Grundeinkommen besser als John Maynard Keynes (1883-1946)?

Ady Faber 14.08.2010 Druckversion

Auch bei der jetzigen Krise wurden auf dieser Grundlage diesseits und jenseits des Atlantiks viele hundert Milliarden Euro/Dollar von den Staaten bereitgestellt. Viele empfehlen auch heute noch das gleiche Rezept. Was in den 30er Jahren richtig war, muss aber nicht auch heute richtig sein.

Zwei Annahmen liegen dem Keynes’schen Ansatz zugrunde, die oft übersehen werden:

  1. Die Geldmittel, die der Staat aufnimmt, um solche Arbeiten zu finanzieren, müssen zu einem späteren Zeitpunkt an den Markt zurückgezahlt werden, samt Zinsen. Damit die Rechnung aufgeht, dürfen also nur solche Arbeiten durchgeführt werden, welche bei gegebenem Zinssatz auch rentabel sind;
  2. Über die Löhne, die bei der Ausführung der Arbeiten verdient werden, gelangt ein Teil dieses Geldes in den Konsum, damit so die Konjunktur wieder angekurbelt wird. Hier interveniert also die unelastische Natur des Arbeitsangebotes: ohne Arbeit kein Brot!

Zur ersten Annahme ist zu bemerken, dass angesichts der Zustände die sich bei den in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Staaten offenbaren, berechtigte Zweifel angebracht sind, ob das vom Staat ausgegebene Geld auch tatsächlich in rentable Projekte fließt. Was die zweite Annahme angeht, gibt es doch einen kürzeren Weg, das vom Staat zur Verfügung gestellte Geld in den Konsum einfließen zu lassen, nämlich den direkten, über die Konsumenten selbst.

Es würde aber am Ziel vorbeilaufen, solches Geld nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen. Es sollte vielmehr ein System geschaffen werden, das den Bürgern/innen die Gewähr bietet, dass sie nicht tiefer fallen können, als einem würdigen Menschenleben in seinem/ihrem Umfeld entspricht, egal was im Leben passiert. Um die Wirtschaft zu beleben, kommt es vor allem auf die positiven Erwartungen des Einzelnen gegenüber der Entwicklung der Konjunktur an. In den EU-Staaten ist das Risiko des Arbeitsplatzverlustes heute schon weitgehend abgesichert. Sämtliche Sozialausgaben dieser Art sollten zusammengefasst und nach folgendem Prinzip ergänzt werden: Freie Wahl zwischen ‚Arbeiten‘ und ‚Freizeit genießen‘, mittels eines angemessenen Grundeinkommens.

Ein ähnliches System wurde bereits von Milton Friedman (1912-2006) unter dem Namen Negative Income Tax vorgestellt. In den USA hat es seit Mitte der 60er Jahre eine Reihe regional verschiedener experimenteller Anwendungen gegeben, welche von verschiedenen Instituten, begleitet und dokumentiert wurden. Der Erfolg war jedoch begrenzt, hauptsächlich aus zwei Ursachen: Die Höhe des Sozialtransfers war zu niedrig angesetzt, somit wurde der existenzielle Zwang zur Arbeit beibehalten. Außerdem: Es war nie eine negative Einkommensteuer, die potenziell alle bei geringem Einkommen hätten beziehen können. Sondern sie war nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen gedacht.

Demgegenüber würde ein System der Absicherung von der Wiege bis zum Grab mittels eines angemessenen Grundeinkommens für alle dem Menschen ungeahnte Entfaltungsmöglichkeiten eröffnen: von der Freiheit, diejenige Bildung zu wählen, die seinen Wünschen und Talenten entspricht und nicht den vermeintlichen Berufsaussichten, über die freie Wahl der Beschäftigung, ob höher oder weniger hoch entlohnt, bis hin zur völligen Abschirmung gegenüber negativen Marktentwicklungen. Der Staat hätte dafür zu sorgen, dass bei guter Konjunktur Reserven geschaffen würden, die in schlechten Zeiten zur Verfügung stünden.

Da die Privatsphäre durch das Grundeinkommen abgesichert wäre, brauchte der Staat kein Geld mehr in die Wirtschaft zu pumpen, um einer negativen Konjunktur entgegenzuwirken. Marode Unternehmen brauchten nicht unterstützt zu werden, bloß um Arbeitsplätze zu retten. Solche Unternehmen könnten ohne weiteres marktgerecht saniert werden, ob durch Umstrukturierung, durch Übernahmen oder schlicht über Konkurs.

Damit würde der Missstand beendet, dass manche Unternehmen deshalb zu „moral hazard“ neigen und exzessive Risiken akzeptieren, weil sie sich darauf verlassen können, vom Staat gerettet zu werden (‚too big to fail‘). Auch ihnen drohte dann die natürliche „Strafe“ des Scheiterns auf dem Markt. Allerdings muss ein gesetzlicher Rahmen dafür sorgen, dass Unternehmen mit branchenübergreifender Bedeutung, die systemische Risiken darstellen, genügend durch Eigenkapital abgesichert sind.

Auf dem Arbeitsmarkt wird die neu geschaffene Elastizität des Arbeitsangebots sicherlich zu höheren Löhnen führen. Dies mag nicht jedem passen, es würde aber auf diese Weise dem seit den 80er Jahren festgestellten ungerechten Auseinanderklaffen der Einkommens-Schere endlich Einhalt geboten werden: Laut Wikipedia ist das Einkommen der unteren 20% der Haushalte in den USA von 1970 bis heute real um etwa 15% gestiegen, dasjenige der oberen 5% aber um 68%! (Siehe dazu auch diesen Beitrag bei Telepolis.)

Kurz, durch das Kappen der festen Bindung von Einkommen an die Arbeit mittels eines garantierten Grundeinkommens in angemessener Höhe würde ein völlig neues Umfeld geschaffen, das aber mit der freien Marktwirtschaft voll kompatibel bleibt. Die sich dadurch einstellenden neuen Verhältnisse würden vielen Kritiken des kapitalistischen Marktsystems entgegenkommen, die ansonsten dazu neigen, einem Neo-Kommunismus oder irgendwelchen religiösen Sekten Vorschub zu leisten. Die Finanzierung eines Grundeinkommens in dem vorgeschlagenen Rahmen dürfte kein Problem darstellen, angesichts der in der EU günstigen Ausgangsposition sowie der enormen Summen, die in der jetzigen Wirtschaftskrise von den Staaten zur Stabilisierung des Finanzsystems und einzelner Unternehmen eingesetzt wurden und die hätten eingespart werden können.

Der Autor

Ady Faber, Dipl.-Ing. und Master in Financial Economics, ist Luxemburger und schreibt für verschiedene Medien. Seine Interessengebiete sind Politik, Wirtschaft, Umwelt und Familie.
Kontakt: adolphe[at]pt.lu

2 Kommentare

max meer schrieb am 04.09.2010, 03:20 Uhr

Liebe Leser

Der Autor ist ein Träumer, seine Begeisterung für ein bedingungsloses Grundeinkommen ist schön, überraschend seine Schlußfolgerungen: \"Damit würde der Missstand beendet, dass manche Unternehmen deshalb zu „moral hazard“ neigen und exzessive Risiken akzeptieren, weil sie sich darauf verlassen können, vom Staat gerettet zu werden (‚too big to fail‘). Auch ihnen drohte dann die natürliche „Strafe“ des Scheiterns auf dem Markt - OK. Allerdings muss ein gesetzlicher Rahmen dafür sorgen, dass Unternehmen mit branchenübergreifender Bedeutung, die systemische Risiken darstellen, genügend durch Eigenkapital abgesichert sind.\"

Wie, der Staates muss im Falle des systemischen Risiko das Eigenkapital absichern? Wie bitte? Das ist exakt die Definition von \'too big to fail\' wenn der Staat sich gezwungen sieht per Steuerscheck der Firma Eigenkapital bereitzustellen (Jedem nach seinem Bedürfnis - das ist Kommunismus, halt nur für systemrelevante Großfirmen). Aber jetzt erklär mir jemand wo hier der Zusammenhang zum bedingungslosen Grundeinkommen besteht?

Der Staat hätte dafür zu sorgen, dass bei guter Konjunktur Reserven geschaffen würden, die in schlechten Zeiten zur Verfügung stünden. Er träumt den Traum den scheinbar alle in den westlichen Ländern träumen, wohl aus Angst vor dem Erwachen, der Traum wir wären nicht bereits seit langem bankrott (Was ein Grundeinkommen nicht ausschließt, die Menschen werden weiter essen wollen, nur kann es nicht aus einem Topf bezahlt werden, der zerbrochen ist). Es wird ein Erwachen geben, nur keine Eile, ein paar Jahre oder Monate wird dieser Traum noch zu träumen sein, wer schon wach ist und Zahlen checkt, weiß bereits - it\'s over. Egal lassen wir sie schlafen.

Bei einem Punkt wird er sich aus Sicht der Griechen, Spanier, Letten, Rumänen, .... wohl verträumt haben: Dass in Europa heute das Risiko des Arbeitsplatzverlustes weitgehend abgesichert ist, gut dass die die Seite nicht lesen, sie könnte sich verhohnepipelt fühlen.

Menschenliebe ist eine wunderschöne Sache, jedoch sie zur Grundlage von Artikeln zu machen ist der Versuch Kompetenz durch Güte zu ersetzen. Bei geträumten oder phantasierten Krankheiten ist dies als ärzliche Methode vielversprechend, im Falle einer Bilddarmentzündung der sichere Tod.

basserstaunt max

Reinhard Börger schrieb am 10.09.2010, 09:03 Uhr

Es ist gerade eine Stärke des Beitrags, dass der Autor wagt, zu träumen. Durch Korrekturen am bisherigen System werden wir unsere Probleme doch nicht lösen; aber trotz dieser Probleme wird unsere bisherige Wirtschaftsweise meistens unhinterfragt akzeptiert.

Dass der Staat für die Absicherung der Unternehmen durch Eigenkapital sorgt, heißt noch lange nicht, dass er diese Absicherung selbst vornimmt. Er kann auch den Unternehmen Sanktionen androhen für den Fall, dass sie das nicht tun. Ich frage mich allerdings, ob das überhaupt nötig ist. Das BGE sorgt dafür, dass niemand bei einem Konkurs ins Bodenlose fällt; auch die Chancen, eine neue Stelle zu finden, dürften sich durch das BGE verbessern.

Güte und Kompetenz sind keine Gegensätze; erstere bezieht sich auf die Ziele, letztere auf die Mittel. Dass heute oft mit mehr oder weniger Kompetenz versucht wird, die Konjunktur am Laufen zu halten, während das Ziel der Gerechtigkeit immer weiter aus dem Blickfeld gerät, ist doch skandalös.

Einen Kommentar schreiben

Erforderliche Felder sind mit * markiert.
Bitte beachten Sie die Regeln für die Veröffentlichung von Kommentaren.