Die Sklaverei abschaffen!

Archiv 09.09.2009 Druckversion

Nun steht also wieder eine Bundestagswahl an.

Als Bürgerin oder Bürger steht man vor der Entscheidung, ob man ein „kleineres Übel“ (welches auch immer das sein mag) wählen kann. Oder gibt man die Stimme dem, der kurzfristig den größten Nutzen für die eigene Situation verspricht?. Will man idealistisch eine innovative Kleinstpartei befördern oder lieber gleich zu Hause bleiben?

Egal wie es ausgeht, durch diese Wahl wird sich nicht wirklich etwas ändern. Das Elend von Sozialabbau und Staatsausverkauf wird nach der Wahl verschärft voran schreiten, auch wenn es eine noch so hoch motivierte neue Partei und ein paar idealistische und unabhängige Direktkandidaten in den Bundestag schaffen sollten.

Die Abwrackprämie hat ihr Ziel, ein paar beschönigende Statistiken hervorzubringen, bestens erreicht. Die beginnende Deflation, die die Preise sinken lässt, wird uns als neuer Aufschwung verkauft, die Börsen boomen längst schon wieder. Die in katatonischer Erstarrung befindlichen Volksvertreter aller Couleur haben etwas Aufschub herausgeholt, verbreiten altbekannte Parolen und verteilen bis zur Wahl verbale Beruhigungspillen: Der Markt wird´s schon richten, wenn wir nur jetzt alle ein bisschen die Zähne zusammenbeißen.
Denn trotz hoch und laut inszenierter Schaukämpfe – eines ist ihnen gemeinsam – den Mut, uns die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, geschweige denn echte Konzepte oder den Willen zu wirklichen Veränderungen, haben sie alle nicht.

Derweil ist unübersehbar, dass wir im jetzigen Geldsystem die Staatsverschuldung niemals mehr werden bewältigen können. Schon heute haben ein paar multinationale Konzerne mehr Geld als manche Staaten. Freie und allgemeine Güter, jahrtausendelang aufgebautes und erarbeitetes Kultur- und Menschheitserbe wandert Stück für Stück in die Hände weniger. Und das mit Duldung und Unterstützung von gewählten Regierungen.

Anstatt, dass Geld und Maschinen die Diener sind, die uns ein Leben in größtmöglicher Freiheit erschaffen, machen wir Menschen uns selbst zu Sklaven für die Konzentration von Kapital und Macht. Wir leben in einer Demokratie, der freisten Staatsform von allen, aber in Wahrheit sind wir dabei, unsere Souveränität mit offenen Augen zu verspielen.

Wir haben uns an den Zustand schleichender (Selbst-)Entmündigung gewöhnt. Immer weniger Menschen scheinen zwar das Politgeschwätz noch ernst zu nehmen, aber was ist die Konsequenz? Träumen lässt es sich schön von einer besseren Welt, aber zwischen dem resignierten Fatalismus über ihren gegenwärtigen Zustand und der Utopie von einer besseren klafft ein breiter Graben:
Wie lässt sich Traum und Wirklichkeit vereinen?

Als nach dem amerikanischen Sezessionskrieg die Sklaven befreit wurden, wurde damit zwar nicht die Ungerechtigkeit gegenüber den Schwarzen beseitigt, doch es wurde der Grundstein dafür gelegt, in dem man ihnen in der Verfassung die Bürgerrechte zusprach. Andere Parameter wurden gesetzt, die Wertigkeit eines Menschen neu gefasst.
Wohl niemand zog damals ernsthaft in Erwägung, die ehemaligen Herren für den Verlust ihres „Besitzes“ zu entschädigen. Etwas, was bis dato rechtsgültig gewesen war, hatte seine Legitimation verloren, weil man es – im Großen und Ganzen – als Unrecht erkannte.

Eine Umkehr ist also möglich. Werte fallen nicht vom Himmel, sie sind menschengemacht, wurden irgendwann festgeschrieben, können und müssen hinterfragt und verändert werden.

Der historische Vergleich hinkt natürlich, denn der Sklavenbefreiung ist immerhin ein Bürgerkrieg vorangegangen. Die neuen Werte zugunsten der Schwarzen haben die Sieger diktiert; sie entstammten nicht der Einsicht der Sklavenhalter oder dem Aufbegehren der Unterdrückten.

Nicht die so genannte Spekulationsblase ist die Ursache der Krise, die gern „Wirtschaftskrise“ genannt wird, sondern sie ist nur das Symptom eines Wertesystems, in dem der finanzielle Profit das höchste Gut darstellt und in dem obendrein noch suggeriert wird, dass dieser Profit am Ende allen zu Gute kommt.

Die elementaren Fragen des Menschseins scheinen in der Politik kaum mehr zu existieren:
Wie wollen wir Menschen zusammenleben? Was empfinden wir als gerecht? Wieviel Freiheit gestehen wir einander zu? Wodurch ist der Wert eines Menschen bestimmt?

Wir haben die Wahl:
Wollen wir Ökonomie zum Selbstzweck mit der Folge, dass sich letztlich alles ihren Wertigkeiten unterordnet? Am Ende wird dies nur noch der Kapitalvermehrung einer kleinen Finanzelite dienen, die mit ihrer Potenz Staaten entmachtet und den Globus mit seinen Ressourcen als Privateigentum betrachten kann. Damit bringt sich die große Mehrheit der Menschen in Unmündigsein und Abhängigkeit.
Oder wollen wir Geld und Wirtschaft endlich in den Dienst der Menschen stellen? Mit zweckfreier und unabhängiger Forschung und Wissenschaft, damit endlich am von allen geschaffenen Wohlstand auch alle teilhaben können?

Wer als Gutbetuchter meint, er habe ein sechsstelliges Euro-Monatsgehalt „verdient“, während andere hier durch die Mühle der Sozialbürokratie gedreht werden oder am anderen Ende der Welt verhungern, ist ein Zyniker.

Wer als Politiker noch immer glaubt, höchste Aufgabe des Staates sei es, um jeden Preis Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten, tritt die Wirklichkeit mit Füßen und verspielt seine Legitimation.

Aber wer als Durchschnittsbürger der Meinung ist, der Mensch müsse zum Tätigsein gezwungen werden, schaufelt am Grab der eigenen Freiheit mit!
Früher haben die Herrscher mit Gewalt die Fron erzwungen, heute haben die Menschen die Unterwerfung in ihrem Arbeitsethos verinnerlicht. Das ist Selbst-Versklavung!

Nur als Bürgerinnen und Bürger ohne Daseinskampf haben wir die Freiheit, über unser Miteinander selbstbestimmt zu entscheiden. Nur als freie Menschen können wir letztlich aushandeln, wie wir in Zukunft Kapital und Besitz begreifen wollen; die scheinbar unumstößlichen Axiome der modernen Ökonomie.

Die ungehemmte Geldwirtschaft hat auch hier begonnen, ihre Kinder zu fressen. Der Traum vom großen monetären Reichtum als vermeintlich höchstes Ziel kann sich nur für wenige erfüllen; der Rest erlebt ihn als kollektiven Albtraum.

Ein Grundeinkommen kann uns vor dem bewahren, was nach der großen Implosion des Kapitalismus auf uns zukommen wird.
Wollen wir nicht in absehbarer Zeit in etwas hineinstürzen, dessen Folgen nicht abzusehen sind, dann muss das Grundeinkommen Bürgerrecht werden!

Darum genau geht es, und das haben wir als Bürgerinnen und Bürger zu entscheiden. WIR sind der Staat!

DAS ist unsere Wahl!
Aber sie wird nicht am 27. September entschieden. An diesem Tag können wir nicht mehr tun, als – wie es so schön heißt – ein Zeichen setzen.

Schaffen wir endlich die Sklaverei ab!

17 Kommentare

Günter Dennhoven schrieb am 10.09.2009, 13:19 Uhr

Ich bin allerdings zutiefst der Meinung, das Grundeinkommen ist nur ein wichtiger Baustein in einem größeren Reformkomplex. Arbeitszeitverkürzung und Umverteilung der Arbeit,die Einbeziehung sämtlicher Einkünfte für die Erhaltung der sozialen Infrastruktur, die Abschaffung von jeglichem Lohndumping, Volksentscheidungen,etc.gehören noch dazu.

Gerda Haberkern schrieb am 11.09.2009, 08:51 Uhr

Meine Erfahrungen als betriebsbedingt Gekündigte bei einem Ex-Weltkonzern, Arbeitslose, Selbständige, 600 Euro-Jobberin, meine erneute Lektüre von Erich Fromms Gesamtwerk (erstmals 1982) haben mich zum Nachdenken über ein bedingungsloses Grundeinkommen gebracht. Dem soeben gelesenen Text stimme ich zu.

Frage: stärke ich das Netzwerk Grundeinkommen, wenn ich nicht zur Wahl gehe?

Rainer schrieb am 13.09.2009, 07:54 Uhr

Das mag nun provokant klingen und ca. 100 Prozent der hier Lesenden werden mich dafür hassen. Aber: Ist es etwa keine Sklaverei, wenn X für das \"Grundeinkommen\" von Y arbeiten muss? Ich bin absolut gegen diese meiner Ansicht nach abstruse Idee - und, nein: Ich bin kein böser Kapitalist, sondern bedeutungsloser Arbeiter mit geringem Einkommen, der vom Grundeinkommen finanziell sogar profitieren würde.

Volker Jansen schrieb am 14.09.2009, 00:47 Uhr

Ja, diese Gedanken teile ich ja auch, besonders, wenn sie so mit Verve vorgetragen werden. Wenn ich den Wahlkampf richtig verfolgt habe, gibt es aber keine Partei, die es wagt, anstelle von Reparaturvorschlägen für das Bestehende (Recht auf Arbeit, Schaffung von Arbeitsplätzen durch Wirtschaftswachstum ...) bei den WählerInnen für den erforderlichen Paradigmenwechsel zu werben. Es gibt zwar bei CDU, CSU(?), SPD, GRÜNEN und LINKEN - vermutlich nicht in der FDP - Befürworter des BGE, aber steht die Forderung in einem einzigen Parteiprogramm?

Welche \"Zeichen\" schlägt Martina Steinhauer also für den Wahltag vor? Schaue ich mir an, welche Parteien in Baden-Württemberg um Zweitstimmen werben, käme da wohl nur die Liste \"Volksabstimmung\" in Frage. Oder hat sie etwas anderes gemeint?

Dr. Christof Farsakh schrieb am 14.09.2009, 13:40 Uhr

Liebe Grundeinkommler, bei Sätzen wie \"für seinen Lebensunterhalt aufkommen zu müssen verletzt die Menschenwürde\" oder \"... ist Sklaverei\" kommt mir die Galle hoch. Anspruchsdenken paart sich hier mit Träumerei. Menschen aus nicht so reichen Ländern wie Deutschland können über so etwas nur den Kopf schütteln. Grüße (von jemanden, der euer Grundeinkommen erwirtschaften wird)

Mathias Schweitzer schrieb am 14.09.2009, 20:59 Uhr

Martina hat super Fazit gezogen und lässt uns zur Wahl wieder alleine. Traurig? Nein! Natürlich alleine und natürlich gehen wir mit unseren Idealen zur Wahl. Dass unser Netzwerk nicht zum Wahlboykott aufruft, ist absolut gut und richtig. Immerhin hat es in einem Teil Deutschlands bis vor 20 Jahren keine freien Wahlen gegeben, und in anderen Ländern dieser Welt werden Wahlen derzeit manipuliert. Wir haben die Möglichkeit unsere Kandidat/innen in ihren Ansichten mit unseren Ansichten zu spiegeln und werden die Kandidat/innen mit den größtmöglichen Übereinstimmungen wählen. Das Grundeinkommen wird nicht nach der jetzigen Wahl kommen. Das ist, glaube ich, allen klar. Es wird noch einen langen Diskussionsprozess geben, dem wir uns alle (Grundeinkommensbefürworter) stellen müssen. Es bedeutet einen Schnitt machen, im Denken, und es bedeutet zu lernen, dass wir nicht mit althergebrachtem Denkmustern weiterkommen. Der Arbeitsbegriff ist viel umfassender zu sehen, als ihn uns derzeit unsere Politiker landauf und landab klar machen wollen. Ehrenamtliche Arbeit, Familienarbeit etc. spielen in unserer Gesellschaft eine wenigstens ebenso große Rolle, wie die \"bezahlte\" Erwerbsarbeit. Kann man die Ehrenamtlichen, welche ihre kostbare Freizeit für 0€ verschleudern, nicht als die jetzigen großen Sklaven bezeichnen? Wer fragt eine junge Mutti mit Hartz IV, was sie für Arbeit leistet, Sklavin? Alles derzeit keine bezahlte Erwerbsarbeit und doch wichtig für uns, für die Gesellschaft. Lehnt euch mal zurück und denkt das bedingungslose Grundeinkommen, es werden euch derart viel positive Dinge und Veränderungen in unserer Gesellschaft einfallen, dass ihr es schon morgen haben wollt. Ich erzähle meinen Kindern derzeit, wie es in der DDR war und sie kennen die DDR nur aus Geschichten. Ich hoffe, dass ich meinen Enkeln mal erzählen muss, wie es früher in Deutschland ohne Grundeinkommen war, als viele Angst hatten, ihre bezahlte Erwerbsarbeit zu verlieren.

Bernhard schrieb am 15.09.2009, 09:20 Uhr

... Aber es ist eine größere Sklaverei, wenn Menschen von Ihrem Lohn nicht mehr leben können. Das ist absolute \"Ausbeutung\". Also doch lieber \"Sklaverei\", wie Du es nennst, für ein gutes Leben aller Menschen? Oder \"Ausbeutung\" für ein gutes Leben weniger? Meine Antwort lautet \"Sklaverei\" für ein gutes Leben aller ist besser als \"Ausbeutung\" für ein gutes Leben weniger.

Reinhard Börger schrieb am 15.09.2009, 10:25 Uhr

Ich hasse Rainer nicht, finde aber, dass er einem Denkfehler aufgesessen ist. Beispielsweise sorgt ein Steuerberater zwar dafür, dass seine Klientinnen und Klienten weniger Steuern zahlen; dadurch nimmt die öffentliche Hand jedoch weniger ein. Insgesamt trägt er damit zur Ernährung und der Erfüllung anderer Bedürfnisse der Gesamtbevölkerung nicht bei. Seine Arbeit halte ich zwar für sinnvoll, aber für mein Grundeinkommen würde er auch nicht mehr arbeiten als jemand, der gar nichts tut. Außerdem werden diejenigen, die gar nicht arbeiten, von den anderen bereits heute mitversorgt. Und denen, die arbeiten, sollte doch nicht zu viel abgezogen werden.

Viktor Panic schrieb am 15.09.2009, 14:11 Uhr

Es ist ganz simpel: Je weniger Menschen einer bestimmten Schicht wählen gehen, um so weniger kümmert sich die Politik um die Interessen dieser Gruppe! ALSO WÄHLEN GEHEN, HARTZ-IV-EMPFÄNGER, Ihr seid keine Bürger dritter Klasse! Und wer sich nicht entscheiden kann, sagen wir, zwischen SPD und Linken, der sollte eher losen als sich zu enthalten, denn durch Enthaltung stärkt er Schwarz-Gelb! Und obgleich eine rot-grün-rote Regierung zurzeit sowieso ausgeschlossen ist, ist es entscheidend, ob eine konservative Mehrheit verhindert wird!

Nach diesem Weckruf wird man es um so erstaunlicher finden, dass ich dem Kommentar von Volker Jansen entgegnen muss, dass gerade die FDP, als einzige Partei, sich in ihrem Programm zu einem Grundeinkommens-ähnlichen Konzept bekennt, dem \"liberalen Bürgergeld\". Darin werden zwar auch Sanktionen befürwortet, weshalb es von BGE-Anhängern strikt abgelehnt wird (aber auch wegen der geringen Höhe), ich habe jedoch den Eindruck, dass viele Befürworter des liberalen Bürgergeldes Sanktionen als unnötigen Staatseingriff ablehnen! Und meiner Meinung nach gibt es kein überzeugenderes Plädoyer für das BGE als das \"Bürgergeld-Video\", in welchem von Sanktionen mit keinem Wort die Rede ist: Zumindest für die Fantasieloseren unter unseren Mitbürgern, für diejenigen, die das Grundeinkommen \"nicht denken können\", werden darin genau DIE Mechanismen beschrieben, die Arbeit wieder lohnenswert und Sanktionen überflüssig machen. Das ist es, was für mich das BGE ausmacht. PS: Man verfolge bitte die Entwicklung in Frankreich, wo vor kurzem der Sozialstaat \"von oben\" revolutioniert wurde, dem liberalen Bürgergeld ähnlich.

Zum Kommentar von Rainer: Er sei ein \"bedeutungsloser Arbeiter mit geringem Einkommen, der vom Grundeinkommen finanziell sogar profitieren würde\". Mich würde interessieren, ob er denn sein Netto-Einkommen als angemessen empfindet? Oder weiß er, wie VIEL Geld sein Arbeitgeber für seine Arbeit zahlen muss, und wie WENIG Geld ihn selber hinterher von einem Hartz-IV-Empfänger unterscheidet, und empfindet er dies nicht als ungerecht? Ich weiß, die meisten Arbeitnehmer, die darunter leiden, schieben es auf Steuern und Sozialabgaben, doch die Wahrheit lautet: Diese Ungerechtigkeit ist um so GRÖSSER, je NIEDRIGER das Einkommen ist (das betrifft natürlich auch Selbständige und Rentner) - Steuersenkungen und Senkungen der Sozialabgaben helfen jedoch um so WENIGER, je NIEDRIGER das Einkommen ist! Notwendig ist stattdessen eine DEGRESSIVE Entlastung der Einkommen, d.h. je höher das Einkommen, um so weniger Entlastung ist nötig (*). Und genau dies geschieht durch das BGE, wenn man berücksichtigt, dass zu dessen Finanzierung ein wenig Steuererhöhung nötig ist. (*Diese Aussage gilt nicht für Aufstocker, für sie gilt wegen der hohen Anrechnung - 80 bis 100 Prozent - das Gegenteil: SIE sollten um so stärker entlastet werden, je höher ihr Arbeitseinkommen ist.)

gunnar schrieb am 15.09.2009, 14:19 Uhr

Zu Rainer (13.09.09, 07.54uhr): Nein, das genau ist keine Sklaverei, denn X arbeitet für Y,damit Y einmal für X arbeiten kann. Im Falle, dass X die Hilfe braucht. Hilfe: Also bewusstes wie immanentes Füreinander (das Miteinander enthemmter Egoismen geht contra jedes dauerhafte Kollektiv) ist hier Postulat: das Grundeinkommen nur eine Konkretion dessen. Und zwar eine der konseqentesten überhaupt. Sklaverei heißt Besitzverhältnis: Jemand wird von jemandem besessen, indem er diesen physisch und moralisch nieder drückt. Das hat gar nichts mit kollektivem Bewusstsein gemein.

Dieter Mueller schrieb am 15.09.2009, 14:36 Uhr

Das Grundeinkommen ist eine Ideologie, die sich am idealen Menschen orientiert, und nicht am realen und damit ähnlich wie der Kommunismus nicht praktikabel. Die Konsequenz einer Einführung des Bürgergeldes hätte eine Ausweitung der Schattenwirtschaft zur Folge, wie wir sie jetzt schon bei bestimmten \"Minderheiten\" in Deutschland beobachten können, in denen Großteile von Familien fröhlich aus der öffentlichen Hand leben und nebenbei mit der gewonnenen Freizeit schwarz in der Firma von Angehörigen arbeiten. Und der ehrliche Finanzierer dieses \"Grundeinkommens\" wäre noch mehr der Blöde (falls das überhaupt noch geht).

Mathis schrieb am 15.09.2009, 21:47 Uhr

Hallo Rainer und Co! Meiner Meinung nach wird in einigen Kommentaren deutlich, dass das Grundeinkommen nicht nur eine politische Maßnahme wie jede andere ist. Sie setzt auch einen Einstellungswandel auf Seiten der Bürger voraus. Genauso musste sich die Einstellung gegenüber Schwarzen wandeln (\"Sie sind auch Menschen, gleich vor Gott ...\"), bevor sie gleiche Bürgerrechte gewinnen konnten. In diesem Fall geht es (unter anderem) um unsere Einstellung zur Arbeit: Warum arbeiten wir? Weil wir es müssen (um uns zu ernähren, oder um uns ein schickes Auto leisten zu können ...), oder weil wir in unserer Arbeit Sinn finden. Gelangen wir zu letzterer Einstellung, verliert der finanzielle Aspekt an Bedeutung und damit auch das Problem, dass \"mein Lohn\" an den Faulpelz von nebenan geht. In den Vordergrund tritt, dass Arbeit in unserer arbeitsteiligen Gesellschaft eigentlich immer auch dem Wohl einer anderen Person zugute kommt. Wir sind so gesehen immer Sklaven (nach Rainers Definition), wenn wir nicht nur in unserem eigenen Gemüsegarten arbeiten ...

Klaus Voigt schrieb am 16.09.2009, 00:08 Uhr

Ich kann dem Artikel nur zustimmen. Es ist übrigens bereits heute so, dass ein Großteil der Staatseinnahmen für soziale Zwecke ausgegeben wird, nur mit dem Verweis, seine Bedürftigkeit nachweisen zu müssen. Mit dem BGE würde sich diese Quote nicht wesentlich ändern, aber der Druck auf den einzelnen würde wegfallen. Diejenigen, die das BGE ablehnen, sollten vielleicht darüber nachdenken, wie ich Freiheit definiere und wie ich Ziele und Wünsche verwirkliche. Die Erwerbsarbeit als alleinige Quelle des Reichtums stimmt ja schon heute nicht mehr. Zahlreiche gesellschaftlich relevante Tätigkeiten werden in der Erwerbsarbeit gar nicht berücksichtigt.

Rainer schrieb am 16.09.2009, 18:13 Uhr

@ Reinhard Börger. Ehrlich gesagt verstehe ich Ihr Posting nicht so richtig. Worin genau liegt mein Denkfehler? Unser Ziel sollte ja gar nicht sein, dem Staat möglichst viel in die Hand zu drücken, sondern für uns selber (!) so viel wie möglich herauszuschlagen. Die Früchte der eigenen Arbeit sollten dem gelten, der sie erntet, nicht unzähligen anderen! Aber es gilt ja in Europa als \"asozial\", zunächst einmal für sich selber und die eigene Familie sorgen zu wollen ... Es tut mir leid, aber das propagierte Grundeinkommen funktioniert einfach nicht! Es ist eine schöne Wunschvorstellung, mehr nicht.

Felix Martens schrieb am 20.09.2009, 12:12 Uhr

Man stelle sich ein weltweites, bedingungsloses Grundeinkommen vor: Walfang, Tierquälerei und viele Dinge, die ein Mensch nur tut, um seine Familie durchzukriegen, müssten nicht mehr getan werden.... die Welt wäre besser.

Natürlich gibt es Jobs, die keiner machen will, die aber getan werden müssen, wie Müllabfuhr/Entsorgung etc., aber die meisten dieser Jobs kann der Mensch mittlerweile fast gänzlich wegrationalisieren und durch Maschinen ersetzen.

Ein Argument FÜR das Bedingungslose Grundeinkommen.

Reinhard Börger schrieb am 21.09.2009, 12:28 Uhr

Es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der individuellen und der globalen Betrachtungsweise. Wer beispielsweise mit der Produktion von Autos sein Geld verdient, kann sich von seinem Lohn etwas zu essen kaufen; die Herstellung von Autos vergrößert aber nicht das Nahrungsangebot insgesamt. Wir müssen also nicht mehr Autos produzieren (mit allen ökologischen Belastungen und dem Unfallrisiko), um genug zu essen zu haben.

Wem es das Anliegen ist, dass sich Arbeit lohnt, kann das durch das BGE besser verwirklichen als in der augenblicklichen Situation. Der Anreiz zur Arbeit wird doch dadurch größer, dass man den Lohn zum größten Teil behalten darf (evt. abzüglich einiger Steuern) und daher deutlich mehr hat das derjenige, der nur das BGE bezieht. Heute lohnt es sich dagegen nicht, etwas mehr als 100 Euro über das AlgII hinaus zu verdienen; Arbeit lohnt sich erst wieder bei deutlich höheren Einkommen.

Dass einige Leute nicht arbeiten wollen, war wohl schon immer so und dürfte auch in Zukunft so bleiben. Besser erschiene es mir, wenn alle weniger arbeiteten statt einige viel und andere gar nicht. Aber gerade kürzere Arbeitszeiten sind heute wegen der hohen Abzüge bei niedrigen Einkommen besonders unattraktiv, bisherige Versuche zur Arbeitszeitverkürzung sind oft daran gescheitert, dass einige dann zu wenig hatten. Auch das würde durch das BGE anders.

Soulman schrieb am 15.11.2009, 16:58 Uhr

Dass das BGE den Anteil an Schwarzarbeit erhöht, halte ich für nicht wahrscheinlich.

Schon jetzt sind viele Rentner darauf angewiesen, nebenher zu arbeiten. Getarnt als 400,-€ Job sind sie bei Ihrer Tätigkeit über die Knappschaft versichert, den wahren Zeitaufwand und die Entlohnung muss dieser Job nicht wiederspiegeln. Oder wer glaubt denn ernsthaft, dass sich ein großes Haus der Besserverdienenden oder Politiker für 400,-€ im Monat reinigen ließe? Oder die Außenanlagen eines Miethauses oder öffentlichen Gebäudes? Würde diese Arbeit teurer sein, wer wollte diese noch bezahlen wollen. Gerade die Reichen nutzen diese Möglichkeiten des 400,-€ Jobs. Schwarzarbeit verhindert Arbeitsplätze, verbilligt aber auch zeitaufwändige Arbeit. Um Schwarzarbeit einzudämmen, müssste die Arbeitszeit von der Mehrwertsteuer befreit sein, um auch als Betrieb konkurrenzfähig zu sein. Dann müsste durch ein BGE die Notwendigkeit genommen sein, dazu verdienen zu müssen. Dann würden sich die vielen schwarz arbeitenden Rentner um das kümmern können, was sie sollen, nicht was sie müssen: Ihre verdiente Lebensleistung genießen und sich in die Gemeinschaft einzubringen.

Die Erwerbstätigen haben dann mit dem BGE sowieso keine Motivation, über Ihren 40 Stunden Job hinaus noch weniger Zeit für ihre Familien zu haben.

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