Netzwerk Grundeinkommen fordert ein Ende der finanziellen Diskriminierung von Kindern aus armen Familien und ein bedingungsloses Grundeinkommen

Günter Sölken, Pressesprecher 09.12.2008 Druckversion

Auf einer Pressekonferenz von Nicht-Regierungsorganisationen haben Vertreter des Netzwerks Grundeinkommen u.a. ein Ende der finanziellen Diskriminierung von Kindern aus Hartz-IV-Haushalten gefordert. „Menschenrechte, die nur auf dem Papier stehen, sind reine Lippenbekenntnisse, die niemandem helfen,“ erklärte Netzwerksprecher Günter Sölken. „Die Rede ist vom Menschenrecht auf eine unbedingte soziale Teilhabe.“ Dieses Elementarrecht werde beispielsweise Kindern aus armen Familien vorenthalten und dies habe u.a. gravierende Auswirkungen auf die Wahrung von Bildungs- und Zukunftschancen. „Während wohlhabenden Familien pro Kind ein Zusatzeinkommen von über 200 € monatlich zugestanden wird, müssen Hartz-IV-Familien die hundertprozentige Anrechnung des Kindergelds auf die Regelsätze hinnehmen und gehen damit beim Kindergeld faktisch leer aus. Deutlicher kann nicht zum Ausdruck kommen, wie die elementaren sozialen Menschenrechte bei Kindern in einem Staat wie der Bundesrepublik Deutschland mit Füßen getreten werden.“ Durch diese Anrechnung reduzieren sich die Regelsätze faktisch auf Beträge zwischen 47 und 117 €; das heiße nichts anderes, „als dass sich der Staat beim Kindergeld selbst bedient.“

So sei im Übrigen auch absehbar, dass das von Koalitionspolitikern erwogene Geschenk eines Konsumgutscheins von einmalig 500 € an den Hartz-IV-Familien vorbeigehen werde. „Bleibt es bei der Anrechnung jeglicher Einnahmen, werden wiederum die Ärmsten in Deutschland diejenigen sein, die von dieser Maßnahme überhaupt nicht profitieren,“ so Sölken weiter.

Abgesehen von konjunkturpolitischen Überlegungen müsse es aber um eine umfassende Realisierung der Menschenrechte gehen. Dazu gehört vor allem das Recht auf universelle, soziale Teilhabe und damit einhergehend die individuelle Selbstbestimmung. „Nichts würde dem besser gerecht werden als die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens, national wie international. Die Bundesregierung, die sich so gern in der Rolle des Vorreiters sieht, hätte hier die Chance, sich tatsächlich an die Spitze einer fortschrittlichen und zukunftsweisenden Idee zu setzen, von der die ganze Menschheitsgemeinschaft profitieren würde“, erklärte das Netzwerk.

Beigefügt ist die gemeinsame Erklärung eines pluralistischen Aktionsbündnisses zum 60. Jahrestag der Verkündung der Menschenrechte (pdf, 30 KB)

5 Kommentare

Viktor Panic schrieb am 09.12.2008, 20:31 Uhr

Kinder und Jugendliche in Hartz-IV-Haushalten sin PRIVILEGIERT, was die Höhe der staatlichen Leistungen betrifft, da ihr Existenzminimum in voller Höhe vom Staat finanziert wird, Eltern anderer Kinder dagegen müssen sich mit dem Kindergeld oder mit der Steuerersparnis durch den Kinderfreibetrag begnügen. Ob das Existenzminimum tatsächlich durch den Regelsatz abgedeckt wird, darüber darf man streiten, jedoch sind Kindergeld oder Kinder-Steuererparnis in jedem Fall niedriger!

Solange dies der Fall ist, entspricht es unserem Anliegen, die staatliche Finanzierung des Existenzminimums von Nicht-Hartz-IV-Kindern und -Jugendlichen auf Hartz-IV-Niveau anzuheben, bevor letzteres weiter erhöht wird (Inflationsausgleich ausgenommen). Betreuungs- und Erziehungs-Arbeit sollten allerdings ebenfalls staatlich honoriert werden, davon würden dann auch Hartz-IV-Eltern (und deren Kinder) profitieren.

Diese Kinder und Jugendlichen werden hingegen DISKRIMINIERT, was eigene Arbeits-Verdienste angeht, da sie, ebenso wie ihre Eltern, monatlich lediglich 100 Euro anrechnungsfrei hinzuverdienen dürfen. Das liegt zwar in der Logik unseres heutigen Sozialstaats; da Jugendliche diese Möglichkeit aber lediglich in der Ferienzeit nutzen können, würde ein Jahresfreibetrag von 1200 Euro ihnen deutlich zugute kommen.

Aber auch für ihre Eltern stellt der Kinder-Regelsatz ein Problem dar, wenn es darum deht, lohnende Arbeit zu finden. Daher würde z.B. eine Erhöhung des anrechnungsfreien Sockels um 50 Euro pro Kind (unter 14, diese dürfen ja selber gar nicht arbeiten) und pro Elternteil für diese Haushalte eine bedeutene Entlastung bedeuten.

Beispiel: Ein Paar mit 2 Kindern unter 14 und einem über 14 dürfte monatlich zweimal 200 Euro anrechnungsfrei hinzuverdienen, der/die Jugendliche könnte im Jahr durch Ferienjobs 1200 Euro eigenes Einkommen erzielen, ohne gegenüber anderen Jugendlichen benachteiligt zu sein.

Günter Sölken schrieb am 10.12.2008, 12:25 Uhr

Zum Kommentar von Victor Panic:

Wie man zu der Auffassung kommen kann, dass Kinder und Jugendliche aus Hartz-IV-Haushalten privilegiert seien, ist mir schleierhaft. Fakt ist, dass die Regelsätze von 211 € von 0 bis 13 Jahren und 281 € von 14 bis 17 Jahren eben nicht das soziokulturelle Existenzminimum decken. Zu berücksichtigen ist u.a., dass Kinder und Jugendliche in der Wachstumsphase angefangen bei den Schuhen einen wesentlich höheren Kleidungsbedarf als Erwachsene haben. Immer häufiger wird davon berichtet, dass Schüler aus Hartz-IV-Haushalten aus finanziellen Gründen beispielsweise nicht an Klassenfahrten oder gemeinsamen Kino- oder Theaterbesuchen teilnehmen können.

Schließlich geht auch niemand davon aus, dass das staatliche Kindergeld ausreichen würde, um sämtliche Kosten der Kindererziehung zu decken, sondern dies aus dem allgemeinen Einkommen der Eltern geschieht. Das Kindergeld ist vielmehr ein Zuschuss, der allen Familien gewährt wird und zwar unabhängig von der Höhe ihres Einkommens (Reiche erhalten allerdings über die Freibetragsregelung noch einen deutlich höheren Zuschuss). Die einzige Ausnahme stellen die Hartz-IV-Haushalte dar, bei denen dieser Zuschuss in voller Höhe als Einnahmen des Kindes behandelt und entsprechend vollständig vom Regelsatz abgezogen wird. Während alle anderen Familien von der jetzt beschlossenen Erhöhung des Kindergeldes in Höhe von 10 € profitieren, kommt hiervon bei den Hartz-IV-Haushalten kein Cent an.

Kinder und Jugendliche aus diesen Familien sind erkennbar schlechter ernährt und gekleidet und sie haben insgesamt wesentlich schlechtere Bildungschancen, was häufig eine für das ganze Leben prägende negative Weichenstellung ist. Dies als Privileg zu bezeichnen ist absurd.

Reinhard Börger schrieb am 10.12.2008, 15:13 Uhr

Ich habe den Eindruck, Viktor Panic und Günter Sölken reden aneinander vorbei. Dass Hartz-IV-Empfänder weniger Geld haben als andere ist doch klar. Auch klar ist, dass jede Leistung, die von Hartz-IV abgezogen wird, nicht wirkt; deshalb sind wir doch für das Grundeinkommen.

Die zweite grundsätzliche Frage ist, wie weit die Erziehung und Aufzucht von Kindern Privatvergnügen und wie weit Aufgabe des Staates ist. Dies kann für verschieden Einkommenschichten unterschiedlich sein. Aber neben der sich öffnenden Einkommensschere kann man fragen, wie groß die Unterschiede im Lebensstandard für Eltern und Kinderlose bei gleichem Einkommen sein sollten. Dies ist unabhängig von der Frage des Grundeinkommens, hängt aber natürlich mit ihr zusammen. Meine Frau und ich haben ein überdurchnittliches Einkommen, können uns aber mit drei Kindern auch nicht mehr erlauben als zwei kinderlose Normalverdiener. Da bereits zwei unserer Söhne volljährig sind, würde ein Grundeinkommen von 800 Euro für Erwachsene und 420 Euro für Kinder, wie von der Linkspartei vorgeschlagen, für uns 3650 Euro bedeuten; das ist ohne Arbeit nicht viel weniger, als wir jetzt verdienen.

Aber darum geht es in der Erklärung gar nicht. Durch den Abzug der Gutscheine vom AlgII werden diejenigen diskrimiert, denen es heute bereits schlechter geht; diese Verschärfung der sozialen Kluft macht die Gutscheine noch unsinniger, als sie es ohnehin schon sind.

Viktor Panic schrieb am 10.12.2008, 18:46 Uhr

Ich habe nicht behauptet, dass Hartz-IV-Kinder privilegiert seien, sondern dies nur auf die HÖHE der staatlichen Unterstützung bezogen! Als Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens bin ich dafür, dass dem Staat alle Kinder und Jugendlichen gleich viel wert sein sollten, und zwar in Höhe eines Existenz (und soziale Teilhabe) sichernden Kindergelds!

Geld vom Staat ist Geld vom Staat! Das stimmt zwar nicht immer, doch in diesem Fall schon: Der Hartz-IV-Regelsatz für Kinder ist zur Deckung von deren Existenzminimum bestimmt (wie gesagt, ob das reicht, darüber kann man streiten).

Beim steuerlichen Kinder-Freibetrag geht es ebenfalls um das Existenzminimum der Kinder, wobei aber nur der dem Steuersatz entsprechende prozentuelle Anteil zur Wirkung kommt. Seit vielen Jahren ist das Kindergeld \"lediglich\" eine sozial verbesserte Variante des Kinderfreibetrags, damit Eltern mit niedrigem Steuersatz und solche, die gar keine Steuern zahlen, nicht \"in die Röhre schauen\". Bei Eltern jedoch, die das Existenzminimum ihrer Kinder ohnehin schon vom Staat erhalten, sieht das anders aus.

Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Politik in der Vergangenheit gerne mal die Anpassung der Sozialhilfe-Sätze verzögert hat!

Reinhard Börger schrieb am 11.12.2008, 15:52 Uhr

Es ist schon klar, dass der Staat pro Kind aus einer Hartz-IV-Familie mehr zahlt als pro Kind aus einer anderen Familie, allerdings auf niedrigerem Ausgangsniveau. Gerade für Arbeitende bedeuten Kinder daher Komforteinbußen; es ist die Frage, wie viel davon der Staat den Eltern zumutet. Bisher werden Familien benachteiligt; das BGE könnte im Extremfall dafür sorgen, dass sie bevorzugt werden. Aber natürlich muss auch das Grundrecht der Kinder auf das Existenzminumum gewährleistet werden.

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