Das Grundeinkommen in theologischer Sicht
In der Diskussion um das Grundeinkommen wird immer wieder auf das allen Überlegungen zugrunde liegende Menschenbild verwiesen. Bei meinem Kurzreferat konzentriere ich mich auf diesen Gesichtspunkt des Menschenbildes. Die ökonomischen, die steuerrechtlichen, die konjunkturpolitischen Aspekte werden andere erörtern. In der Tat ist aber die Theologie herausgefordert zur Auseinandersetzung, wenn sich Veränderungen in Gesellschaft und Wirtschaft ergeben, die mit einem veränderten Menschenbild zu tun haben.
I. Geht die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen von einem illusionären Menschenbild aus?
Bei dem Grundeinkommen für alle geht es ja nicht nur um die Sicherung des Grundeinkommens. Es geht vor allem darum, Arbeit und Erwerbstätigkeit voneinander zu trennen. Die Frage stellt sich ganz konkret: Ob auch Menschen, denen ein bedingungsloses Grundeinkommen gezahlt wird, dann noch motiviert sind, Arbeit zu erbringen. Ich glaube, dass man, aufs Ganze gesehen, diese Frage positiv beantworten kann. Da ist einmal die beeindruckende Tatsache, dass viele Bereiche, die lebensnotwendig sind für jeden Einzelnen von uns und für das Überleben unserer Gesellschaft, bereits heute durch ehrenamtliche Arbeit wahrgenommen werden.
Schon jetzt ist dieses ja ein deutlicher Hinweis darauf, dass Menschen bereit sind, auch ohne Entgelt wesentliche Arbeit für die Gemeinschaft zu leisten. Neben der Ehrenamtlichkeit würde ich auch das Prinzip des Beamtendaseins in diese Nähe rücken. Sicher gibt es auch für jeden Beamten einen bestimmten Kanon verpflichtender Tätigkeiten, aber im Prinzip gilt hier bereits das System „garantiertes Grundeinkommen“ und nicht „Lohnzahlung entsprechend erbrachter Einzelleistung“. Wir als Pastoren und Kirchenbeamte bekommen ja, um es drastisch zu sagen, schon jetzt, so wie andere Beamte auch, unser Gehalt ausgezahlt, selbst dann, wenn wir es im Grunde nicht verdienen sollten. Im Gegenteil – das Beamtenwesen lebt davon, dass Beamte weit mehr tun als ihnen im Einzelnen vorgeschrieben wird! Nicht umsonst gilt es als erste Stufe zum Streik, wenn etwa Piloten oder andere gutversorgte Gehaltsempfänger „Dienst nach Vorschrift“ machen. Erwartet wird, dass nicht nur der Dienst nach Vorschrift, sondern weit darüber hinaus Dienstleistung erbracht wird. Und das ist nach meiner Erfahrung ja ein durchaus erfolgreiches Modell. Sicher wird es unter 30 Beamten immer eine Anzahl derer geben, die das System missbrauchen und die man mit Fug und Recht als faul bezeichnen darf, aber der weitaus größte Teil der mir bekannten Beamten arbeitet aus freier Motivation und weit über die Vorschrift hinaus aus Begeisterung für die Aufgaben. Möglicherweise auch um der Selbstverwirklichung durch Arbeit willen, um gesellschaftlicher Anerkennung willen, weil Leistung als solche in sich eine Motivation erbringt, oder auch, weil natürlich indirekt auch beim Beamten durch besonders qualifizierte Leistung eine Beförderung und damit ein Zuwachs an materiellem und ideellem Gewinn erfolgt.
Neben der Ehrenamtlichkeit und dem Beamtendasein kann man meines Erachtens auch das Kindergeld und vor allem die Rente und die Pension zum Vergleich heranziehen. Auch Kinder und Jugendliche erbringen, wenn man es mal genau betrachtet, einen erheblichen Anteil an sozialer Arbeit, sozialer Betätigung, sozialer Selbstverwirklichung, ohne dafür nach Bargeld zu schielen. Vor allem aber unsere Pensionäre und Rentner leisten auf der Grundlage eines gesicherten Grundeinkommens unverzichtbare Arbeit im Ehrenamt. Wenn es diese Erfahrung nicht gäbe, müsste man vielleicht erheblich vorsichtiger sein im Blick auf die Wahrnehmung von Arbeitsbereichen durch Menschen mit gesichertem Grundeinkommen. Aber auch das ist meine erste theologischen These: Der Mensch ist von Gott so geschaffen, dass er spürt, dass es nicht gut ist, wenn er allein ist – und das wird sich immer so auswirken, dass er sich auch sozial betätigen wird, dass er ein Verantwortungsgefühl in sich trägt für die Not und das Glück seines Nächsten und dass er in dem Maße, in dem er selbst angewiesen ist auf die Hilfe durch andere, auch bereit ist, anderen zu helfen.
Es ist ein anthropologisches Grunddatum, dass der Mensch ein geselliges Wesen ist, dass er sich selbst definiert in seinen sozialen Rollen und nicht etwa von einer unbestimmten existentiellen Substanz aus (die er zufrieden in der sozialen Hängematte schaukeln lassen möchte…). In solchen sozialen Rollen verwirklicht sich der Mensch und erfährt sich selbst – besonders dann natürlich, wenn er diese Rollen als ihm von Gott vermittelt versteht. Auf der anderen Seite hat jedenfalls die biblische und die reformatorische Anthropologie auch immer festgehalten, dass der Mensch – obwohl er angelegt ist auf Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe – diese Ideale auch immer nicht verwirklicht, sondern sie fundamental verwirkt und dass deshalb, um es theologisch zu sagen, das Gesetz als Antrieb und als Drohung unverzichtbar bleibt, damit der Mensch sich nicht in einem Leben ohne jede Anstrengung zu „verwirklichen“ sucht. Wichtige Stellen in der Bibel zeugen davon, z.B. im Ersten Buch Mose, dass nach der Vertreibung aus dem Paradies die Arbeit mühselig ist und im Schweiße des Angesichts verrichtet wird, dass Dornen und Disteln sie erschweren und dass sie eben auch als Fluch und nicht nur als Freude und lustvoll erlebt werden kann. Darum hat ja auch die Flucht aus der Welt der Arbeit z.B. ins Kloster oder in die Einöde der Wüste immer diese zwei Seiten gehabt, dass sie zwar einerseits asketisch verzichtet auf den Lohn von Arbeit, aber andererseits auch hedonistisch auf die Mühe der Arbeit als solche verzichtet. Luther hat nicht zuletzt deswegen die Klöster kritisiert, weil man sich hier auch bedienen lässt statt zu dienen, dass man die Drecksarbeit und die schwere Arbeit von anderen machen lässt, die man als Mönch nicht bereit ist zu tun.
Der Mensch ist nach Luther zwar angelegt auf Mitmenschlichkeit, so sagten wir, aber er wird dieser Anlage nicht gerecht – und es realisiert sich in ihm ein massiver Egoismus, ein in sich selbst Verkrümmtsein, das immer wieder die Predigt des Gesetzes nötig macht, damit der Mensch überhaupt seinen sittlichen Pflichten entspricht.
II. Die theologische Grundlegung einer Theorie der Selbstverwirklichung des Menschen durch Arbeit
Wenn Luther sich sein Leben lang gegen Werkgerechtigkeit, gegen den Einsatz von guten Werken zur Selbstverwirklichung des Menschen gerichtet hat, so muss man auch heute immer bedenken, dass er dies in erster Linie und strikt genommen nur für die Beziehung des Menschen zu Gott unterstrichen hat. In der Existenz vor Gott erscheine ich selber ganz und gar als der von Gott Beschenkte, Begnadete, Gerechtfertigte, der mit seinen eigenen sittlichen Leistungen in keiner Weise der Großzügigkeit seines Schöpfers entspricht – und darum in diesem Zusammenhang lieber davon schweigt.
Das schließt allerdings nicht aus, dass auch ein erlöster Christenmensch und gerade ein erlöster Christenmensch als Antwort auf die Liebe Gottes zu ihm Gutes tut und seine Liebe zum Nächsten realisiert. Es ist hier eine Struktur einer Beziehung zwischen Gott und Mensch gedacht, die sich natürlich auch auswirkt auf die Struktur der Beziehung zwischen den Menschen.
Denn Luther hat immer wieder eingeschärft, dass der Mensch sich nicht dadurch selbst gewinnt, dass er einzelne Möglichkeiten in sich selbst realisiert, sondern dass er durch den Glauben an dasjenige Bild, dass Gott selbst von ihm entworfen hat, zu sich selber kommt und seine Identität gewinnt. Dieses aber geschieht nicht durch eigenes Tun des Menschen, sondern allein durch Gottes Barmherzigkeit mit Hilfe des göttlichen Wortes, das das Medium der Vermittlung der göttlichen mit der menschlichen Perspektive ist. Für diese Beziehung zwischen Mensch und Gott gilt nun schon beim Apostel Paulus, aber erst recht in der reformatorischen Theologie, dass der Mensch für das Gelingen dieser Beziehung nichts tun kann, dass alle Begriffe aus der Welt der Arbeit hier fehl am Platze sind, dass es darauf ankommt, dem Wort der Verheißung zu glauben und nicht darauf, sich selber durch ethische Leistungen zu verwirklichen.
Diese Grundstruktur zwischen Mensch und Gott wirkt sich dann auch aus auf das Verhältnis des Menschen zu seinem Nächsten. Wenn Luther schreibt: Nur ein guter Baum kann gute Früchte bringen; ein schlechter Baum bringt schlechte Früchte – dann gilt das für den Menschen in seiner Existenz vor Gott, aber es gilt auch für den Menschen in seiner Existenz zum Nächsten. Man könnte das auch psychologisch formulieren und sagen: Nur ein geliebter Mensch ist in der Lage, Liebe weiterzugeben – der tut es dann aber auch. Das ist die Erfahrung, und insofern kann das christliche Menschenbild, das ja davon ausgeht, dass Gott gerade auch den einzelnen Menschen liebt, mit Recht davon ausgehen, dass der Mensch, auch wenn sein Einkommen nicht daran gebunden ist, trotzdem und gerade deswegen konstruktive gesellschaftliche Arbeit leistet.
Luthers Menschenbild ist insofern realistisch und trotzdem nicht pessimistisch, weil es ganz klar die Anteile von Egoismus und Selbstisolation erkennt. Luther bringt es auf die Formel: Simul iustus et peccator – zugleich Sünder und gerecht. Der Mensch ist ein Sünder und glaubt trotzdem daran, dass dieser Zustand durch Gottes Eingriff verändert werden kann und dass schon jetzt gegen allen Anschein, gegen alle Erfahrung gegenan dieses Urteil Gottes gewissermaßen vorweg genommen gültig ist, dass der Mensch eben nicht nur Sünder, sondern zugleich auch Gerechter ist.
Prüfen wir uns doch einmal selbst: Wo und wann haben wir uns beteiligt an freiwilligen Aktionen gesellschaftlich wertvoller Tätigkeit? Haben wir dabei aufs Geld gesehen? Haben wir andere Ziele verfolgt, möglicherweise auch solche, die mit dem vorgegebenen Grundziel gar nicht übereinstimmen? War das – aufs Ganze gesehen – auch ein ökonomischer Erfolg oder nicht? Ich denke, wir alle können auch verweisen auf Projekte im Rahmen der Jugendarbeit oder sonst im Rahmen ehrenamtlicher Tätigkeit, in der wir selber Regungen wie Neid und Geldgier und Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal unserer Nächsten überwinden mussten – oder überwunden hatten und darum beteiligt waren an relevanten Aktionen auf freiwilliger Basis zugunsten unserer Mitmenschen.
Es gibt noch einen anderen Punkt, wo religiöse Sprache und Erfahrung sich unmittelbar auswirken auf die Frage der Wahrnehmung auch nicht bezahlter Arbeit. Ich sagte schon, dass nach Luthers Glaubensauffassung – und die Protestanten stimmen darin überein – dass (letztenendes beim Apostel Paulus schon angelegt) der Mensch nicht nur etwa nichts tun kann für sein Verhältnis zu Gott, sondern im Gegenteil, dass Gottes Verhältnis zum Menschen eben immer schon feststeht und alles, was der Mensch tut, eine Reaktion darauf ist. Er kommt von dieser Akzeptation Gottes her und alles, was er tut, bekommt von daher seine Motivation und seine Stoßrichtung. Nur wenn es so ist, dass der Mensch in religiöser Hinsicht Gewissheit haben kann, dass er von Gott geliebt ist, dann erst hat er die innere Freiheit, sich auch bedingungslos seinem Nächsten zuzuwenden, und (jedenfalls subjektiv gesehen) ein Gedanke an die eigene Selbstverwirklichung oder den eigenen Vorteil, den man davon haben könnte, nicht primär auftritt. Im Glauben gerechtfertigt zu sein, Frieden mit Gott zu haben, ist die ideale Voraussetzung, um uneigennützige und gesellschaftlich wertvolle Arbeit zu leisten.
Luther hat im Rahmen seiner Zwei-Reiche-Lehre immer darauf hingewiesen, dass z.B. eine Mutter, die ihre Kinder aufzieht, oder ein Vater, der Verantwortung übernimmt für andere – dass sich in solchen Phänomenen der Schöpfer- und Erhaltungswille Gottes zeigt. Dass auf dieser Welt nicht alles drunter und drüber geht, dass es Ordnungen gibt, dass es Fürsorge gibt zwischen den Generationen und zwischen den Klassen: das alles ist ja nicht selbstverständlich. Nur – da, wo es gelingt, sah Luther den Schöpfergott im Hintergrund, dessen unendliche Liebe den Menschen dazu befähigt, auch unentgeltlich Arbeit zu leisten.
Die Bedeutung dieses theologischen Ansatzes wird umso klarer, wenn man einmal ganz kurz diese lutherische Position vergleicht mit dem, was Max Weber herausgearbeitet hat im Horizont der calvinistischen Ethik, die dann schließlich zur Bildung des modernen Kapitalismus geführt habe.
Max Weber zeigt, dass bei der den Calvinismus umtreibenden Lehre vom Syllogismus practicus religiöse Vorstellungen für die Bildung des modernen Kapitalismus eine ganz entscheidende Rolle gespielt haben müssen. Im Calvinismus steht die Frage der Erwählung, also die sog. Prädestination im Vordergrund. Bin ich von Gott erwählt zum ewigen Heil oder zum Unheil?
Für die Beantwortung dieser Frage gibt es ein Kriterium, nämlich, um es grob zu sagen, die Frage, ob ich hier auf Erden erfolgreich und tüchtig bin oder nicht. Das Streben nach Erfolg hatte also – gerade auch in Nordamerika, wo der Calvinismus sehr weit verbreitet ist – auch die religiöse Bedeutung, abzusichern, dass man von Gott erwählt ist. In diesem religiösen Streben nach Anerkennung durch Leistung war es begründet, dass sich eben als Ergebnis des Erfolges auch Kapital ansammelte. Nun kam aber zu dieser Anschauung eine zweite religiöse Triebfeder hinzu, und das war die Askese. Man brauchte zwar den Erfolg, um festzuhalten, dass man von Gott erwählt ist, man durfte den Erfolg aber nicht genießen und verbrauchen, denn man war ja ein Asket. Und die irdischen Güter dieser Welt hatten zwar die symbolische Bedeutung, sie durften aber nicht genossen werden. Und diese Mischung von Erfolgsstreben einerseits und Askese andererseits führte dazu, dass das Geld immer wieder re-investiert wurde und es so allmählich zur Häufung von Kapital, eben zum Frühkapitalismus kam. Das ist sehr kurz dargestellt, aber mir kommt es hier auch nur darauf an zu zeigen, wie bestimmte theologische Muster zu bestimmtem gesellschaftlichen Handeln führen.
Das ist im Luthertum anders: Von Luther gibt es Aussprüche wie: „während ich mein wittenbergisch Bier trinke, läuft das Evangelium um die Welt“. Er hat immer wieder auch die Struktur der Beziehung von Gott und Mensch angewandt auf irdische Verhältnisse. Er hat die Natur genossen und gepriesen. Er hat seine eigene Existenz herausgestellt als nicht von ihm selbst her begründet oder bereichert. Er hat letzten Endes auch das Sterben und den Tod nicht als Verhängnis, gegen das man gegenan arbeiten muss, gesehen, sondern hat sich in sein Schicksal in gewisser Weise ergeben. Und das hat natürlich zu einer ganz gelassenen Lebensführung geführt.
Dieser lutherische Grundansatz, dass man nicht durch Arbeit sich selbst verwirklicht, schon gar nicht vor Gott, hat andererseits dazu geführt, dass die weltlichen Berufe einen ganz hohen Stellenwert bekamen. Die Magd, die den Besen schwingt, sei Gott näher, als der Mönch, der um seiner selbst willen den ganzen Tag betet. Der Vater, der die stinkenden Windeln wäscht, tue ein gutes Werk Gottes, und das sei wichtiger als alle Möncherei. Der Fürst, der sein Land regiert, tue das im Namen und im Auftrag Gottes. Das alles sind Strukturen, die vom Menschenbild her es an sich als realistisch erscheinen lassen, wenn man davon ausgeht, dass gerade auch bei einem gesicherten Grundeinkommen die Arbeit nicht ausbleibt.
Nach Luther ist die Arbeit von Gott geboten. Es ist sein Schöpfer- und Erhalterwillen, dass die Menschen arbeiten. Schon im Paradies gab Gott Adam „zu schaffen, das Paradies zu pflanzen, bauen und bewahren.“ (vgl. Paul Althaus: Die Ethik Martin Luthers 1965, S. 105 ff) Die Arbeit ist Fluch und Segen zugleich, je nachdem, ob ich sie mit den Augen des Fleisches oder des Heiligen Geistes ansehe. Gott hat die saure Arbeit versüßt mit dem Honig seines Segens.
Gott begrenzt sein Gebot der Arbeit aber auch durch das Gebot zu ruhen. Neben der Arbeit hat Gott den Sabbath geboten. „Man dient Gott auch mit Ruhen, ja, mit nichts mehr als mit Ruhen.“ (WA, Briefe 5, 317, 40ff) Paul Althaus fasst seine Ethik Martin Luthers so zusammen: „Das Vermögen, wahrhaft mit Leib und Seele von den Sorgen zu ruhen, ist eine besondere Bewährung des Glaubens und ist mit dem Rechtfertigungsglauben verwandt. Mit seiner Schätzung des Ruhens hat Luther allem Vergötzen der Arbeit gewehrt.“ (S. 108)
Das ist ja eine der Hauptfragestellungen, die man notwendigerweise an das Konzept vom Grundeinkommen zu richten hat. Ob der Mensch müßig wird und faul, wenn er ein Grundeinkommen hat und wenn er nicht von äußerer Not getrieben ist, sich nach dem Erhalt des Grundeinkommens Gedanken zu machen über seine eigene Zukunft und die seiner Welt und Mitwelt.
Es entspricht auch eher dem christlichen Menschenbild, ein bedingungsloses Grundeinkommen anzubieten, als eine ausdifferenzierte Sozialhilfe, wo man bis in die Einzelanschaffungen von Behördengängen abhängig bleibt, wo mehr oder weniger vorgeschrieben ist, für was man das Geld auszugeben hat und für was nicht. Es ist das Selbstbestimmungsrecht der Empfänger von Grundeinkommen, das m. E. ungleich besser verwirklicht werden kann als bei einer kontrollierten Sozialhilfe. Es ist vor allen Dingen die Überwindung der Aufteilung der Gesellschaft in Verdienende und Sozialhilfeempfänger, die ja – wie wir alle wissen – für die Sozialhilfeempfänger mit einem großen Anteil von Scham und Versteckspiel verbunden ist. Es würde auch ein Beitrag sein zur Überwindung der Herabsetzung von nicht bezahlter Arbeit. Es ist ja doch paradoxerweise so, dass man in hohem Ansehen steht, wenn man Kinder anderer Familien erzieht, nicht aber, wenn man seine eigenen erzieht. Wenn man all die Handgriffe, die man im eigenen Hause tut, in fremden Häusern tut, dann ist man gesellschaftlich akzeptiert, dann hat man auch ein eigenes Einkommen. Tut man sie zu Hause, ist man „nur“(!) Hausfrau und das gesellschaftliche Image ist katastrophal. Dies hängt natürlich mit der stillen Ideologie zusammen, dass nur das etwas taugt, was auch bezahlt wird. Wenn aber ein großer Teil oder der Gesamtteil der zu leistenden gesellschaftlichen Arbeit getrennt wird vom Einkommen, dann dürfte dieser gesellschaftliche Spalt recht bald überwunden sein. Dann arbeitet jeder nach seinen Fähigkeiten, und auch der, der bisher keine Arbeit hat, auch der Jugendliche und der Alte, sind gleichberechtigt und aufgenommen in ein viel größeres Umfeld, einen viel größeren Raum, aus dem sie vorher ausgeschlossen waren.
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass das christliche Menschenbild ein gesichertes Grundeinkommen nicht ausschließt. Die ethische Begründung der Arbeit bleibt bestehen unabhängig von dem Zusammenhang von Erwerbstätigkeit und Arbeit.
Referat von Bischof Dr. Hans Christian Knuth, Schleswig, am 8. November 2007 auf einer Tagung des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA) in Hamburg
2 Kommentare
Toll, dass Sie sich als Bischof mit dem Thema Grundeinkommen beschäftigen. Haben Sie zu dem Thema schon einmal gepredigt?
Interessant finde ich vor allem den Bezug auf Beamte und Seelsorger. Die theoretisch, theologischen Begründungen sind mir zwar etwas fremd, aber die geschilderte Wirkung von Religion und Moral auf allgemeine Lebensentscheidungen (am Beispiel Calvinismus) finde ich sehr interessant.
Die Christen mit ihrem unbändigen Barmherzigkeitsdrang sehe ich als großes Potential für ein bedingungsloses Grundeinkommen an. Dabei ist der von Herrn Knuth aufgezeigte Zusammenhang von Calvinismus und Grundeinkommen interessant. Arbeitsethos und Askese der Calvinisten schließen ein Grundeinkommen, dass man nur mit Askese durchstehen kann, genau so ein wie das Ethos, dass auf gesellschaftliche Nützlichkeit und nicht auf Geldgier und Großmannssucht ausgerichtet ist. Deshalb stellt Herr Knuth richtig fest, dass Calvins und Luthers Lehren keinen Widerspruch zum bedingungslosen Grundeinkommen darstellen und gleichwohl Anforderungen an die Lebensart in der der heutigen Gesellschaft sind.