Konkurrenz für Wahl-O-Mat – teils ebenfalls mit Grundeinkommen

Herbert Wilkens 14.09.2013 Druckversion

„Bundeswahlkompass“ und „ParteieNavi“ sind weitere Instrumente, um spielerisch die eigene Entscheidung bei der anstehenden Bundestagswahl zu überprüfen. Beim Bundeswahlkompass ist eine Frage nach dem bedingungslosen Grundeinkommen dabei.

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Wissenschaftler der Freien Universität Amsterdam und der Universität Bamberg haben in Zusammenarbeit mit dem „Tagesspiegel“ einen „Bundeswahlkompass“ entwickelt. Er ist parteipolitisch unabhängig und kann dazu beitragen, die politische Position des Nutzers im Parteienspektrum zu ermitteln. Basis sind die Programme der acht Parteien, auf die vermutlich die meisten Stimmen entfallen werden: CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne, Linke, Piraten, AfD und NPD.

Die Forscher haben aus diesen Programmen 30 Feststellungen herausgefiltert (bei Wahl-O-Mat sind es 38) und fragen nach der Meinung des Nutzers, und zwar auch nach der Intensität der Zustimmung bzw. der Ablehnung. Position 5 lautet: „Ein bedingungsloses Grundeinkommen soll eingeführt werden.“ (Bei Wahl-O-Mat wird das eingeschränkt auf „in Deutschland“.) Überdies können freiwillig zusätzliche Angaben gemacht werden, die in anonymisierter Form für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden sollen. Wer will, kann sich auch zu Nachfragen per E-Mail bereit erklären.

Das Ergebnis ist eine einfache Grafik, die mit zusätzlichen Informationen unterlegt ist. In einem zweidimensionalen Koordinatensystem (wirtschaftlich links bzw. rechts und sozial progressiv bzw. konservativ) wird der eigene Standort angezeigt. Das Beispielbild zeigt diesen als roten Punkt, umgeben von einem Bereich, der die Streuung der eigenen Wertungen anzeigt. Diese Beispielgrafik ist übrigens das Ergebnis fiktiver Präferenzen, die oft recht widersprüchlich sind. Ein echter Selbstversuch zeigt sehr weitgehende Übereinstimmung mit den Ergebnissen des Wahl-O-Mat-Programms.

Das Programm „ParteieNavi der Universität Konstanz funktioniert ähnlich wie der Wahl-O-Mat, und die Ergebnisse sind ebenfalls sehr ähnlich. Auch dieses Programm dient teilweise wissenschaftlichen Zwecken. Die Frage nach dem Grundeinkommen fehlt.

Wozu das alles? Zunächst einmal: Der spielerische Unterhaltungswert, den diese interaktiven Internetseiten bieten, ist nicht zu verachten – siehe dazu auch „Der große Test der Wahl-O-Maten“ im „Freitag“, wo man auch einen Hinweis auf den satirischen National-O-Maten nicht entbehren muss.

Darüber hinaus gibt es durchaus ernst zu nehmende Aspekte. Die „Wirtschaftswoche“ hat dazu Ergebnisse einer wissenschaftlichen Analyse zusammengetragen.

  • Den Test nutzen vor allem diejenigen Wähler, bei denen die Wahrscheinlichkeit der Wahlbeteiligung ohnehin besonders groß ist: Junge, gut Gebildete und politisch Interessierte. Also sei die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich Nichtwähler zur Wahlbeteiligung motivieren lassen.
  • Die meisten politisch Interessierten wollen ihren Standpunkt lediglich überprüfen, nicht erst neu bilden.
  • Nur etwa 10 Prozent der Nutzer haben ein geringes politisches Interesse. Die Hälfte von diesen will sich Rat für die eigene Entscheidung holen.
  • Zwei Drittel der Nutzer gaben an, das Ergebnis habe ihren Erwartungen entsprochen. Der Wahl-O-Mat kann bei der Mobilisierung der Parteianhänger helfen, es wird mit bis zu 10% möglichem Stimmengewinn gerechnet.
  • Hingegen stimmt ein unerwartetes Ergebnis die Nutzer kaum für eine andere Partei um.

Es ist offensichtlich, dass die Entwickler einem aktuellen Trend folgen: Es ist in Mode, komplizierte Sachverhalte zu einfachen Rankings zu verdichten. Welche Stadt ist am attraktivsten? Welche Frau ist weltweit am einflussreichsten? Welcher Orchesterdirigent ist der beste? Der Unsinn dieser Fragen ist offensichtlich, und dennoch sind sie beliebt. In der Wissenschaft sind sie sogar bisweilen eindeutig schädlich, wie wissenschaftlich nachgewiesen wurde, z.B. von Soziologen oder Ökonomen. Das wird nun beim Wahl-O-Maten und seinen Geschwistern kaum zu befürchten sein, aber manche Schwäche ist doch deutlich. So kann es nicht befriedigen, wenn der „Bundeswahlkompass“ das komplette Politikbündel nur in den Dimensionen „wirtschaftlich links oder rechts“ und „sozial progressiv oder konservativ“ abbildet. Wo bleiben moralische Werte, die Verantwortung für die Zukunft, Prinzipien der Erziehung usw.? Überdies bleibt im Dunkel, wie denn diese Ergebnisse berechnet werden. Nur ein Beispiel: Anscheinend wird es als „sozial progressiv“ gewertet, wenn man für das Adoptionsrecht von gleichgeschlechtlichen Paaren oder für eine strengere Genehmigungspraxis bei Waffenexporten stimmt.

Fazit: Unterhaltung durch Politik – die meisten Talkshows haben dieselbe Berechtigung. Den Grundeinkommensbefürworter freut, dass dieses Thema auch mal wieder vorkommt.

2 Kommentare

Waldemar schrieb am 20.09.2013, 18:52 Uhr

Auch beim Wahl-O-Mat Konkurrenten auf plakos.de wird nach der Meinung zum bedingungslosen Grundeinkommen gefragt: http://www.plakos.de/bundestagswahl-2013-parteien-test-sehr-beliebt.html. Allein in den letzten 2,5 Std. haben 280 Menschen den Test durchgeführt.

Martin Mantner schrieb am 21.09.2013, 09:14 Uhr

Ja, es führt kein Weg daran vorbei, dass sich früher oder später alle Parteien mit dem BGE befassen und das Konzept ernsthaft prüfen. Etwas spielerischer geht der folgende Artikel mit dem Thema BGE um: https://www.freitag.de/autoren/lee-berthine/manni-der-schaffer

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