(K)ein Abschied von André Gorz

Redaktion 07.10.2007 Druckversion


2. deutschsprachiger Grundeinkommens-Kongress in Basel eröffnet.

Auf den Eröffnungspodien kommt harsche Kritik an neoliberalen Ansätzen für ein Grundeinkommen. In seinem 1997 erschienenen Werk „Misere und Utopie“ hat sich André Gorz erstmals eindeutig für ein existenzsicherndes bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen, dies betonte der renommierte Schweizer Soziologe Ueli Mäder (Universität Basel) bei der Eröffnung des 2. deutschsprachigen Grundeinkommens-Kongress Freitagabend in Basel. Damit habe sich der anerkannte Sozialtheoretiker für eine radikale Entkoppelung von Arbeit und Einkommen ausgesprochen. Mit einem solchen bedingungslosen Grundeinkommen habe Gorz die Vorstellung verbunden, den „sozial Benachteiligten den Rücken zu stärken“.

An der Stelle des „Die Schwächeren treten die noch Schwächeren“ könne eine neue Form der Solidarität entstehen. Mit seinen Ausführungen zu Gorz würdige Ueli Mäder dessen Vordenkerrolle in der Frage der Zukunft von Arbeit und sozialer Sicherheit und somit in Hinblick auf die derzeit im deutschsprachigen Raum breit
diskutierte Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen.
Beim anschliessenden Podium mit Länder-VertreterInnen wurde die soziale Situation in Oesterreich, der Schweiz und Deutschland analysiert und über den aktuellen Stand der Grundeinkommens-Debatte referiert.

Besondere Aufmerksamkeit erregten die Berechnungen von Christian Fuchs (Universität Salzburg, Netzwerk Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt Oesterreich), der beispielhaft aufgezeigt hat, dass das Modell
von Götz Werner, das auf einer reinen Mehrwertsteuerfinanzierung beruht, eine Umverteilung von „unten nach oben“ bewirken würde – berichten die VeranstalterInnen. Unter dem Titel „Bedingungsloses Grundeinkommen: Utopie oder realistische Forderung“ diskutierten die VeranstalterInnen sowohl untereinander als auch mit dem Publikum. Gemeinsamkeit herrschte am Podium
darüber, dass das Ziel, ein Grundeinkommen einzuführen, mehr sei als Armutsbekämpfung, und zwar die Ermöglichung gesellschaftlicher Teilhabe sowie die Realisierung von Freiheit und Sicherheit. Zwei Dinge sind notwendig und realistisch, so Erich Kitzmüller: Konkrete Schritte zur Armutslinderung zu unternehmen und die „Köpfe“ und die Emotionen der Menschen zu verändern, sodass ein Grundeinkommen Zustimmung finden kann. Während für die einen am Podium ein bedingungsloses Grundeinkommen ein Mittel ist, um Wirtschaft und Gesellschaft neu zu gestalten, ist es für andere ein Grundrecht und die Basis, um in Gemeinschaft frei zu kooperieren und tätig zu werden.

Angesichts neoliberaler Grundeinkommens-Konzepte, die eine Abschaffung des Sozialstaates bedeuten und keine Existenzsicherung ermöglichen würden, plädierte ein Teil der Diskutanten für eine längerfristige Strategie, bei der Zielvorstellungen über die Ausgestaltung eines Grundeinkommens geklärt werden, anstatt eine schnelle Umsetzung zu fordern oder gar Allianzen mit Neoliberalen einzugehen. Es wurde als wahrscheinlich angesehen, dass ein Grundeinkommen nach dem Modell Dieter Althaus (CDU Ministerpräsident Thüringen) schnell realisiert werden könnte. Dies sei aber keinesfalls wünschenswert.

Das Althaussche „Bürgergeld“ sei so niedrig, dass die Menschen wiederum gezwungen werden, jeden Job zu jeden zu Preis zu akzeptieren. Die VertreterInnen aus Oesterreich (GrundeinkommenATTAC) und der Schweiz (B.I.E.N. Schweiz) sahen es wiederum als realistisch an, in ihren Ländern baldige Gesetzesvorlagen für ein existenzsicherndes Grundeinkommen zu erarbeiten und eine breite Mobilisierung dafür zu erreichen.

„Um ein Grundeinkommen mittelfristig zu etablieren, benötige es einen Diskurs darüber, wie wir leben möchten“, betonte Ronald Blaschke vom deutschen Netzwerk Grundeinkommen „Die Frage des Grundeinkommens dürfe daher nicht PolitikerInnen überlassen werden“.

Werner Rätz von ATTAC-Deutschland sprach sich dafür aus, statt von der Verwaltung des Mangels zu sprechen, einen Diskurs der Fülle in Gang zu setzen und das Grundeinkommen als globale und allgemeine Forderung nach
Teilhabe zu etablieren. Es reiche nicht aus, nur bei uns Armut zu bekämpfen.

Der Präsident des Schweizer Grundeinkommens-Netzwerks, Albert Jörimann, erklärte, dass ein Grundeinkommen für die Entfaltung der Kreativität der Menschen äusserst förderlich sei.

Ulrike Sambor von GrundeinkommenATTAC (Oesterreich) hob hervor, dass es gelte „Unwissenheiten“ zu beseitigen. So müsse den Menschen erklärt werden, dass auch KleinverdienerInnen ein Grundeinkommen erhalten, somit auch ihre
Einkommenssituation verbessert werde. Klar zu machen sei auch, dass das Grundeinkommen den meisten – nicht nur den Armen – ein Mehr an Geld und allen eine Fülle an Zeit und Freiheit ermöglichen würde.

Für den Wirtschaftsphilosophen Erich Kitzmüller (Universität Klagenfurt; Netzwerk Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt, Oesterreich) wiederum erscheint es wichtig herauszuarbeiten, was unter einem Grundeinkommen nicht gewollt sei: eine „Abspeisung“ oder etwa ein Zurückdrängen der Frauen an den Herd. Demgegenüber sei positiv zu formulieren, was intendiert werde, wie etwa die Stärkung nicht-profitorientierten Engagements, wie es bereits jetzt in der Zivilgesellschaft existiert.

Der Soziologe Peter Streckeisen (ATTAC Schweiz) verlangte über die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen hinaus die Beteiligung an Kämpfen gegen Sozialabbau und eine grundsätzliche Kritik am Kapitalismus.
Der Samstag – er ist der zweite von drei Kongresstagen – steht ganz im Zeichen von workshops zu Themen wie Finanzierung des Grundeinkommens, Veränderungen der Sozialen Sicherungssysteme, der Arbeitsmärkte sowie zu Formen von Arbeit jenseits der Erwerbsarbeit. Am Abend werden noch Podien mit VertreterInnen von sozialen und Erwerbsloseninitiativen stattfinden sowie mit VertreterInnen aus Parteien und Gewerkschaften. Der Kongress „Existenzsichernd und bedingungslos. Das Grundeinkommen als Menschenrecht“ dauert noch bis
Sonntag, 13.00 Uhr und wird mit einem Referat des Wirtschaftsethikers Peter Ulrich und einem grossen
Sonntagspodium abgeschlossen.
Basel, 6.10.2007

Medienkontakte vor, während und nach dem Kongress sind möglich über

  • Avji Sirmoglu, Attac Schweiz, texte@grundeinkommen2007.org, Tel.: 0041 61 701 17 27
  • Albert Jörimann, BIEN – Sektion Schweiz, kontakt@bien-ch.ch, Tel. 0041 44 563 80 34
  • Werner Rätz, Attac Deutschland, mail werner.raetz@t-online.de, Tel.: 0049 163 24 23 541
  • Ronald Blaschke, Netzwerk Grundeinkommen Deutschland, Rblaschke@aol.com, Tel.: 0049 177 89 41 473
  • Günter Sölken, Netzwerk Grundeinkommen Deutschland, guenter.soelken@gmx.de, Tel.: 0049 177 62 79 604
  • Klaus Sambor, Attac Österreich, Inhaltsgruppe Grundeinkommen, klaus.sambor@aon.at, Tel.: 0043 664 94 33 742
  • Markus Blümel, Netzwerk Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt Österreich, B.I.E.N. Austria, markus.bluemel@ksoe.at, Tel.: 0043 1 310 51 59 70 (bis 4.10. und ab 8.10., Mobil: 0043 650 400 57 54 (vom 5.10. bis zum 7.10.), Netzwerk Grundeinkommen und sozialer Zusammenhalt – B.I.E.N. Austria, Schottenring 35/DG, A-1010 Wien, www.grundeinkommen.at

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