Grundeinkommensjahre: gesetzlich garantierte und abgesicherte Sabbatical für alle Erwerbstätigen

Ronald Blaschke 11.08.2024 Druckversion

Ein Einstieg in eine Gesellschaft mit Grundeinkommen könnte ein gesetzlich garantierter Anspruch auf Sabbaticals für Erwerbstätige sein. Diese Auszeiten würden durch eine ohne Gegenleistung und Bedürftigkeitsprüfung gewährte, die Existenz und Teilhabe sichernde und vor Armut schützende Geldleistung abgesichert. Deren Höhe soll derzeit 1.500 Euro netto monatlich betragen.

Dieser Vorschlag wurde vor einigen Tagen den Medien in einer Pressekonferenz von Ronald Blaschke und Ulrich Schachtschneider vorgestellt (z. B. hier und hier).* Das Konzeptpapier mit Begründung, Ausgestaltungsvorschlag, Ausführungen zu möglichen Auswirkungen auf die Einzelnen und die Gesellschaft sowie Finanzierungsnachweis findet sich hier.

Wie soll es funktionieren?

Jede*r hat dreimal innerhalb des Erwerbslebens das Recht auf ein Grundeinkommensjahr. Wofür dieses Jahr verwendet wird, ob für Weiterbildung, Muße, Familie, Pflege, Engagement etc., ist jeder und jedem gemäß dem Freiheitsprinzip des Grundeinkommens selbst überlassen. Einzige Bedingung ist, dass nicht gleichzeitig einer Erwerbsarbeit nachgegangen wird – es soll ja eine Auszeit von der Erwerbsarbeit ermöglichen.

Das Recht auf ein solches Grundeinkommensjahr erhalten alle Erwerbstätigen dreimal im Erwerbsleben – jeweils nach 12 Jahren Erwerbstätigkeit. Es gelten auch Zeiten für Kinderbetreuung, (Aus-)Bildung, Erwerbslosigkeit o. ä. Das Grundeinkommensjahr wird abgabefinanziert (siehe unten). Das ist der Unterschied zu derzeitigen Sabbatical-Modellen, bei denen für die Auszeit individuell Lohneinkommen angespart werden muss. Neben dem genannten Nettobetrag werden vom Staat auch Sozialversicherungsbeiträge übernommen, damit die Kranken-/Pflegeversicherung weiterläuft und kein Nachteil bei der Rente entsteht. Nach dem Grundeinkommensjahr gibt es eine gesetzlich garantierte Rückkehr-Option an den alten Arbeitsplatz.

Eine Überschlagsrechnung ergibt, dass das Grundeinkommensjahr jährlich rund 124 Milliarden Euro kostet. Diese könnten, so ein Vorschlag, durch eine Abgabe der Geldvermögenszuwächse privater Haushalte und privaten Organisationen finanziert werden. Damit wäre auch eine Umverteilung von Personen mit hohen Vermögenszuwächsen zu Personen mit keinen oder geringen Geldvermögenszuwächsen bzw. mit schrumpfenden Geldvermögen verbunden.

Neu ist die Idee eines gesetzlich garantierten und staatlich abgesicherten Sabbaticals für alle Erwerbstätigen bzw. eines Grundeinkommensjahres nicht. Auf Initiative von Katja Kipping und finanziert durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat das Wissenschaftszentrum Berlin 2017 eine Studie „Gesetzlich garantierte ‚Sabbaticals‘ – ein Modell für Deutschland?“ erstellt. Ein solcher Vorschlag fand sich dann im Programm der Partei DIE LINKE zur Bundestagswahl 2017. 2018 schlug der damalige Generalsekretär der SPD, Lars Klingbeil, ein „Grundeinkommensjahr“ vor. 2019 lancierte Katja Kipping die Idee bezahlter Sabbatjahre erneut in ihrer Partei, die sich dann im Wahlprogramm der Partei DIE LINKE 2021 fand.

Wie nun weiter?

Das Konzeptpapier soll durch Wissenschaftler*innen des FRIBIS auf Herz und Nieren geprüft werden, so der Wunsch der Autoren. Dann soll es in einem größeren Rahmen publiziert und der Öffentlichkeit erneut zur Diskussion vorgelegt werden – noch vor der Bundestagswahl 2025.

 

* Anders als in den genannten Medienbeiträgen dargestellt und ausdrücklich während der Pressekonferenz auch erwähnt, handelt es sich um einen Vorschlag von Ronald Blaschke und Ulrich Schachtschneider als Privatpersonen. Sie unterbreiten ihn nicht im Namen eines Vereins oder Netzwerks.

 

Bild: pixabay

4 Kommentare

Eric Manneschmidt schrieb am 11.08.2024, 16:14 Uhr

Wie auch immer man inhaltlich zu dem Vorschlag steht...ein Problem dabei ist, dass das BGE hier wieder als Gegensatz zur Erwerbsarbeit positioniert wird, was strategisch voll nach hinten losgehen kann. Bei einem richtigen BGE ist ja gerade der Witz, dass man es mit Erwerbseinkommen kombinieren kann und natürlich nicht alle Leute aufhören sollen mit Erwerbsarbeit...wie auch immer man also inhaltlich dazu steht:

Es ist doch klar, dass das als Vorschlag des Netzwerks Grundeinkommen rüberkommt, weil Ronald Blaschke nunmal langjähriger Netzwerkrat ist. Wäre das nur die Idee von irgendeiner Privatperson, hätte sich niemand für die Pressekonferenz interessiert und das Ding hätte es niemals in die Medien geschafft.

Stefan Pudritzki schrieb am 12.08.2024, 21:55 Uhr

Wir aus der Grundeinkommensbewegung sollten aufpassen, dass wir selbst nicht die Idee des BGE verwässern: Das BGE soll es ja lebenslänglich geben.

Jörk Huhle schrieb am 27.08.2024, 10:01 Uhr

Solange WIR das BGE geistig mit dem Geldbegriff verknüpfen und (noch) nicht in der Lage sind es als EXISTENTIELLE GRUNDLAGE begreifen, wird

es auch keine wirkliche Akzeptanz erhalten.

Daher braucht leider jede Erkenntnis seine Zeit.

Johanna schrieb am 07.10.2024, 15:26 Uhr

Volle Zustimmung für Eric. Das ist gerade jetzt nach 1,5 Jahren Bürgergelddebatte und erfolgreicher Schmutzkampagne der Unionsparteien gegen das Bürgergeld ein stragegisch denkbar schlecht gewählter Zeitpunkt für diese Idee. Wasser auf die Mühlen all derer, die predigen, dass Grundeinkommen faul mache.

Das wird als eine von Arbeitenden bezahlte Einladung zum Nicht-Arbeiten missverstanden werden – unter der Überschrift \"Grundeinkommen\"-Sabbatical.

Einen Kommentar schreiben

Erforderliche Felder sind mit * markiert.
Bitte beachten Sie die Regeln für die Veröffentlichung von Kommentaren.