BGE17-Tournee: Zwischenbilanz der Kampagne

Jörg Reiners 14.07.2017 Druckversion

Seit der BGE-Veranstaltung am 21. Januar 2017 in Bonn ist die BGE17-Tournee bundesweit unterwegs. Mittlerweile war sie bereits in acht Städten des Landes zu Gast. Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen und einen Ausblick zu geben.

Die Idee einer bundesweiten Grundeinkommenstournee entstand im letzten Jahr in Andernach am Rhein anlässlich einer überparteilichen Veranstaltung zum Thema Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE). Claudia Laux vom Grünen Netzwerk Grundeinkommen, Marion Morassi von der Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE, Gernot Reipen von den Sozialpiraten sowie Konstantin Thomopoulos, Grafiker und engagierter BGE-Befürworter aus Andernach, organisierten die Auftaktveranstaltung der Kampagne.

Die Veranstalter hatten viele Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Ausgestaltung und der Rahmenbedingungen eines zukünftigen Grundeinkommens. Vier Kriterien müssen erfüllt sein: individueller Rechtsanspruch; keine Bedürftigkeitsprüfung; kein Zwang zu Arbeit oder anderen Gegenleistungen; und Existenz sichernde und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichende Höhe. In Übereinstimmung mit den vier Kriterien des Netzwerks Grundeinkommen. Ebenso einig waren sich die Organisatoren, dass ein BGE nicht zur Demontage unseres Sozialstaates führen darf, wie es bei neoliberalen Entwürfen meist der Fall ist. Einig sind wir uns darüber, dass ein BGE nicht die soziale Verantwortung unseres Staates überflüssig machen darf. Der Sozialstaat mit seinen solidarischen Errungenschaften, wie Renten-, Pflege- und Krankenversicherungen muss bestehen bleiben und weiter ausgebaut werden [1].

Die Veranstaltung in Andernach fand Zustimmung bei allen Beteiligten. Das Programm mit kurzen Impulsreferaten, einer gemeinsamen Mittagspause, dem anschließenden World-Café unter dem Motto “Besucher fragen – Referenten antworten” und einer Abschluss-Runde wurde durchweg positiv aufgenommen. Einziger Kritikpunkt: Die Art der überparteilichen BGE-Veranstaltung sollte fortgeführt und weitere Gruppen, die diesen Ansatz teilen, mit einbezogen werden.

Diesen Wunsch nahmen sich die vier Gründungsmitglieder der BGE17-Tournee zu Herzen. Gute Kontakte zu BGE-Gruppen im Rheinland führten dann zum ersten „offiziellen“ Tournee-Auftakt im Januar in Bonn. Im DGB-Haus Bonn konnte bereits eine siebenköpfige Rednerliste aus unterschiedlichen Organisationen, Initiativen und Arbeitsgruppen aus Parteien präsentiert werden. Über achtzig Personen aus Bonn und Umgebung waren der Einladung gefolgt. Die lokale Presse berichtete.

Noch im gleichen Monat stellte Gernot Reipen dieses Konzept einer gemeinsamen partei- und organisationsübergreifenden BGE-Veranstaltung beim Runden Tisch des Netzwerks Grundeinkommen in Köln vor. Seitdem besteht das Organisationsteam der BGE17-Tournee aus gleichberechtigten Mitgliedern der AG „Genug für Alle“ von Attac Deutschland, des Grünen Netzwerks Grundeinkommen, der LAG Grundeinkommen DIE LINKE NRW, der BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE, der Piratenpartei, der Partei DIE VIOLETTEN und des Arbeitskreises Humanökologisches Grundeinkommen der ÖDP.

Der Aufruf “Ein Bedingungsloses Grundeinkommen – Ein Gewinn für Alle” der BGE17-Tournee fand schnell Zustimmung innerhalb der BGE-Community. So war es möglich, in kurzer Zeit Austragungsorte für die BGE17-Kampagne in ganz Deutschland zu finden. Und noch immer gehen bei den Organisatoren Anfragen zu Veranstaltungen in weiteren Orten ein, sodass der Terminkalender schon über den Wahltag im September 2017 hinausreicht.

Mittlerweile sind gut vierzig Referierende aus unterschiedlichen Initiativen, Organisationen und Parteien zu Gast auf den BGE17-Veranstaltungen gewesen [2]. Dabei wurde deutlich, wie breit die Diskussion über ein Grundeinkommen in unserer Gesellschaft angekommen ist: von Gewerkschaftern, Kunstschaffenden, kirchlichen Organisationen bis hin zu engagierten Bürgerinnen und Bürgern reicht das Spektrum.

Bisheriger Höhepunkt der BGE17-Tournee war die Veranstaltung am 24. Juni 2017 im Kolpinghaus in Aachen. Hier hatten sich neun BGE-Referierende angemeldet [3].

Wie lässt sich die große Zustimmung und breite Unterstützung erklären?

Vielen BGE-Befürwortern und -Aktivisten ist mittlerweile klargeworden, dass die Umsetzung eines emanzipatorischen Grundeinkommensmodells nur mit vereinten Kräften gelingen kann. Ebenso wurde deutlich, dass sich die politischen Rahmenbedingungen, die parallel mit der Einführung eines BGE einhergehen sollten, bereits klar innerhalb der BGE-Szene abzuzeichnen beginnen. Nicht nur die eingangs erwähnten Forderungen finden eine breite Zustimmung bei den Veranstaltungen, auch die Forderung, dass ein BGE allen Menschen in Deutschland, ohne Ausnahmen, zugebilligt werden sollte.

Es sind aber auch die persönlichen Kontakte, die fruchtbaren Gespräche während und am Rande der Veranstaltungen, die zu diesem “Hype” geführt haben. Dazu kommt die immer breitere Informationsstreuung und Resonanz in den sozialen Netzwerken. Man beginnt über die BGE17-Tournee zu reden, auch z.B. im Internetradio [4, 5].

Immer wieder haben die BGE17-Aktivisten an ihrem Konzept gefeilt. Von Tourneestation zu Tourneestation wollten sie sich verbessern. Sie mussten jedoch feststellen, dass, was in A funktioniert hat, noch lange nicht in B auch funktioniert. War es zu anspruchsvoll, „nur“ aufklären zu wollen? Waren die Veranstaltungen zeitlich zu lang und inhaltlich zu schwierig? Schwächer besuchte Veranstaltungen haben die Organisatoren immer mal wieder zweifeln lassen; besser besuchte sie aber mitnichten in Euphorie versetzt.

Um das gemeinsame Ziel der BGE-Aktivisten zu erreichen, nämlich eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung für ein Grundeinkommen zu gewinnen, muss noch mehr geschehen! Nach wie vor wird die BGE17-Tournee von den sogenannten Leitmedien des Rundfunks, Fernsehens und der Presse mit nur wenigen Ausnahmen nicht beachtet. Fehlt hier möglicherweise der „Promi-Faktor“? Gleichzeitig muss es in naher Zukunft gelingen, aus der politischen Forderung zu einer politischen Bewegung zu kommen, wie seinerzeit die Friedens- und Anti-Atombewegung. Dazu sind aber alle aufgefordert. Das BGE nur aus einem Elfenbeinturm heraus zu fordern, ist halbherzig und bleibt unglaubwürdig.

Deshalb, WIR ALLE sind gefordert. Die Zeit ist reif für ein BGE!

Infos zur BGE17-Tournee mit Videodokumentationen sind unter www.bge17-tournee.blog abrufbar.

Quellenangaben:

[1] https://bge17tourneeblog.files.wordpress.com/2017/03/x3_bge_tour_flyer_297x210_p6_3.pdf

[2] https://bge17-tournee.blog/willkommen/untergeordnete-seite/

[3] https://bge17-tournee.blog/willkommen/untergeordnete-seite/

[4] http://piratesonair.de/2017/06/01/talkrunde-bei-pirates-on-air-bge/

[5] https://bge17-tournee.blog/radiobeitraege-hannover/

4 Kommentare

Gerhard Seedorff schrieb am 26.07.2017, 15:59 Uhr

Es ist gut, dass per Zwischenbilanz nochmals auf die BGE17-Tournee hingewiesen wird.

Leider fehlt, vielleicht aus Konkurrenzgründen der Hinweis, dass die BGE-Partei an dieser Vor-Bundestagswahl-Veranstaltung nicht teilnehmen darf, obwohl - wie von mir bereits wiederholt erklärt - nur Wählerstimmen für die BGE-Partei eindeutig als Stimmen für die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens von einer künftigen Regierung gewertet werden müssen.

Alle Stimmen für andere Parteien müssen leider für das Grundeinkommen als verloren angesehen werden, weil bisher alle unsere Parteien nach der Wahl erfahrungsgemäß leider alles andere tun als das, was sie vor der Wahl versprochen haben. Aber haben die Vorstände der Tournee Parteien überhaupt etwas versprochen?

[...]

Jörg Reiners schrieb am 27.07.2017, 16:09 Uhr

Nur kurz zur Erklärung: Die bei der Organisation der Kampagne BGE17 beteiligten Personen lehnen in erster Linie über Konsumsteuern finanzierte Grundeinkommensmodelle ab. Die Macher von BGE17 legen großen Wert auf Elemente der Umverteilung und einen Ausbau des Sozialstaates. Das Bündnis Grundeinkommen hat da ein weiteres Spektrum.

Ich halte es auch nicht für richtig, daß nur Stimmen für das Bündnis Grundeinkommen keine verlorenen Stimmen sind. Das Bündnis bräuchte inhaltlich unterstützende Kräfte der anderen Parteien, um in den Parlamenten überhaupt etwas bewirken zu können.

Und mit Verlaub, es gibt auch andere wichtige politische Felder. Hier ist meines Erachtens das Bündnis Grundeinkommen eine zu riskante Wundertüte.

Sabine Heißner schrieb am 29.07.2017, 11:56 Uhr

Ich war unangenehm überrascht, als ich von dieser Tournee erfuhr. Mir fehlte die Information in der Planungsphase. Der Gedanke ist wirklich gut und ihr habt die Chance verpasst, alle Initiativen ins Boot zu holen.

Aber das Bündnis Grundeinkommen bügelt diese Lappalie ja wunderbar aus.

Ihr solltet das BGE wählen zur #btw.

Bernhard Meisel schrieb am 01.09.2017, 11:11 Uhr

Beim aktuellen WAHL-O-MAT zur Bundestagswahl, These Nr.37 sprechen sich ÖDP, Grüne und Linke nicht für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus. Schade, dass das Bündnis Grundeinkommen als riskante Wundertüte bezeichnet wird und von der BGE17-Tournee ausgeschlossen ist. Es hat sich klipp und klar für ein bedingungsloses Grundeinkommen ausgesprochen!

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