Flensburger SPD will Feldversuch zum „Grundeinkommen“

Ronald Blaschke 10.11.2017 Druckversion

Auf der Anfang November stattgefundenen Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zum digitalen Kapitalismus war das Grundeinkommen sehr präsent.

Auch in der SPD Flensburg regt sich scheinbar etwas in Richtung Grundeinkommen: Die deren Fraktion stellte im Stadtrat offiziell den Antrag auf einen Feldversuch zum Grundeinkommen in Flensburg. Der Antrag verweist auf die Schwierigkeit eines regionalen Modellprojekts, wird doch sogleich auf eine nötige Bund-Länder-Finanzierung hingewiesen. Auch wird das „Grundeinkommen“ wie folgt im Antrag definiert: „Das Bedingungslose Grundeinkommen stellt eine Mindesteinkommenssicherung dar, die ohne Bedürftigkeitsprüfung und jede verpflichtende Gegenleistung gezahlt wird.“ Dabei wird der individuelle Rechtsanspruch genauso wenig erwähnt, wie die Höhe des Grundeinkommens (Existenzsicherung, Teilhabeermöglichung). Dass es sich dabei lediglich um ein befristetes Experiment mit Sozialtransferbeziehenden wie in Finnland handeln soll, ergibt sich aus dem Antragstext: „Ziel der Prüfung ist die Vorbereitung eines vom Land und Bund ausfinanzierten Feldversuches, bei dem die teilnehmenden Testpersonen ein Grundeinkommen anstelle der Transferleistungen erhalten und dieses durch Erwerbseinkünfte entsprechend erhöhen können.“ (Hervorhebung, R.B.) Und es wird die Frage gestellt: „Unter welchen Voraussetzungen kann nach einem Auslaufen des Feldversuchs zum bisherigen System zurückgekehrt werden?“

Alle diese Antragsbestandteile stellen natürlich den Sinn eines Feldversuches für ein Grundeinkommen in Frage. Denn Aussagen über die Wirkung eines Grundeinkommens sind, sollte der Antrag überhaupt durchkommen, somit nicht erwartbar.

Neben der methodischen Kritik an Feldversuchen gilt grundsätzlich: Mit Grundrechten der Menschen experimentiert man nicht. Grundrechte hat man – auch wenn man sie erst erstreiten muss. Man stelle sich vor, dass Frauenwahlrecht wäre experimentell in Feldversuchen erprobt worden, und bei „schlechtem“ Wahlverhalten der ausgewählten Frauengruppe, hätte man diesen Grundrechtsgedanken wieder entsorgt.*

Gut zu wissen, dass sich zum Beispiel die SPD Rhein-Erft demgegenüber schon längst klar positioniert hat, indem sie das Konzept eines solidarischen Grundeinkommens vertritt. Diesem zufolge wird jeder und jedem ein Grundeinkommen oberhalb der Armutsgrenze garantiert. Das BGE ist eben ein Grundrecht und keine Experimentier-Spielwiese.

* Vgl. auch die Kritiken an Feldversuchen von Sascha Liebermann und Philip Kovce.

3 Kommentare

Ulrich Schachtschneider schrieb am 10.11.2017, 16:16 Uhr

Sicherlich werden in solchen Feldversuchen nur partielle Grundeinkommen - in vielerlei Hinsicht - getestet. Sie sind aber dennoch zu begrüßen, da sie das grundlegende, immer noch hegemoniale Denken (Geld nur gegen Arbeitsbereitschaft) verändern. Unsere basale Gegenidee, dass das nicht sein muss, um eine Gesellschaft aufrechtzuerhalten, kommt in die Köpfe. Wenn solche Versuche laufen, kann zudem von unserer Seite daran angeknüpft werden in dem Sinne: Das ist schon mal ein Anfang, das richtige Grundeinkommen sieht aber noch ein wenig anders aus..Wir werden nicht von heut auf Montag früh unsere Maximalforderung (für alle 80 Mio ein Grundeinkommen in der gewünschten Höhe) politisch umgesetzt bekommen. Wir brauchen kleine Schritte, sonst bleibt es bei der reinen Utopie.

Ilona Borszik schrieb am 29.01.2018, 22:43 Uhr

Nicht nur für Transferleistungs-Bezieherinnen und -Bezieher soll es das BGE in Flensburg geben, sondern

\"Wenn Flensburg Versuchsort werden würde,würden alle Flensburger und Flensburgerinnen einen festen monatlichen Betrag erhalten unabhängig davon, ob sie arbeiten oder nicht und ohne, dass sie dafür eine konkrete Gegenleistung dafür zu erbringen haben\". - so steht es im Antragstext der SPD. Der Antrag ging am 11.1.2018 ohne Gegenstimmen (die CDU enthielt sich)durch.

Michael Behrmann schrieb am 11.02.2018, 22:32 Uhr

Läßt die erwähnte „nötige Bund-Länder-Finanzierung“ usw. vermuten, dass nur die staatliche Ausgabenseite, nicht die Einnahmeseite im Blick ist? Geht es „mal wieder“ um die Optimierung der Organisation von sozial skandalöser Armut und Prekarität?

Daher wäre – mal abgesehen von den schwerwiegenden Argumenten gegen Experimente - doch interessanter und zielführender zu erfahren, wie es um die Bereitschaft und das Maß steht, eine Richtungskorrektur der derzeitigen Umverteilungsmechanismen einzuräumen.

Wäre es also nicht viel aufschlussreicher, das Interesse weg von der mutmaßlich mit einem BGE materiell bessergestellten Empfängerseite zu verschieben hin zu denen, die am anderen Ende der Skala mit zur Finanzierung beizutragen hätten? Auch dem vermuteten Machtzugewinn der Vielen durch ein BGE steht ein Machtverlust der Wenigen gegenüber.

Wer oder was sollte sie auf einmal bewegen, ihre Möglichkeiten, zu einer emanzipatorischen Entwicklung aller Mitglieder der Gesellschaft beizutragen, anders zu nutzen? Geht es um mehr als die Sorge für eine optimale Einstellung eines in ihrem Sinne erfolgreich funktionierenden Systems oder etwa endlich um die Einsicht in dessen Begrenzungen und Untauglichkeit?

Wir sollten statt auf Experimente lieber auf eine breite Bürgerbewegung und die Verbesserung der Demokratie setzen, um dann als Souverän entscheiden zu können, was wir wollen.

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