Die Einführung des Grundeinkommens durch die Hintertür

Richard Lawson 08.07.2008 Druckversion

Die Argumente für ein angemessenes und universelles Grundeinkommen (GE) sind überwältigend: es ist gut und gerecht, es reduziert die Unterschiede zwischen Arm und Reich, es baut Bürokratie ab, es erfährt Unterstützung aus dem gesamten politischen Spektrum, es ist finanziell machbar. Das Grundeinkommen beginnt, in die Gesetzgebung einzufließen: in Brasilien, Mexiko City, Alaska und Namibia.

Aber wir würden uns etwas vormachen, wenn wir glaubten, dass seine allgemeine Einführung unmittelbar bevorstünde. Das spanische Parlament hat nach einer Debatte mit überwältigender Mehrheit dagegen gestimmt, und im Kongress der Vereinigten Staaten hatte der Initiator eines Gesetzes zum Grundeinkommen große Schwirigkeiten, auch nur einen einzigen Unterstützer zu finden. Unter den Dokumenten der Dubliner Konferenz gibt es ein Green Paper (eine Europäische Beratungsvorlage), das von einer aufgeschlossenen Irischen Regierung eingebracht wurde. Es wägt vor allem die Auswirkungen des Grundeinkommens auf die wirtschafltiche Aktivität ab. So auch der sehr höfliche Taxifahrer, dem ich das GE auf dem Weg zur BIEN-Konferenz erklärte, und der erwiderte: „Warum sollte dann überhaupt noch jemand arbeiten?“

Die Wahrnehmung des Grundeinkommens als Wolkenkuckucksheim und Rezept für Drückbergerei bedeutet: Vor uns liegt ein langer steiniger Weg der Überzeugungsarbeit, dass das Grundeinkommen eine großartige Idee ist – Überzeugung zunächst der talkenden Klasse, dann der Politiker, und schließlich der Regierungen.

Und damit nicht genug: wir stehen am Beginn einer Wirtschafskrise, die ebenso global wie herausfordernd sein wird. Die Arbeitslosigkeit wird steigen, Stagflation (eine Kombination aus stagnierendem oder negativem Wirtschaftswachstum und Inflation) ist wahrscheinlich. Darüberhinaus werden (oder sollten) die Politiker und Ökonomen alle Hände voll damit zu tun haben, den Übergang von einer ölabhängigen Wirtschaft hin zu einer Wirtschaft zu bewältigen, die auf dem sicheren Fundament erneuerbarer Energien beruht. Unter diesen Umständen wird unser Anliegen als teures und riskantes Experiment der sozialen Gerechtigkeit wahrgenommen und auf noch taubere Ohren stoßen, als es das bereits unter normalen Umständen tut.

Aus diesem Grunde schlage ich vor, eine allmähliche Einführung des Grundeinkommens „durch die Hintertür“ ins Auge zu fassen und den Aspekt des Grundeinkommens als „lohnergänzende Komponente“ für konstruktive Tätigkeiten in Gesellschaft und Umwelt hervorzuheben – einer Komponente, die Sozialtransfers in Kombination mit Erwerbstätigkeit zugesteht, um den Empfängern den Weg aus der Falle der Arbeitslosigkeit zu ermöglichen.

Das funktioniert so: zunächst beruft die Regierung regionale Entscheidungsgremien ein, die beurteilen können, ob ein Produkt oder Prozess einer wirtschafltichen Einheit (das wären alle vom privaten Unternehmen bis zur lokalen Verwaltung) zuträglich für Gesellschaft und Umwelt ist. Mit „Prozess“ sind hier auch Dinge gemeint wie Energieeffizienz, Gesundheit und Sicherheit, sowie Firmenpolitiken in Fragen des soziale Engagements.

Hersteller von Waffen oder Spraydosen sind dabei chancenlos. Hier eine Liste derer, die Erfolg haben könnten:

  1. Energieeinsparung
  2. Technologien erneuerbarer Energie
  3. Herstellung ernegiesparender Produkte
  4. Technologie zur Kontrolle von Umweltverschmutzung
  5. Müllvermeidung
  6. Reparaturen
  7. Wiederverwertung
  8. Wasserwirtschaft
  9. Nachhaltige Landwirtschaft
  10. Forst- und Holzwirtschaft
  11. Landschaftspflege
  12. Wohnungsbau und –sanierung
  13. Verschönerung der Umwelt
  14. Öffentliche Verkehrsmittel
  15. Bildung und Ausbildung
  16. Beratung, Pflege und Heilung
  17. Gemeindearbeit
  18. Freizeit und Tourismus
  19. Innovationen, Forschung und Entwicklung
  20. Jedes Unternehmen, dass einen gewissen Mindestaufwand für Umweltschutzmanagement treibt

Diese Liste von Tätigkeiten könnte als Grüner Sektor der Wirtschaft bezeichnet werden. Ich habe im Jahre 1996 in der Wirtschaft des Vereinigten Königreichs ein Potenzial von ein bis zwei Millionen neuer Jobs in diesem Bereich errechnet – zu einer Zeit, als zwei Millionen Menschen als arbeitslos registriert waren (Lawson, R.: Bills of Health. Oxford 1996 (Radcliffe). ISBN 1-85775-101-9).

Mit Zustimmung des Entscheidungsgremiums könnte ein Arbeitgeber bei der örtlichen Arbeitsvermittlung neue Arbeitnehmer rekrutieren. Die Arbeitnehmer würden die ihnen zustehenden Sozialtransfers mit einbringen, wie das auch bei einem Grundeinkommen der Fall wäre. Der neue Arbeitgeber stockt ihre Bezahlung bis zum üblichen Niveau für die Tätigkeiten auf. Die Sozialleistungen verhalten sich in diesem Sinne sowohl wie ein Grundeinkommen als auch wie eine Subvention, die das Wachstum des Grünen Sektors stärkt. Diese Subvention ist zeitlich unbegrenzt. Als einzige Bedingung gilt: der Arbeitgeber kann keine bestehenden Arbeitsverhältnisse durch subventionierte ersetzen. Täte er es doch, hätte ein verärgerter entlassener Arbeitnehmer die Möglichkeit, gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber beim Entscheidungsgremium vorzugehen, welches dem Arbeitgeber die Akkreditierung entziehen könnte.

Auf diese Weise gewinnen Arbeitslose eine nützliche Beschäftigung und Arbeitgeber im Grünen Sektor einen wertvollen Schub ihrer Produktivität. Dieser Plan verursacht während der Dauer der Rezession keine zusätzlichen Belastungen der Staatskasse, denn die Sozialtransfers würden ohnehin anfallen, während die Wirtschaft im Grünen Sektor, vor allem auf den Gebieten der Energieeinsparung und -effizienz sowie bei den erneuerbaren Energien wachsen würde, was auch ein Beitrag dazu wäre, die Ziele zur Verringerung des CO2-Ausstoßes zu erreichen.

Solch eine Grüne Lohnsubvention ist kein vollwertiges Grundeinkommen, weil sie nicht universell ist, aber sie schafft politische Voraussetzungen für die Einführung eines echten Grundeinkommens, indem sie Bevölkerung und Politikern den wirtschaftlichen Wert der „lohnergänzenden Komponente“ von Sozialtransfers vor Augen führt. Es wäre sehr schwierig für eine Regierung, solch eine Regelung nach dem Ende der Rezession wieder abzuschaffen. In dem Maße, in dem die Wirtschaft „grüner“ wird, würden immer mehr Arbeitnehmer in diesen „grünen Sektor“ einbezogen. Die allgemeine Wirkung auf die öffentliche Wahrnehmung wäre mit jener bei der Einführung des Frauenwahlrechts zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu vergleichen. Damals gab es ein unumstößliches politisches Anliegen der Frauen, für das sie eine intensive politische Kampagne direkter Aktionen durchführten; dennoch dauerte es bis nach den Kriegsjahren, in denen sie ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt hatten, „Männerarbeit“ zu machen, bis sie schließlich obsiegten. Der Plan einer Grünen Lohnsubvention wird die gefühlsmäßige Ablehnung abbauen, die dem Grundeinkommen aufgrund der falschen Wahrnehmung entgegenschlägt, es sollten „Wohltaten ohne Gegenleistung“ verteilt werden.

Das englische Original dieses Textes finden Sie hier. Er wurde auf der BIEN-Konferenz in Dublin am 21. Juni vorgetragen

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Der Autor

Dr. Richard Lawson lebt in Somerset, Großbritannien, und ist Arzt und Aktivist der Green Party.
Übersetzung: Wolfgang Sandmann

6 Kommentare

Robert Bleilebens schrieb am 08.07.2008, 13:44 Uhr

Das wäre in der Tat eine Möglichkeit, ein BGE durchzusetzen. Wenn es nicht auf direktem Wege gelingt, dann besser so, als überhaupt nicht! Ein guter Beitrag!

Eric Manneschmidt schrieb am 08.07.2008, 14:40 Uhr

Hintertueren machen immer etwas schlechte Stimmung - intransparente Politik und so.

In dem Fall ist der Vorschlag besonders schlecht, weil es wohl mehr eine Hintertuer in Richtung (noch mehr!!) Planwirtschaft ist. \"Gruene\" Planwirtschaft gefaellt mir zwar persoenlich sehr viel besser als die heutige Nuklear-Fossile (welche die Schwarz-Gelben trotz grossartiger Lippenbekenntnisse gerne noch weiter ausbauen wuerden), am schoensten waere aber doch eine wirklich dezentrale Wirtschaftsstruktur, in der die nicht-staatlichen Wirtschaftsentscheidungen wirklich ganz unten getroffen werden. Also von den BGE-Empfaengern - allen Buergern oder allen Einwohnern.

Bernd Kowarsch schrieb am 12.07.2008, 20:45 Uhr

Begrüßenswert an diesem Konzept ist allenfalls die Erkenntnis, dass unterschiedlichen Arbeiten ein je abweichender Wert beizumessen ist. Es gibt konstruktive und also entsprechend destruktive Tätigkeiten.

Nun sollen die Besitzlosen möglichst kostengünstig das Gemeinwohl besorgen. Im Nachkriegsdeutschland wurde genau das - soweit ich weiß durch betreiben der Kirchen - verhindert, indem Leistungsberechtigte regelmäßig nur zu \"gemeinnützigen _und_zusätzlichen_ Arbeitsgelegenheiten\" herangezogen werden durften.

Richard Lawson: \"...den Aspekt des Grundeinkommens als „lohnergänzende Komponente“ für konstruktive Tätigkeiten in Gesellschaft und Umwelt hervorzuheben – einer Komponente,

die Sozialtransfers in Kombination mit Erwerbstätigkeit zugesteht,

um den Empfängern den Weg aus der Falle der Arbeitslosigkeit zu ermöglichen.\"

Nicht unpassend erscheint mir da Robert Ulmers Satz: \"Es geht ihr um die Freiheit der ökonomisch Stärkeren, unbürokratisch über die ökonomisch Schwächeren verfügen zu können.\" \"zit.\":https://www.grundeinkommen.de/06/06/2008/fuer-wessen-freiheit-steht-die-fdp.html

Richard Lawson: \"Es wäre sehr schwierig für eine Regierung, solch eine Regelung nach dem Ende der Rezession wieder abzuschaffen. ...

Die allgemeine Wirkung auf die öffentliche Wahrnehmung wäre mit jener bei der Einführung des Frauenwahlrechts zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu vergleichen.\"

Erstes ist aber doch eher zu befürchten, als zu erhoffen. Die Einführung so genannter Bürgerarbeit verschaffte nicht der Unverlierbarkeit des Recht auf Existenzmittel sondern dem Arbeitszwang eine kaum rückholbare Anerkennung.

Und zum zweiten; dieses Projekt erinnert doch weniger an die Einführung eines Frauenwahlrecht, das es zuvor keineswegs gab, sondern eher an den \'Nato-Doppelbeschluß\', der nur unerträglich angewachsene Mengen Sondermüll hinterließ.

Wir wollen uns aber an die Zunahme und die Normalisierung von Zwängen nicht gewöhnen - nein, auch nicht schleichend.

Reinhard Börger schrieb am 30.07.2008, 13:48 Uhr

Ich lehne diesen Vorschlsg total ab. Das angesprochene Grundeinkommen ist nicht bedingungslos in dem Sinne, wie ich es verstehe und wohl auch nicht im Sinne des Netzwerks. Die Entscheidung über so genannte gemeinnützige Arbeit hat etwas Planwirtschaftliches. Gerade die Billigarbeit im Umweltschutz, die wohl von manchen grün Angehauchten propagiert wird, bewirkt m.E. das Gegenteil: Anstatt die Verursacher von Umweltschäden zu verpflichten, diese Schäden auf ihre Kosten zu normalen Löhnen zu beseitigen, macht sie umweltschädlich hergestellte Produkte konkurrenzfähiger.

Außerdem stellt sie das Ziel des Wirtschaftswachstums im Gegensatz zu mir nicht in Frage und sieht die Senkung der Arbeitslosigkeit wohl als Hauptproblem; hier bin ich mit anscheinend mit einigen anderen Netzwerksmitgliedern einig, wenn auch wohl nicht mit allen. Mir geht es nicht darum, die Menschen irgendwie zu beschäftigen (meistens auf Kosten der Umwelt), sondern das zu produzieren, was die Menschen wollen. Die Entscheidung darüber sollte m.E. nicht planwirtschaftlich getroffen werden, sondern am Markt. Aber wer sich beispielweise um die Geldanlagen der Wohlhabenden kümmert, wird wohl zu recht dafür von diesen bezahlt, aber für die Gemeinschaft leistet er nicht mehr als derjenige, der gar nichts tut. Warum soll also Beschäftigung besonders gefördert werden?

Hanne Hilse schrieb am 05.08.2008, 07:51 Uhr

Auf den 1.Blick eine scheinbar praktikable und vor allem für die Allgemeinheit vielleicht nachvollziehbare Methode. Was mich stört, ist die Grundhaltung, die sich ausdrückt in \"..die Falle der Arbeitslosigkeit..\" (Ich spreche lieber von Erwerbslosigkeit. Ich kenne keinen, der arbeitslos ist, aber viele Erwerbslose), sowie darin, dass wieder irgendeine Instanz, und nicht ich selbst, entscheidet, was angeblich sinnvoll sein soll und was nicht. Und: der Tenor: Beschäftigung um jeden Preis, na ja, nur fast jeden. Ich denke, Menschen müssen nicht beschäftigt werden, das können sie allein und mit einem bGE würde ihnen die Freiheit dazu gegeben. Ich finde es überzeugender, gleich den \"Großen Wurf\" zu fordern, zurechtgestutzt wird er von der Politik ohnehin! Das muß nicht die BGE-Bewegung von vornherein tun! Trotzdem sind solche Überlegungen ja nicht falsch und in der Kommunikation und im Verhandeln mit Politikern wichtig, da sie Diejenigen sein werden, die eine Umsetzung möglich machen können, oder eben blockieren. Eine Ergänzung beider Wege macht für mich den größten Sinn.

Reinhard Börger schrieb am 08.08.2008, 08:34 Uhr

Bei uns herrscht (wie lange noch?) der Konsens, dass niemand verhungern soll; jeder muss also genug zum Leben haben. Um trotzdem einen Arreiz zur Arbeit zu bieten, sehe ich im Prinzip zwei Möglichkeiten: Einerseits kann man den Menschen anbieten, dass sie das, was sie dazu verdienen zusätzlich behalten dürfen. Andererseits kann ihnen man damit drohen, dass ihnen auch vov dem Wenigen noch etwas abgezogen wird, wenn sie eine Arbeit ablehnen, die auf irgendeine Weise als zumutbar angesehen wird. Wir sind für die erste Möglichkeit, aber in der Gesellschaft ist wohl die zweite populärer.

Oft werden auch unsinnige und insgesamt schädliche Arbeiten für zumutbar gehalten; das ist bei Richard Lawson nicht der Fall. Aber ich bin auch gegen Verpflichtungen zu sinnvollen Arbeiten; es sollte dafür gesorgt werden, dass solche Arbeiten angemessen bezahlt werden. Dies ist nicht erfüllt, wenn sie durch Billigkräfte oder gar zwangsweise kostenlos erledigt werden können; dann besteht für den (öffentlichen?) Arbeitgeber kein Anreiz, hierzu Leute zu ordentlichen Bedingungen einzustellen. Die Verpflichtung, bestehende Arbeitsverhältnisse nicht durch Billigarbeit zu ersetzen, reicht m.E. nicht aus, wie auch alle Bestimmungen die auch von der Vergangenheit ausgehen und nicht nur den gegenwärtigen Zustand berücksichtigen. Auch wer in Zukunft für sinnvolle Tätigkeiten eingestellt wird, soll dafür angemessen bezahlt werden.

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