunigt – diese Entwicklung der Digitalisierung wird kritisch analysiert und strikt abgelehnt.

    Das Buch basiert wohltuend auf ethischen und humanistischen Prinzipien. Es ist ein Kampfruf für mehr „Freiheit und Solidarität, für Selbstbestimmung und bedingungslose Absicherung der grundlegenden Bedürfnisse aller Menschen“. Im Buch wird detailliert davor gewarnt, das Grundeinkommen nur auf eine Geldzahlung zu reduzieren. Es muss die Bürgerinnen und Bürger des Staates emanzipieren, so dass die Politik – und nicht das Großkapital – das Sagen hat. So würde das Grundeinkommen zu einer dringend notwendigen Säule einer Gemeinwohlökonomie, die die destruktiven Kräfte des kapitalistischen Marktes in die Schranken weist.

    Es wird auch einleuchtend aufgezeigt, dass das Grundeinkommen eine ökosoziale Dimension haben muss. Die Fixierung auf die Erwerbstätigkeit möglichst vieler bewirkt, dass immer mehr produziert und konsumiert werden muss, wodurch die Ressourcen der Mutter Erde immer schneller verschleudert werden. Das ökosozial ausgerichtete und emanzipatorische Grundeinkommen würde dagegen entschleunigen und nicht zum Kollaps führen, zu dem die digital-kapitalistische Variante zweifellos führt.

    Zum Autor: Sepp Kusstatscher war Mitglied des Europäischen Parlaments, lebt in Villanders/Südtirol, war Vorsitzender der Südtiroler Grünen und ist seit Jahren in der europäischen und italienischen Grundeinkommensbewegung aktiv.

    Inhalt des Sammelbands

    Frankfurter Manifest

    Digitalisierung? Grundeinkommen! Möglichkeiten einer emanzipatorischen Gestaltung

    Ronald Blaschke

    Grundeinkommen – Was ist das eigentlich? Und was ist ein emanzipatorisches Grundeinkommenskonzept?

    Julia Schramm

    Zum Klicken nah. Zu den Chancen der Digitalisierung in Zeiten des Neoliberalismus und warum ein BGE nicht automatisch die Lösung ist

    Wolfgang Strengmann-Kuhn

    Arbeit 4.0 und Grundeinkommen

    Philipp Frey/Sebastian Sevignani

    Digitale Produktivkraftentwicklung und bedingungsloses  Grundeinkommen

    Timo Daum/Lisa Spelge

    Risikokapital für alle. Das Silicon Valley und das BGE – Stimmen aus dem Silicon Valley

    Jörg Reiners

    Das Frankfurter Manifest – Rückgewinnung des Utopischen für die Linke

    Steffen Lange/Tilmann Santarius

    Digitalisierung und sozial-ökologische Transformation

    Sylvia Honsberg

    Vom Recht auf Arbeit zum Recht auf Existenz. Aspekte zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) aus Sicht der Frauen in der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU)

    Margit Appel

    Digitalisierung! Grundeinkommen! Geschlechterverhältnis?

    Heinz-Jürgen Hörster

    Chancen und Risiken für einen humanistischen Bildungsansatz

    Dagmar Paternoga

    Digitalisierung und Gesundheit

    Katja Dörner, Katja Kipping, Simone Lange

    Wer bestimmt? Gibt es eine politische Kontrolle der Digitalisierung?

    Werner Rätz

    Digitalisierung? Grundeinkommen! Eine Notwendigkeit, die erklärt werden muss.

    Ein Kommentar

    Ulrich Kapp schrieb am 07.04.2019, 17:16 Uhr

    Das Buch sollte Pflichtlektüre für alle gegenwärtigen und künftigen Politiker werden, sowohl im Bundestag, wie auch in den Landtagen!

    Einen Kommentar schreiben

    Erforderliche Felder sind mit * markiert.
    Bitte beachten Sie die Regeln für die Veröffentlichung von Kommentaren.