TU Chemnitz-Studie – zynischer Angriff auf Menschenwürde

Archiv 07.09.2008 Druckversion

132 Euro-Berechnung der Mindestsicherung setzt falsche Signale

Köln/Berlin, 7.9.2008 Das Netzwerk Grundeinkommen weist die Errechnung einer „Mindestsicherung“ von 132 Euro (ohne Miete und Energiekosten) in der aktuellen Studie der Wirtschaftsforscher Friedrich Thießen und Christian Fischer scharf zurück. Obgleich die Wissenschaftler der TU Chemnitz nach den wütenden Reaktionen von Betroffenen und den Einwänden fachlich informierter Kreise betonen, dass sie aus den Berechnungen „keine Konsequenzen abgeleitet“ hätten, kann Wissenschaft nicht so tun, als ob sie in einem „neutralen Raum“ stattfindet.

Wer ernsthaft behauptet, dass 2 Euro für „Kommunikation“, 1 Euro(!) für „Freizeit, Unterhaltung und Kultur“ und 68 Euro für Lebensmittel realistische Summen für die soziale Existenzsicherung und ein kulturelles Existenzminimum darstellen, darf sich nicht als Opfer „einseitiger und spektakulärer Pressemeldungen“ hinstellen. Die Wissenschaftler können für sich nicht in Anspruch nehmen, „einen Beitrag zur Verbesserung der Situation vieler Menschen zu leisten.“ Werden sie ernst genommen, tragen ihre Rechenspiele lediglich dazu bei, Not und Elend der Erwerbslosen weiter zu verschärfen.

Das von den Wissenschaftlern beredt zitierte „Bedürfnis nach Arbeit und Anerkennung“ kann nicht durch immer mehr Druck auf die Erwerbslosen und faktischen Arbeitszwang befriedigt werden. In Opposition zu dieser Logik des Sozialabbaus fordert das Netzwerk Grundeinkommen genau das Gegenteil: den individuellen Rechtsanspruch auf ein Einkommen für alle, das tatsächlich eine menschenwürdige Existenz sichert und die aktive Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht – ohne Bedürftigkeitsprüfung, Zwang zur Arbeit oder zu anderen Gegenleistungen.

Nicht nur Erwerbslose, auch Erwerbstätige sollen dieses Grundeinkommen erhalten. Damit gäbe es keine arbeitenden Armen mehr. Mit der Basis eines ausreichend hohen Grundeinkommens könnten Beschäftigte im Betrieb bessere Arbeitsbedingungen aushandeln. Auch Lebens- und Berufschancen für Jugendliche, Alleinerziehende, Freiberufler und Ältere wären größer. Im Gegensatz dazu dient die Ermittlung eines absoluten Existenzminimums als Forschungsziel – ob freiwillig oder unfreiwillig – einer zynischen Politik, die den Druck auf sozial Schwache zugunsten der Vermögenden und der Unternehmen weiter erhöht. Eine solche Politik hat mit Hartz IV bereits begonnen – wer sie fortsetzt, fördert Armut und Verelendung und gefährdet den sozialen Frieden nachhaltig.

Kontakt:

Christoph Schlee, Pressesprecher des Netzwerk Grundeinkommen,
mail: schlee@grundeinkommen.de, tel. 0221 955657-16

Für fachliche Rückfragen:

Robert Ulmer, Sprecher Netzwerk Grundeinkommen,
mail: robert.ulmer@gmx.de tel. 030 455 87 33

Ronald Blaschke, Netzwerk Grundeinkommen,
mail: rblaschke@aol.com, tel. 0177 8941473

2 Kommentare

Gisela Brunken schrieb am 08.09.2008, 14:40 Uhr

Die Chemnitzer \"Studie\" hat viele entsetzt. Eine Idee: Diese Pressemitteilung vom Netzwerk per Handzettel während der Woche des Grundeinkommens verteilen.

Masthias schrieb am 08.09.2008, 21:44 Uhr

Super analysiert und treffend geschrieben. Die Wissenschaft befindet sich nicht im neutralen Raum! und die Sozialwissenschaft schon gar nicht. Moral und Ethik sollte bei derartigen Studien intensiver bedacht werden. Was sollen diese Studien bei Menschen auslösen? Da fällt mir nur eins ein, den Hartz IV Empfängern geht es noch zu gut.

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