Urheberrecht in der digitalen Krise: Grundeinkommen als Ausweg?

Patrick Wehner 15.04.2015 Druckversion

„Circonflexe“ von Sauerlaender Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0Circonflexe“ von Sauerlaender Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0

Beim ABC des Freien Wissens im Wikimedia-Salon in Berlin ging es um die Aktualität des Urheber­rechts im Internet, die prekäre Lebens­situation vieler Künstler­Innen und um das Grund­ein­kom­men als mögliche Antwort auf die neue kultur­politische Schief­lage.

In Diskussionen über das Grundeinkommen taucht immer wieder das Thema Arbeit auf. Würden Menschen überhaupt weiter­arbeiten, die Zeit an ihrem Arbeitsplatz reduzieren oder sogar mehr arbeiten, vielleicht in einer für sie sinnvolleren Tätigkeit? Nicht wenige Menschen haben sich für einen Beruf entschieden, in dem sie aus ihrer Sicht Sinnvolles tun, der in der Öffentlichkeit aber immer wieder als nutzlos dargestellt wird: Kunst. Unter den Begriff fällt die bildende Kunst genauso wie alles, was mit Musik oder Literatur zu tun hat. In den wenigsten Fällen sind die Kreativ­schaffenden fest angestellt. So ist ein weit verbreitetes  Problem, dass die Arbeit, die sie leisten, nicht angemessen bezahlt wird. Das verwundert, denn vom Gesetz her gibt es Instrumente wie das Urheberrecht, auf dessen Basis künstlerisches Arbeiten existenzsichernd entlohnt werden sollte. Dafür gibt es Verwertungs­gesellschaften wie die GEMA oder die VG-Wort, die als Mittler zwischen Kreativen und Unternehmen dafür sorgen, dass auch die Kreativen am Profit beteiligt werden. Durch neue Formen der wirtschaftlichen Verwertung kreativer Inhalte im Internet haben sich die Rahmen­bedingungen in den letzten Jahrzehnten aber noch einmal geändert.

Dies hat der deutsche Ableger der gemeinnützigen Wikimedia-Stiftung zum Anlass genommen, die aktuelle Diskussion ums Grundeinkommen mit der um das Urheber­recht und die prekäre Situation von Kunst­schaffenden zu verbinden. Ende März wurden deshalb ProtagonistInnen der verschiedenen Themenfelder eingeladen, um im Rahmen des Wikimedia-Salon zum Buchstaben G die Frage zu diskutieren, ob das ein Grundeinkommen die Antwort auf die digitale Krise des Urheberrechts sein kann.

Im Folgenden wird die grundlegende Argumentation kurz vorgestellt, die vollständige Veranstaltung kann hier noch einmal ganz angesehen werden.

Das Urheberrecht schützt die Ergebnisse geistigen Schaffens als Pendant zum Patent und zum Markenschutz in der Wirtschaft. Damit soll gesichert sein, dass Kreativ­schaffende mit der Nutzung ihrer Werke durch Unternehmen Geld verdienen können. In seinem 2014 erschienen Buch “Grundeinkommen statt Urheberrecht” kritisiert Ilja Braun den Nutzen dieses Rechts, da sich mittlerweile die Rahmen­bedingungen der kommerziellen Verwertung geändert hätten, nicht aber die Verteilung der Profite.

Zwar sei Kreativität zu einem wesentlichen Produktiv­faktor geworden, mit dem Unternehmen eine Menge Geld verdienen, Kreativ­schaffende würden aber nicht ausreichend an den Gewinnen beteiligt; ihre existenzielle Absicherung sei nicht garantiert. Plattformen wie Youtube oder Musik-Streaming-Dienste wie Spotify verdienten Geld nicht mehr nur mit der Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte, sondern mit dem Handel von NutzerInnendaten, mit Verlinkung, sowie mit dem Herstellen von Kontakten und Verbindungen. Mit den Werken Kreativer werde so jenseits vertraglicher Regulierung sehr viel mehr Profit gemacht.

Da Kunst­schaffende an diesem erweiterten Wert­schöpfungs­prozess nicht angemessen beteiligt werden, schlägt Braun das Grundeinkommen als mögliche Antwort vor. Es solle das Urheberrecht nicht ersetzen, aber als Ergänzung dazu die finanzielle Absicherung Individuen ermöglichen, ohne Existenzangst schöpferisch produktiv zu sein.

Adrienne Goehler engagiert sich seit Jahren auch in politischen Ämtern für die Kultur und veröffentlichte 2010 zusammen mit Götz Werner das Buch “1.000 Euro für jeden: Freiheit – Gleichheit – Grundeinkommen”, eine allgemeine Übersicht mit vielen Beispielen zu Geschichte, Finanzierungs­modellen und Umsetzungs­varianten. Sie bestätigt die Probleme Kreativschaffender. Goehler zufolge interessiert sich kaum jemand für gut ausgebildete KünstlerInnen, bei denen die Angst ums finanzielle Überleben zudem viel Energie binde. Ähnlich wie Ilja Braun weist Adrienne Goehler darauf hin, dass sich Erwerbsarbeit verändert hat und viele Menschen von ihrem Einkommen nicht leben können. Sie betont, dass ein Grundeinkommen nicht das Ende der Arbeit wäre, sondern ein Schritt zu ihrer Veränderung, zur Verschiebung der Zeit, die zur Verfügung steht. Weiterhin könne es unseren Konsum verändern und damit erst zur wirklichen Grundlage für Nachhaltigkeit werden, da große Teile des derzeitigen Konsums stressbedingt erfolgten.

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des deutschen Kulturrates, sieht das Grundeinkommen als bloße Ausweich­möglichkeit. Auch er erkennt, dass Künstler für die Arbeit, die sie leisten, nicht angemessen entlohnt werden, hält es aber für erstrebenswert, dass sie für ihre Arbeit gut entlohnt werden. Er will die Markt­verhältnisse zugunsten von Kreativschaffenden ändern, verteidigt aber auch ein protestantisches Arbeitsethos. Außerdem hält er die bestehenden Instrumente der Sozialhilfe für eine zivilisatorische Errungenschaft, an der es festzuhalten gelte. Auch bezweifelt er den Titel der Veranstaltung, der das Urheberrecht in einer digitalen Krise verortet.

Dem widerspricht Michael Bohmeyer von “Mein Grundeinkommen“, da durch neue Software und neue Entwicklungen im Internet neue Nutzungs­formen entstünden. Mit der Verbreitung von Digitaldruckern zum Beispiel könne sich jeder alles nach bestimmten Bauplänen ausdrucken – die Einhaltung des Urheberrechtes könne dabei kaum noch kontrolliert werden. Genauso stünden ArbeitnehmerInnen in Zeiten der Digitalisierung und Automatisierung in Konkurrenz zu Maschinen, was langfristig gesehen zu einem Abbau von immer mehr Arbeitsplätzen führe. Grundeinkommen sei eine sinnvolle Gegenstrategie im Sinne der Trennung von Arbeit und Einkommen.

Ein weiteres Argument für die digitale Krise seien die im Unterschied zur industriellen Produktion sinkenden Grenzkosten: Während die Produktion eines Stiftes stets mit wiederkehrenden Grenzkosten verbunden ist, kostet die Verbreitung eines Youtube-Videos durch Klicks so gut wie gar nichts. Mit genügend Aufmerksamkeit kann es Werbe­einnahmen generieren, ohne Kosten zu verursachen, da der Speicherplatz auf Servern sehr gering ist.

Olaf Zimmermann nimmt dies als weiteres Argument dafür, dass die Distributionsformen das Problem seien, da es nichts daran ändere, dass ein Youtube-Video herzustellen der künstlerische Akt sei, die Videos abzurufen dagegen nicht. Als Reaktion auf diese Veränderung in den Bezahlströmen, die durch Plattformen wie Youtube im Internet entstanden sind, würde Ilja Braun eine Erhöhung von Steuern für solche Plattformen als sinnvoll erachten. Das Geld könne dann an die Kreativschaffenden verteilt werden, von denen die Unternehmen profitieren.

Für Bohmeyer sind viele Bestrebungen gegenwärtiger Sozial- und Kulturpolitik nur darauf ausgerichtet, Kapitalismusschäden zu reparieren – ein weiterer Grund für einen Wandel zum Grundeinkommen. Adrienne Goehler stimmt dem zu und ergänzt die ernüchternden Erfahrungen ihrer politischen Arbeit: Seit 40 Jahren versuche sie gleiche Voraussetzungen für Frauen und Männer  durchzusetzen, indem sie für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit kämpft. Damit betont sie das Potential des Grundeinkommens in der Gleichstellung der Geschlechter beim Einkommen, da es keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern mache.

Alle Beteiligten der Diskussionsrunde waren sich einig, dass das Urheberrecht unter den Rahmenbedingungen neuer Entwicklungen und Verwertungsformen auf dem digitalen Markt Kreativschaffende nicht angemessen  entlohnt. Während der Vertreter des Kulturrates die Marktbedingungen mit den gegebenen Mitteln verändern will, fordern die anderen das Grundeinkommen als Verknüpfung von Kultur- und Sozialpolitik, um Künstler sozial abzusichern. Ein Grundeinkommen solle das Urheberrecht nicht ersetzen. Es wäre aber eine Möglichkeit, die Kunst von den Regeln kommerzieller Verwertbarkeit zu befreien und es mehr Kreativen zu ermöglichen, auf gesicherter Existenzbasis künstlerisch tätig zu sein.

Neben der Thematisierung der Probleme Kreativschaffender wiesen die Diskutierenden aber auch immer wieder auf die Notwendigkeit hin, die Diskussion auf andere soziale Gruppen auszudehnen. Auch ihnen verschaffe ein Grundeinkommen mehr Freiheit in Lebens- und Arbeitsentscheidungen.

Bernadette La Hengst begleitete die Veranstaltung musikalisch und beeindruckte mit sozialkritischen Texten bei leicht eingänglichen Gitarrenklängen.

 

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Wikimedia

Wikimedia Deutschland ist Teil der gemeinnützigen Wikimedia-Stiftung, die sich für die Verbreitung freien Wissens einsetzt und Projekte wie Wikipedia betreibt. Die Diskussionsreihe Wikimedia-Salon findet seit März 2014 in unregelmäßigen Abständen in den Büroräumen des gemeinnützigen Vereins in Kreuzberg statt.

Eigenen Angaben zufolge unterstützt der Verein die Menschen, die sich an Wikipedia aktiv beteiligen, fördert Infrastruktur, Treffen und Workshops. Außerdem vergibt er Stipendien, ermöglicht Projekte und bietet technische Hilfe an. Dabei steht an allererster Stelle die Idee des freien Wissens, mit freiem Zugang für alle.

 

Adrienne Goehler

Die studierte Psychologin engagierte sich schon während ihres Studiums in verschiedenen bundesweiten und internationalen politischen Gremien. Sie war Präsidentin der Hochschule für bildende Künste und Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Neben beratenden Tätigkeiten u.a. bei der Heinrich-Böll-Stiftung und der Internationalen Frauenuniversität Hannover e.V.  ist sie derzeit als freie Publizistin und Kuratorin in Berlin tätig. Für das Musiktheaterstück mit dem Titel „Bedingungsloses Grundeinsingen“ stand sie zusammen mit Bernadette La Hengst und ihrem Chor auf der Bühne.

 

Michael Bohmeyer

Mit seinem über Crowdfunding finanzierten Projekt “Mein Grundeinkommen” versucht Michael Bohmeyer nun schon seit fast einem Jahr, Widerstände gegenüber einem Grundeinkommen abzubauen, indem er das Gedankenexperiment Realität werden lässt: Neun Menschen kommen derzeit ein Jahr lang in den Genuss von monatlich 1.000 Euro. Bohmeyer ist sich bewusst, dass der Ansatz allein schon wegen der beschränkten Dauer auf 12 Monate keinen wissenschaftlichen Anspruch haben kann. Dennoch will er mit dem Projekt Geschichten darüber erzählen, wie es den Menschen in einem Jahr ohne Existenzangst ergangen ist, um so mehr Vertrauen für ein Grundeinkommen zu schaffen.

 

Ilja Braun

Mit seinem Buch “Grundeinkommen statt Urheberrecht? Zum kreativen Schaffen in der digitalen Welt” hat Ilja Braun wichtige Argumente für das Grundeinkommen, aber nicht gegen das Urheberrecht in die öffentliche Debatte eingebracht. Im Buch vertritt er folgende grundlegende These, die keineswegs nur die Kreativwirtschaft umfasst: „Kreativität ist der wesentliche Produktivfaktor in einer zunehmend auf immaterielle Wertschöpfung ausgerichteten Ökonomie. Unternehmen erwirtschaften ihre Gewinne mit ‘Innovationen’ und ‘Ideen’.“ Damit geht es ihm um die grundlegende Frage, wie bei veränderter Produktionsweise existenzielle Absicherung zu garantieren ist. Ilja Braun war Volontär beim Verlag Kiepenheuer & Witsch und Redakteur beim Kölner Emons Verlag im Bereich Medienhandbücher, hat für den Perlentaucher, die Deutsche Welle, die Süddeutsche Zeitung, die WELT und viele andere Medien geschrieben sowie Romane und Sachbücher aus dem Englischen und Niederländischen ins Deutsche übersetzt. In der 17. Wahlperiode im Deutschen Bundestag hat er als Referent der Fraktion DIE LINKE. die Arbeit der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ begleitet. Derzeit ist er Redaktionsmitglied bei carta.info.

 

Deutscher Kulturrat e.V.

Der Kulturrat ist der Dachverband der deutschen Kulturverbände mit Sitz in Berlin. Er sieht sich in allen kulturpolitischen Angelegenheiten als Ansprechpartner für Politik und Verwaltung auf Bundes- und EU-Ebene. Ziel des Kulturrats ist es, bundesweit spartenübergreifende Fragen in die kulturpolitische Diskussion auf allen Ebenen einzubringen.

 

Olaf Zimmermann

Der gebürtige Limburger war Kunsthändler und Geschäftsführer verschiedener Galerien. Seit 1997 ist er Geschäftsführer des deutschen Kulturrats. Neben publizistischen Tätigkeiten war er in drei Legislaturperioden Mitglied verschiedener Enquete-Kommissionen des Deutschen Bundestags zum Thema Kunst, Kultur und Zukunft des bürgerlichen Engagements. Außerdem ist er Vorstandsmitglied des „Kulturforums der Sozialdemokratie“ und wurde 2015 in die Hauptjury des Deutschen Computerspielpreises berufen.

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