Warum gehören zu einem Grund­ein­kom­men un­be­dingt auch ein Min­dest­lohn und wei­te­re Rah­men­be­din­gun­gen?

Uwe Schnabel 12.01.2014 Druckversion

Es gibt verschiedene Grundeinkommensmodelle. Einige beschränken sich auf ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE), andere sehen dieses als Teil eines umfassenderen Konzepts. Ein Streitpunkt dabei ist, ob der Mindestlohn zum Grundeinkommen gehört.

Einige Kapitaleigner hoffen, dass sie Löhne um das BGE kürzen können, weil die Lohnabhängigen anschließend dasselbe Einkommen haben wie bisher (siehe Abschnitt Mindestlohn auch mit Grundeinkommen erforderlich von Herbert Wilkens) Sie wollen ihren Gewinn um diesen Betrag erhöhen. In diesem Fall trifft die Kritik (z. B. aus sozialen Parteien, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen) am BGE als Kombilohn zu. Das ist ein wesentlicher Grund, warum das BGE von sehr vielen Menschen, auch von Gewerkschaften, abgelehnt wird und warum viele BGE-Befürwortende diese Variante eines Grundeinkommens ablehnen. Oft werden solche Vorstellungen fälschlicherweise auf die Grundeinkommensidee an sich übertragen. Beides behindert die Einführung des Grundeinkommens. Wer breite gesellschaftliche Zustimmung für das BGE will, muss für einen Mindestlohn zusätzlich zu einem existenzsichernden BGE eintreten.

Hinzu kommt noch mindestens ein weiterer Grund:
Wenn Menschen bereit sind, für geringes Einkommen zu arbeiten, schädigen sie andere, die ihre Bedürfnisse nicht mit dem BGE decken können. Damit schränken sie deren Freiheit ein, weil Kapitaleigner sich mit dem Hinweis auf die niedrigen Lohn weigern können, anderen mehr zu bezahlen. Umgekehrt erhöht ein ausreichender Lohn die Freiheit derjenigen, die aus den unterschiedlichsten Gründen weiterhin Lohnarbeit verrichten. Außerdem können sich diejenigen, die faire Löhne zahlen wollen, das nur erlauben, wenn die Konkurrenz sie nicht wegen ihrer niedrigen Löhne unterbieten kann. Mit einem Mindestlohn fällt der Verweis auf die Billigkonkurrenz weg. Das betrifft z. B. den Krankenhaus- und Pflegebereich, Zustelldienste usw.

Außerdem würde mit einem gesetzlichen Mindestlohn die Verhandlungsmacht der Beschäftigten in Tarifauseinandersetzungen gestärkt. Diese ist für viele abhängig Beschäftigte und ihre Gewerkschaften bisher sehr gering. Es können jeweils nur kleine Verbesserungen durchgesetzt oder eine Verschlechterung abgewehrt werden. Oft wurde selbst das nicht erreicht (siehe Beispiele von Herbert Wilkens). Die ungleiche Machtverteilung zwischen Kapitaleignern und Lohnabhängigen (bzw. ihren Interessenvertretern) bewirkt, dass die Lohnverhandlungen nicht zu einem gerechten und sozialverträglichen Ergebnis führen.
Somit gehören Mindestlohn und BGE zusammen.

Auf dieser finanziellen Grundlage könnten Menschen umwelt- und sozialschädliche Arbeit ablehnen und würden das wohl auch tun, wenn sie die entsprechenden Informationen und die Möglichkeit für sinnvolle Tätigkeiten haben. Es gäbe dann nur noch sinnvolle Tätigkeiten. Dazu sind Ressourcen (z. B. Geräte, Rohstoffe, Gebäude) notwendig. Deshalb sind auch mit BGE weitere Auseinandersetzungen, z. B. über diese Ressourcen und über die Möglichkeit gesellschaftlicher Einflussmöglichkeiten (Demokratie), notwendig. Mindestlohn und BGE erleichtern sie, können sie aber nicht ersetzen.

(Siehe auch Diskussion zum Mindestlohn)

8 Kommentare

stefan schrieb am 13.01.2014, 22:22 Uhr

Schon das erste Argument ist absurd: Weil man x will muss man noch y in den Sack dazu packen, damit man breite Zustimmung erhält. Das zweite Argument ist noch merkwürdiger: Wer bereit ist, für geringes Einkommen zu arbeiten, der beeinträchtigt andere in ihrer Freiheit. Wer also die höchsten Einkommen fordert tut am meisten für die anderen? Dann wären die Bonzen mit den hohen Einkommen wahre Freiheitskämpfer?

Beim Grundeinkommen gibt es keine Lohnabhängigen, weil niemand mehr von seinem Lohn abhängig sein wird. Dieses Wort ergibt hier keinen Sinn. Die Verhandlungs\"macht\" würde durch ein Grundeinkommen auf ein Maß gesteigert, dass man schon fast davor warnen muss, diese Macht nicht zu missbrauchen. (Stichwort ewige Streikkasse, kein Zwang, Arbeit anzunehmen).

Jo schrieb am 15.01.2014, 03:33 Uhr

Die möglichst schnelle Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ist wichtig. Aber viel wichtiger als die Einführung von Mindestlöhnen wäre für mich die Demokratisierung der Geldschöpfung. Dies ist wohl für die Zukunft der Staatsfinanzen und für den Fortbestand der Demokratie von entscheidenerer Bedeutung als die Einführung von Mindestlöhnen. Link zum weiterlesen: http://www.monetative.de/

Uwe schrieb am 15.01.2014, 17:28 Uhr

Wer ein Grundeinkommen für ein menschenwürdiges Leben für alle will, ist für ein Grundeinkommen. Weil aber viele befürchten, dass das Grundeinkommen nur ein Kombilohn ist, sind sie dagegen. Es geht somit um zwei eng zusammenhängende Punkte, für die gemeinsam argumentiert wird. Ein Zusammenpacken zweier unzusammenhängender Punkte wäre es, wenn gefordert würde, dass ein Grundeinkommen eingeführt und gleichzeitig alle Steuern bis auf die Mehrwertsteuer abgeschafft werden sollen.

Ein Mindestlohn ist für alle, schränkt das Gegeneinanderausspielen ein, ist sozial und erhöht die Freiheit der bisher Benachteiligten. Genau das trifft auch auf das Grundeinkommen zu. Wer nur hohe Einkommen für sich auf Kosten der anderen fordert, handelt im Gegensatz dazu. Keine Lohnabhängigen gibt es erst, wenn es überhaupt keine abhängige Beschäftigung mehr gibt, wenn also alle Menschen ihre Bedürfnisse ohne Gegenleistung, z.B. in Form von Geld, befriedigen können. Laut Definition sichert das Grundeinkommen das sozio-kulturelle Existenzminimum, also ein menschenwürdiges Leben. Wer mehr haben will oder braucht, bleibt erwerbsabhängig, also in den meisten Fällen lohnabhängig.

Uwe schrieb am 16.01.2014, 12:15 Uhr

Eine demokratische Kontrolle über die Ressourcen durch die Bevölkerung ist auch mit bedingungslosem Grundeinkommen notwendig. Ein Grundeinkommen und existenzsichernde Mindestlöhne erleichtern aber nicht nur die Durchsetzung von Demokratie, sie sind auch ein Teil davon, wenn die Sicherung von Grundeinkommen und Mindestlöhnen demokratisch kontrolliert wird. Ein gerechteres Steuersystem (wer mehr hat, muss prozentual mehr beitragen) ist ebenfalls hilfreich.

Rebhan, Michael schrieb am 23.01.2014, 11:08 Uhr

Ich glaube, das gleiche gute Menschenbild, was man für ein BGE ins Feld führt, sollte man auch einem Unternehmer zubilligen. Zum einen muss mit einem Grundeinkommen niemand für wenig Geld, unter schlechten Arbeitsbedingungen oder ohne Arbeitsschutz arbeiten. Desweiteren gehen Menschen eben nicht nur des Geldes wegen einer Tätigkeit nach, sondern des Lobes und der Anerkennung wegen. Zum anderen werden viele Kleine und Kleinstunternehmen keinen Mindestlohn zahlen können, und wenn doch, werden die Preise steigen. Das bedeutet Inflation. Das BGE müsste stetig erhöht werden, um seine Wirkung nicht zu verfehlen. Außerdem macht ein Mindestlohn wieder Gesetze erforderlich, die überprüft und durchgesetzt werden müssen. Ich sehe das BGE als liberalen Ansatz, der das Leben erleichtert. Eine Bildungsinitiative, die Kinder und Jugendliche zur Einsicht bewegt, sehe ich hierbei als dringend erforderlich an. Wir sollten nicht den Fehler begehen, Unternehmer und Tätige gegeneinander auszuspielen. Jeder kann beides sein, jetzt und in der Zukunft.

mkveits schrieb am 23.01.2014, 13:53 Uhr

Ich verlinke zu einem aktuellen Beitrag auf den Nachdenkseiten: http://www.nachdenkseiten.de/?p=20002#more-20002.

Das nachfolgende Zitat findet sich am Ende des Beitrags: \"In jedem Fall erscheint mir eine Diskussion über ELR/JG-Programme weit fruchtbarer zu sein als etwa die Debatte zum bedingungslosen Grundeinkommen, die hierzulande eine relativ große Resonanz in den Medien findet, obgleich die Idee vom Grundeinkommen wohl kaum weniger „utopisch“ ist als das ELR/JG-Konzept.\"

Uta schrieb am 21.02.2014, 15:47 Uhr

Zur Menschenwürde gehört auch: dazu gehören, gebraucht werden, sich mit einer sinnvollen Tätigkeit in die Gesellschaft einbringen und Anerkennung der Leistung.

Der Mindestlohn ist wichtig, damit niemandem gesagt werden kann: \"500 Euro reichen bei Vollzeitarbeit, du hast ja noch das BGE.\"

Bei relativ niedrigem BGE (z.B. 500 Euro + Sozialversicherung)ist ein Recht auf Arbeit (Teilzeitjob) wichtig. Hierzu könnte man 1-Euro-Jobs, Bürgerarbeit, Bundesfreiwilligendienst u.a. in reguläre Arbeit wandeln. Jeder Mensch soll selbst entscheiden wieviel er arbeiten und welchen Lebensstandart er haben will.

Uwe schrieb am 25.02.2014, 18:42 Uhr

Das Gefangenen-Dilemma zeigt, dass auch privat nette Menschen sich häufig rücksichtslos verhalten, wenn sie davon ausgehen, dass es die anderen auch tun. Dies wird in einem Marktsystem, wie dem gegenwärtigen, gefördert. Überwunden werden kann dies nur durch Absprachen. Kapitaleigner können somit privat nett sein, müssen aber ihr Kapital erhalten und vermehren. Dies geht nur auf Kosten der lohnabhängig Beschäftigten oder der Kaufenden. Somit gehören zu einem umfassenden Grundeinkommenskonzept als Zwischenschritt Mindestregeln, z.B. ein Mindestlohn, und demokratische Ressourcen-/Kapitalkontrolle. Sonst erleichtert das die systembedingte Gewinnmaximierung, unabhängig vom Menschenbild. Und auch Kleine und Kleinstunternehmen können einen Mindestlohn zahlen, wenn die Großkapitaleigner faire Preise bezahlen und damit auf Gewinn verzichten. Näheres steht auf den erwähnten Nachdenkseiten.

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