Grundeinkommen mit Augenklappe

Reimund Acker 13.05.2013 Druckversion

Ein partielles Grundeinkommen hat die Piratenpartei Deutschland bei ihrem Bundesparteitag vom 10. bis zum 12.5.2013 in Neumarkt (Oberpfalz) in ihr Programm für die Bundestagswahl 2013 aufgenommen. „Mittelfristig“ wollen die Piraten ein „Grundeinkommen“, von dem nicht klar ist, ob es sich tatsächlich um das vom Netzwerk Grundeinkommen definierte handelt, ob also mit den ‘vier Kriterien’ der Piraten die vom Netzwerk Grundeinkommen formulierten vier Kriterien für das Grundeinkommen gemeint sind. Die Piraten verlangen nur „existenzsichernd“ statt „existenz- und teilhabesichernd“. Statt „ohne Arbeitszwang“ heißt es bei den Piraten „ohne Bedingungen“. Und aus dem „individuellen Rechtsanspruch“ wird „individuell berechnet“. Auch Hartz IV wird individuell berechnet, dann aber an Haushalte statt Einzelpersonen ausgezahlt. Und in der Einführungsphase, deren Dauer nicht spezifiziert wird, darf selbst von diesen Kriterien abgewichen werden.

Zur Vorbereitung des BGE setzt das Piratenprogramm auf einen modularen Ansatz, bestehend aus einer Erhöhung des Regelsatzes beim Arbeitslosengeld II (Hartz IV), einem „Kindergrundeinkommen“ als Ersatz für das Kindergeld, einem „Bildungsgrundeinkommen“ statt BAföG, sowie der Weiterentwicklung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Richtung Grundeinkommen. Über die jeweilige Höhe dieser Komponenten werden nur vage Angaben gemacht. So dürfe „[die] Einführung eines Grundeinkommens […] nicht zur Schlechterstellung von wirtschaftlich Schwächeren führen“. Das Grundeinkommen für Kinder und Jugendliche darf geringer ausfallen als das für Erwachsene.

Als Zwischenschritt zum vollen Grundeinkommen soll ein „bedingungsloses Sockeleinkommen“ einführt werden, finanziert durch die Anhebung des ermäßigten Satzes der „sogenannten“ Mehrwertsteuer von 7 auf 19 Prozent, eine Finanztransaktionssteuer sowie eine Vereinheitlichung der Einkommensteuer für alle Einkommensarten und die Abschaffung von Ausnahmeregelungen und Subventionen wie dem Ehegattensplitting.Nicht klar wird im Programmtext, ob das Sockeleinkommen die oben genannten Komponenten der Einführungsphase ersetzen soll oder ob Vorbereitungsschritte und Sockeleinkommen parallel erfolgen sollen.

Die Arbeitslosen- und die Rentenversicherung soll als paritätisch finanzierte Sozialversicherung fortgeführt, die Krankenkassen auf ein steuerfinanziertes Gesundheitswesen ohne Beitragsbemessungsgrenzen umgestellt werden.

Zur Erwerbsarbeit heißt es: „Arbeit muss Erwerbstätigen ein existenzsicherndes Einkommen bieten. Solange ein bedingungsloses Grundeinkommen noch nicht umgesetzt ist, ist dies vor allem über gesetzliche Regulierungen und Tarifverträge möglich. Daher setzt sich die Piratenpartei für faire und sichere Arbeitsbedingungen und einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland und ganz Europa ein.“

Auf EU-Ebene wollen die deutschen Piraten ein Abgabe in Höhe von 0,1 bis 0,2 Prozent auf alle unbaren Geldtransaktionen (z. B. Banküberweisungen) einführen und diese Einnahmen als Sockeleinkommen an alle EU-Bürger auszahlen.

Weitere Informationen zum Grundeinkommensbeschluss der Piratenpartei finden Sie im Modul 5 (Arbeit und Soziales) des Textes Massiver Wahlprogrammantrag.

2 Kommentare

Henrik Wittenberg schrieb am 15.05.2013, 11:28 Uhr

Piratenpartei und Grundeinkommen – vom Kurs abgekommen?

Aktuell findet im Netz wiedereinmal eine rege Debatte über die Beschlüsse der Piratenpartei zum Grundeinkommen auf ihrem letzten Parteitag in Neumarkt statt. Dabei reiben sich manche an dem Begriff »Sockeleinkommen« und an einem Statement von Parteichef Schlömer zur Höhe und Ausgestaltung dieses Vorschlages[1].

Es wäre mit Sicherheit hilfreich in der Diskussion um das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) und die Piratenpartei, wenn man sich in Gedächtnis rufen würde, dass die Piratenpartei bereits seit 2010 zwei Passagen zum BGE sowohl in ihr Grundsatzprogramm als auch in ihr aktuelles Wahlprogramm aufgenommen hat.

Weiter unter:

http://bgekoeln.ning.com/profiles/blogs/piratenpartei-und-grundeinkommen-vom-kurs-abgekommen

Guenter schrieb am 26.05.2013, 11:53 Uhr

Ein Grundeinkommen kann nicht den Arbeitszwang aufheben, denn dies ist der Zwang, den sich jede/r selbst auferlegt. Wenn es jedoch keine Sanktionen gegen Erwerbslose mehr geben soll, was die Piratenpartei fordert, gäbe es ein Grundeinkommen ohne Zwang zur fremdbestimmten Aufnahme einer Tätigkeit, ein guter erster Schritt, denn der Wegfall der Sanktionen ist der Kern des Grundeinkommens. Wird als zweiter Schritt die Höhe des Grundeinkommens (also des sanktionsfreien ALG II) definiert, wäre dies ein bedarfsabhängiges Grundeinkommen und käme dem Ideal des bedingungslosen Grundeinkommens schon sehr nahe. Für die engültige Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle will die Piratenpartei eine Untersuchungskommission einsetzen und falls eine solche schon tagt, muss diese nur intensiviert werden. Ein bedingungsloses Grundeinkommen kommt nie wie z. B. eine Währungsumstellung zu einem Stichtag.

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