Umfrage: Regelsatz müsste 811 Euro statt 446 Euro betragen

    Ronald Blaschke 13.11.2021 Druckversion

    Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Paritätischen Gesamtverbandes zeigt: Das für den Lebensunterhalt als nötig erachtete Einkommen liegt weit über den Regelsätzen bei Hartz IV und den anderen Grundsicherungen. Statt 446 Euro müssten es monatlich netto 811 Euro sein. Das ist der Durchschnitt aus den Antworten auf die Frage: „Was glauben Sie, wie viel Geld benötigt eine erwachsene alleinstehende Person pro Monat insgesamt, um den Lebensunterhalt zu bestreiten? Damit sind Ausgaben z. B. für Lebensmittel, Strom, Körperpflege, Kommunikation und Kleidung, nicht aber für Miete gemeint.“

    Nimmt man dies zum Maßstab, wären auch die Vorschläge der Parteien und Wohlfahrtsverbände (u. a. des Paritätischen Gesamtverbandes) für höhere Regelsätze für Alleinstehende viel zu gering. Denn sie sehen Regelsätze in der Höhe zwischen 557 und 658 Euro vor (vgl. Tabelle).

    Die Höhe von 811 Euro nähert sich dem von mir anhand einer Alternativerhebung der Fraktion DIE LINKE ermittelten Regelsatz von ca. 860 Euro (vgl. Blaschke 2021). Addiert man zu einem Regelsatz in dieser Höhe (über 800 Euro) die durchschnittlich benötigten Ausgaben für eine Wohnung (ca. 500 Euro), so kommt man in etwa auf den Betrag der Armutsrisikogrenze der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (1.364 Euro, Jahr 2018). So hoch wäre dann die Grund-/Mindestsicherung bzw. ein Grundeinkommen, weil es alle notwendigen Kosten abdecken soll. Das schlösse die große Armutslücke von heute weitgehend.

    Die Frage ist, ob die Parteien und Wohlfahrtsverbände die Ergebnisse der Mindesteinkommensbefragung auch ernst nehmen und ihre niedrigen Regelsatzforderungen revidieren.

    Foto: pixabay

    4 Kommentare

    Till Uhlmann schrieb am 15.11.2021, 09:59 Uhr

    Die Gesundheitsversorgung ist dabei nicht berücksichtigt, die auch erhebliche Kosten verursacht. Wenn diese eingeschlossen ist, ist das eine seriöse Neuberechnungsgrundlage für Grundeinkommen/Grundsicherung/Mindesteinkommen/Pfändungsfreibetrag die von der Regierung zeitnah umgesetzt werden sollte.

    [Anm. d. Red.: Im Beitrag wird ausdrücklich der Nettobetrag genannt. Beiträge zur Kranken-/Pflegeversicherung werden durch die Träger der heutigen Grundsicherungen übernommen und an die Versicherung überwiesen. Bezüglich der Ausgestaltung eines Grundeinkommens gibt es vollkommen verschiedene Ansätze bzgl. der Sozialversicherungen. Das ist aber nicht Gegenstand des Beitrages.

    Gerhard Seedorff schrieb am 15.11.2021, 10:37 Uhr

    Umfragen kann man vielleicht vor und für Wahlen nutzen und selbst da kommt es letztlich oft anders!

    Das Grundeinkommen sollte rein wissenschaftlich individuell für die unterschiedlichen Lebenslagen der Menschen jährlich neu berechnet werden, damit es jeder als gerecht empfinden kann.

    Daraus lassen sich dann Kohorten bilden, wobei das Alter eine große Rolle spielen dürfte und die Wirtschaftsgemeinschaft zu der der Einzelne gehört und vielleicht auch das Geschlecht.

    Wohnung, Verkehr, Gesundheit und Bildung sind Aufgaben der Gemeinde in der der Einzelne wohnt und an die er seine Steuern zahlt. Die Gemeinden können dann Landes- und Staatsregierungen bilden, um ihre Interessen untereinander zu regeln, wie z. B. die Zahlung eines Grundeinkommens.

    Schon heute sind die Gemeinden verpflichtet den Obdachlosen eine Wohnung zu geben und die deutschen Gemeinden haben problemlos innerhalb eines Jahres 1 Million Emigranten untergebracht, gesund erhalten und mit Bildung versorgt.

    Es geht also! oder: Wir schaffen das!

    Holger Roloff schrieb am 01.12.2021, 13:20 Uhr

    Ich beobachte und vermute, dass abgesehen von der aktuellen Inflation, die Kosten 2021/2022 noch nichtmal damit gedeckt wären. Das verraten mir schon einfache Alltags-Beispiele. Selbst beim Billig-Discounter PENNY kostet hier in Hamburg sowas banales wie eine einfaches Streuselschnecke 1,65 €., obwohl die nur aus den superbilligsten Zutaten wie Mehl und Industriezucker als absolute Massenware besteht. Von hochwertigen Gütern oder gar Kultur ganz zu schweigen. Will man wenigstens einmal im Jahr ins Kino, um einen der groß angekündigten Blockbuster zu sehen, was ich 2019 vor hatte, wurden an der Kasse durchaus mal locker 16 € verlangt. Hallo - ich will den Film doch nur ansehen - nicht als DVD kaufen. Oder kriegt man die dann gleich mit ausgehändigt? War leider nicht so.

    Ein normales Leben mit kultureller Teilhabe, selbst auf unterstem Niveau, war also hier auch vor der Corona-Krise schon nicht mehr möglich. Pi mal Daumen bräuchte man Minimum 1.500 € (Miete + Nebenkosten + Regelsatz) um wenigstens einigermaßen vernünftig leben und nicht nur ums nackte Überleben kämpfen zu müssen - ohne kapitalistische Finanzierungsvorbehalte. Genau das Lretztere ist mit \"bedingungslos\" beim Begriff BGE eigentlich gemeint - und nicht dass es keine Bedingungen dafür gäbe. Das wird leider oft falsch verstanden. 1500 € - alles andere wäre nicht auf Höhe der Zeit...und die rennt unserer Gesellschaft weiter davon und verschärft die Probleme. Warum liest man Herrn Scholz so simple Alltagswahrheiten nicht mal vor?

    Der Grundfehler unserer Politik besteht in der Ignoranz gegenüber der seit den 1970er Jahren existierenden und wachsenden Krise der Arbeitsgesellschaft. Der Zeitaufwand zur Produktion von Gütern sinkt durch die Technisierung stetig. Das ist gut belegt. Arbeit und Einkommen müssen deshalb grundsätzlich getrennt voneinander betrachtet werden. Die theoretischen Grundlagen (s. Ortlieb \"Ein Widerspruch aus Stoff und Form\") sind seit langem bekannt (vgl Exit! Homepage). Unsere Regierungen ignorieren das bislang und laufen der Realität hinterher. Das wird schief gehen, so oder so.

    Marianne Habersetzer schrieb am 02.12.2021, 21:52 Uhr

    Da stellt sich mir die Frage, wie ich es jeden Monat schaffe, mit zur Zeit 951 € Rente, überhaupt zu überleben? Davon muss ich ALLES bestreiten, Auch die GEZ Gebühren, die bei HartzIV wegfallen ...

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