André Gorz: Vermächtnis, Aktualität, politische Notwendigkeiten
Am 9. Februar 2023 wäre André Gorz 100 Jahre alt geworden. Das Institut für Sozialforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und das Netzwerk Grundeinkommen nehmen dies zum Anlass für eine öffentliche Abendveranstaltung in Frankfurt am Main.
André Gorz war für die europäischen sozialen Bewegungen ein anerkannter Vordenker. Aufgrund seiner exzellenten Kritik des Kapitalismus und Neoliberalismus konnte er unorthodoxe Ansätze für Politiken entwickeln, die die Emanzipation von Individuum und Gesellschaft zum Ziel haben. Dabei scheute er nicht den Konflikt mit den politischen Rechten und Teilen der Linken. So zeugen z. B. seine Bücher „Abschied vom Proletariat“, „Kritik der ökonomischen Vernunft“ und „Arbeit zwischen Misere und Utopie“ davon, dass er der (Lohn-)Arbeitsgesellschaft und einem unreflektierten Ökonomieverständnis eine Absage erteilte. Grundeinkommen, Recht auf Multiaktivität und selbstbestimmt-demokratische Gestaltung des Lebensumfelds verweisen auf ein Jenseits eines durch Lohnarbeit vergesellschafteten Menschen. Die späteren Werke von André Gorz antizipieren das emanzipatorische Potenzial einer Wissensgesellschaft und die Gefahren ihrer Vereinnahmung durch die Logik des Kapitals. Wachstumskritik und bedürfnisorientierte Produktion gehören ebenfalls zum Repertoire seiner sozialphilosophischen Überlegungen.
Der streitbare Sozialphilosoph verabschiedete nicht nur das Proletariat von deren durch Karl Marx einst zugeschriebenen historischen Mission. Gorz brach auch mit dem traditionellen linken Arbeits- und Vergesellschaftungsverständnis. In „Wege ins Paradies“ sah er die Zurückdrängung bzw. Überwindung der Lohnarbeit und der konsumistischen Freizeitgestaltung und Freizeitindustrie als notwendig an – zugunsten einer kooperativen und autonomen Lebensführung der Menschen. Davon versprach er sich auch einen Wandel von der Arbeits- in die Kulturgesellschaft. Ihm war klar, dass es keine ökologische Erneuerung ohne eine radikale Begrenzung der Dynamik kapitalistischer Akkumulation und ohne eine Einschränkung des Konsums geben kann. André Gorz kann uns noch Vieles für die heutige Zeit sagen.
Hier die Vorankündigung zur öffentlichen Veranstaltung:
Donnerstag, 9. Februar 2023
18.30 Uhr bis ca. 20.30 Uhr
Institut für Sozialforschung
Sitzungsraum, Senckenberganlage 26, 60325 Frankfurt am Main
Anmeldung erforderlich: anmeldung@ifs-frankfurt.de
Eröffnung:
Prof. Dr. Stephan Lessenich, Direktor des Instituts für Sozialforschung, Professor für Gesellschaftstheorie und Sozialforschung an der Goethe-Universität Frankfurt a. M.
Vortrag:
André Gorz – Vermächtnis und Aktualität. Politische Notwendigkeiten für eine neue, moderne Linke
Prof. Dr. Claus Leggewie, Inhaber der Ludwig-Börne-Professur und Leiter des „Panel on Planetary Thinking“ an der Justus-Liebig-Universität Gießen
Interventionen:
Vergesellschaftung und Gesellschaftlichkeit jenseits von Lohnarbeit
Ronald Blaschke, Netzwerk Grundeinkommen, Mit-Gründer des Netzwerks, Mitglied des Netzwerkrates
Mit André Gorz einen Blick in das sozial-ökologisch gerechte Jahr 2048 wagen
Mascha Schädlich, Konzeptwerk Neue Ökonomie, Mit-Organisatorin des Kongresses „Zukunft für alle“
Im Anschluss moderierte Diskussion.
Die Teilnahme an der öffentlichen Veranstaltung ist kostenfrei. Eine Anmeldung ist erforderlich: anmeldung@ifs-frankfurt.de
Veranstalter: Institut für Sozialforschung, Goethe-Universität Frankfurt am Main in Kooperation mit dem Netzwerk Grundeinkommen
Eine Einführung (Video) zu André Gorz findet sich hier.
2 Kommentare
Sehr gute Einführung in das Werk von Andre Gorz, lieber Ronald!
Gorz ist auch einer meiner Lieblingsautoren und eine sinnvolle Ergänzung zu Karl Marx!
Leider wohne ich nicht in der Nähe von Frankfurt, so dass ich an dem Seminar nicht teilnehmen kann. Schade!
Beste Grüße von Charly Hörster
(Mitautor des Buches \"Digitalisierung? -
Grundeinkommen!\")
Mit unserer Energieeffektivität Community beschäftigen wir uns mit der paraktischen Umsetzung eines Grundeinkommens in der Schweiz und Deutschland. In der Schweiz ist eine erste Volksabstimmung über ein Grundeinkommen gescheitert. Zwei weitere Versuche haben es nicht einmal geschafft, die erforderlichen Unterschriften vom Schweizer Volk für ein Grundeinkommen zu bekommen. Ich denke es wäre wesentlich erfolgreicher, weniger Diskussionen zu führen in elitären Kreisen und viel mehr den direkten Kontakt mit dem Volk zu suchen. Dabei wäre es wichtig, aufzuzeigen, dass in den letzten Jahren einige wichtige Schritte in Richtung Grundeinkommen getan wurden und ohnehin erfolgen werden. Darüber wird das Stimmvolk in der Schweiz kaum informiert. In Deutschland gibt es nicht einmal ein Stimmvolk. Unsere bishertigen Erfahrungen zeigen in der Schweiz und Deutschland, dass konkrete kleiner Schritte und für das Stimmvolk nachvollziehbar, viel wichtiger sind als intellektuelle Diskussionen.