Bund der Deutschen Katholischen Jugend beschließt umfangreiches Dokument zum Grundeinkommen

    Ronald Blaschke 14.05.2023 Druckversion

    Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) ist schon längere Zeit Mitglied im Netzwerk Grundeinkommen. Auf seiner letzten Hauptversammlung Anfang Mai 2023 wurde ein umfangreicher Beschluss zum Grundeinkommen gefasst.

    Der Netzwerkrat des Netzwerks Grundeinkommen gratuliert zu diesem Beschluss!

    Der BDKJ ist der Dachverband von 17 katholischen Jugendverbänden. Er vertritt die Interessen von 660.000 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland. Mit dem Beschluss „Die Würde des Menschen ist bedingungslos – Für eine zukunftsfähige Gesellschaft“ geht ein gewichtiger Bündnispartner unseres Netzwerks in die Offensive. Der BDKJ wird sich nicht nur in den eigenen Reihen für ein solches Grundeinkommenskonzept engagieren, sondern auch in den Strukturen des Deutschen Bundesjugendrings und der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholischer Jugendsozialarbeit.

    Im Beschluss werden das Engagement fürs Grundeinkommen begründet, Eckpunkte des Grundeinkommens und weitere Arbeitsschritte festgelegt.

    Im Beschluss heißt es:

    „In unserem demokratischen Verständnis ist es unabdingbare Aufgabe des Staates den Bürger*innen, in jedweder Weise die Gestaltung würdevoller Lebensentwürfe und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Ein Grundeinkommen in unserem Sinne verdeutlicht die bedingungslose Anerkennung der Würde aller Menschen, die Wertschätzung aller Formen der gesellschaftlich notwendigen Arbeit sowie gleichberechtigter Teilhabe aller. Wenn wir im Weiteren von Grundeinkommen reden, meinen wir immer ein Grundeinkommen, das den folgenden Kriterien entspricht.

    • In einer zukunftsfähigen Gesellschaft darf niemand durch Armut von der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Wir brauchen daher für alle Menschen ein Einkommen, das existenzsichernd ist und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht.
    • Auf dieses Grundeinkommen haben alle Menschen einen individuellen Rechtsanspruch, unabhängig von der Form des Zusammenlebens. So werden Wahlmöglichkeiten eröffnet, zum Beispiel, ob Menschen bei ihren Eltern leben oder in eine eigene Wohnung ziehen möchten.
    • Ohne Zwang zur Arbeit oder anderen Gegenleistungen, kann jede*r frei entscheiden, wie er*sie sich in die Gesellschaft einbringen will. Unbezahlte Care-Arbeit, ehrenamtliches Engagement und Bildung sind für unsere Gesellschaft mindestens genauso wichtig wie Erwerbsarbeit.
    • Das Grundeinkommen wird ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt. Jede*r hat den gleichen Anspruch, unabhängig von Einkommen und Vermögen. Zur Finanzierung des Grundeinkommens werden Abgaben und Steuern herangezogen, die Vermögende stärker in Verantwortung nehmen.“

    Die Eckpunkte des Grundeinkommens-Konzepts des BDKJ lauten:

    Gleiche Höhe für alle

    „Das Grundeinkommen soll in gleicher Höhe für alle ausgezahlt werden. Kinder und Jugendliche erhalten ein Grundeinkommen in voller Höhe. […] Analog zu bisherigen Regelungen zum Sozialleistungsanspruch soll das Grundeinkommen an EU-Bürger*innen ausgezahlt werden, die seit mindestens fünf Jahren ihren ersten Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben. Für Asylbewerber*innen und geflüchtete Menschen wird das Grundeinkommen ebenfalls zur Verfügung gestellt.„

    Höhe und Auszahlung des Grundeinkommens konkret

    „Damit das Grundeinkommen langfristig armutsfest bleibt, soll sich die Höhe des Grundeinkommens dynamisch an einer regelmäßig aktualisierten Bezugsgröße orientieren. Konkret schlagen wir vor, die Höhe auf 60 Prozent des Medians des gewichteten Haushaltseinkommens, ermittelt aus dem sozio-oekonomischen Panel (SOEP), festzulegen. Im Jahr 2019 betrug das Median-Jahreseinkommen in der SOEP-Erhebung 24.037 €. Ein daraus abgeleitetes Grundeinkommen hätte eine Höhe von etwa 1.200 €. Um die Zeit bis zur Aktualisierung der Erhebung abzufedern, wird sie um einen Korrekturfaktor zum Inflationsausgleich ergänzt. Die Auszahlung erfolgt über eine negative Einkommenssteuer. Ab Volljährigkeit erfolgt die Auszahlung direkt an den*die Grundeinkommens-Empfänger*in. Für die Auszahlung des Grundeinkommens von Kindern und Jugendlichen muss eine Lösung gefunden werden, die direkt Kindern und Jugendlichen zugutekommt.“

    Solidarische Finanzierungselemente für das Grundeinkommen

    „Ein Grundeinkommen ist finanzierbar, es braucht nur den gesellschaftlichen, sozialen und politischen Willen dazu, alle am wirtschaftlichen Fortschritt zu beteiligen. Zur Finanzierung sollen verschiedene Einnahmen aber auch Einsparungen genutzt werden. Durch das Grundeinkommen ist eine Bedürftigkeitsprüfung nur noch bei sozialen Sicherungssystemen notwendig, die individuelle Hilfe in besonderen Lebenslagen bieten. Aktuell notwendige Prüfungen des Anspruchs auf Bürgergeld oder BAföG entfallen somit. Hier wird einiges an Verwaltungsaufwand eingespart. Zusätzlich zu den Steuern zur aktuellen Finanzierung der Sozialleistungen sollen weitere Abgaben herangezogen werden. Diese sollen so gestaltet sein, dass sie eine Umverteilung von reich nach arm gewährleisten und eine zukunftsorientierte Lenkungswirkung entfalten. Eine wichtige Säule der Finanzierung soll eine Wertschöpfungsabgabe sein, die neben den Gewinnen der Betriebe auch deren Wertschöpfung belastet. Die Abgabe der Arbeitgeber*innen in die Sozialkasse orientiert sich dann an dem geschaffenen Wert und nicht nur nach der Anzahl und dem Gehalt der Beschäftigten. Dadurch soll die Wertschöpfung, die durch Einsatz von Arbeitskräften erbracht wird, mit der Wertschöpfung durch Kapitaleinsatz und dem Einsatz von Maschinen und Technologie gleichgestellt werden. Als zusätzliche Einkommensquellen sollen eine Vermögenssteuer auf internationalem OECD-Niveau und eine erhöhte Erbschaftssteuer genutzt werden. Darüber hinaus erscheint eine Steuer auf Börsengeschäfte sinnvoll, deren Anwendung auf internationaler Grundlage realisiert werden sollte. Die Umsatzsteuer soll für Luxusgüter ab einem bestimmten Preisniveau, nach dem Vorbild anderer europäischer Länder, drastisch erhöht werden. Steuerfreibeträge, die nicht in persönlichen Notlagen begründet sind oder dem Gemeinwohl dienen, werden abgeschafft. Besonders sinnvoll erscheint die Streichung des Dienstwagenprivilegs.“

    Weitere Bausteine für eine zukunftsfähige Gesellschaft

    „Um unsere Vision einer zukunftsfähigen Gesellschaft zu bauen, sind ergänzend zum Grundeinkommen weitere Bausteine wichtig. Das Grundeinkommen behandelt alle gleich und ist daher kein Ersatz für die Sozialversicherung. Die Sozialversicherungssysteme sollen weiter gestärkt werden, um soziale Härten in besonderen Lebenslagen abzufedern. Dabei müssen Bedürftigkeitsprüfungen grundsätzlich umgebaut werden, sodass sie ausschließlich zur bedarfsgerechten Gestaltung von Hilfen genutzt werden. Damit es eine zukunftsfeste, gute und solidarisch finanzierte Gesundheitsversorgung und Pflege für alle gibt, fordern wir eine Ausweitung der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungspflicht auf alle. Für alle Versicherten soll auf alle Einkommensarten, nicht nur auf das Einkommen aus Erwerbstätigkeit, ein einheitlicher prozentualer Beitrag erhoben werden. Auch mit der Einführung eines Grundeinkommens wird die Erwerbsarbeit eine zentrale Rolle zur Sicherung des gesellschaftlichen, aber auch des individuellen Lebensstandards spielen. Wir halten daher an der Erwerbstätigenversicherung zur Sicherung des Lebensstandards bei Arbeitslosigkeit und im Alter fest. Da durch das Grundeinkommen bereits ein Sockel da ist, der vor Armut schützt, können die Beitragshöhe und Leistungen geringer ausfallen als im aktuellen System. Menschen, die ihre Erwerbstätigkeit verlieren, sollen für einen Zeitraum von zwei Jahren ein am bisherigen Einkommen orientiertes Arbeitslosengeld zusätzlich zum Grundeinkommen erhalten. Auf den Sockel des Grundeinkommens aufbauend fordern wir eine Rentenversicherung aller Erwerbstätigen. Arbeitnehmer*innen, Selbstständige und Beamt*innen sollen in die Rentenversicherung einbezogen werden. Außerdem muss ein Anspruch auf Wohngeld bestehen bleiben. Die Mietpreise sind vielerorts enorm gestiegen und die Mietspiegel unterscheiden sich von Region zu Region. Das Grundeinkommen allein kann das nicht abfedern und den unterschiedlichen Bedarfen gerecht werden.“

    „Teil einer feministischen Sozialpolitik muss auch weiterhin sein, dass geschlechterbedingte Lohnunterschiede konsequent bekämpft werden. Deshalb ist es unvermeidbar den Gender-Pay-Gap sowie den Gender-Care-Gap zu problematisieren und stattdessen geschlechtergerechte Mechanismen zu etablieren. Darüber hinaus sind der Ausbau und die Verbesserung der sozialen Infrastruktur (ÖPNV, Zugangsmöglichkeiten zu digitalen Räumen, Gesundheitswesen, Kinderbetreuung usw.), die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sowie die Weiterentwicklung der Bildung hin zu einer ganzheitlichen Bildung von hoher Relevanz. Für diese Aspekte muss es weitergehende Konzepte geben, damit eine zukunftsfähige Gesellschaft entstehen kann.“

     

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