Lebensphasen- und gruppenspezifische Ansätze – Schritte zum Grundeinkommen?

Natalie Pavlovic 15.09.2012 Druckversion

Bericht vom BIEN-Kongress

Nach der Mittagspause ging es mit sehr unterschiedlichen Workshops weiter. Der Workshoptitel „Lebensphasen- und gruppenspezifische Ansätze“ ließ zwar vermuten, dass es sich eher um eine Diskussion aus soziologischer Perspektive handeln würde, dem war jedoch nicht so. Die Sprecherin der LINKEN Bundesarbeitsgemeinschaft Grundeinkommen, Katharina Messinger, und der grüne Bundestagsabgeordnete Wolfgang Strengmann-Kuhn stellten unterschiedliche, in ihrer jeweiligen Partei zur Diskussion stehende Überlegungen zum Grundeinkommen vor.

Katharina Messinger betonte in ihrem Überblick, dass innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vor allem eine Kindergrundsicherung priorisiert werde, mit der Kinder einen Zugang zur Bildung haben sollen, und echte Chancengleichheit im Bildungsbereich herrscht. Weitere denkbare Gruppen seien RentnerInnen und SchülerInnen bzw. Studierende. Jedoch könne man die Diskussion durchaus noch beispielsweise auf ein genderspezifisches Feld ausweiten oder aber auf Erziehungszeiten. Man denke hierbei über 500 € bis zu einem Alter von 15 Jahren nach, und darüber hinaus an eine monatliche Zahlung von 1000 €.

Mit einem anderen Modell des so genannten partiellen Grundeinkommens stieg anschließend Wolfgang Strengmann-Kuhn in den Ring. Sein partielles Grundeinkommen beläuft sich auf 500 €, ist also nicht existenzsichernd. Gleichzeitig stellte er gruppen- bzw. lebensphasenspezifische Modelle vor, die dieses partielle Grundeinkommen ergänzen könnten, wie beispielsweise Bildungsgeld und eine Garantierente. Hierbei würde man Garantieelemente nach dem Vorbild Schwedens in das jetzige soziale Sicherungssystem aufnehmen. Im Großen und Ganzen seien die Ansätze als Baukasten zu verstehen, welcher viele verschiedene Bausteine umfasse. So könne man zu einem befriedigenderen Zustand sozialer Absicherung gelangen.
Die ReferentInnen hielten es eher kurz mit ihren Inputs und gaben so den BesucherInnen frühzeitig viel Raum für eine kontroverse und fruchtbare Diskussion.

Das partielle Grundeinkommen stieß auch hier auf Kritik, da es nicht existenzsichernd sei und demnach nicht die durch ein Grundeinkommen entstehende Unabhängigkeit befördere. Könne wirklich Freiheit generiert werden, wenn die Kriterien eines bedingungslosen Grundeinkommens nicht erfüllt sind? Strengmann-Kuhn betonte erneut, dass es sich hierbei lediglich um einen Schritt in Richtung Grundeinkommen handle. Die gruppenspezifischen Ansätze hingegen, insbesondere die Kindergrundsicherung, stießen weitgehend auf offene Ohren. Als Schritte in Richtung Grundeinkommen seien die Vorschläge durchaus gute Ideen und auch praktizierbar.

Ein Impuls aus dem Publikum brachte zum Schluss noch auf den Punkt, dass, egal welches Modell man letztendlich favorisiere, eine neue Phase der Umverteilung von Einkommen und Vermögen beginnen müsse. Das sei die unbedingte Voraussetzung für die Umsetzbarkeit der Konzepte. Die negative Einkommenssteuer wurde abschließend auch noch diskutiert. Ein mögliches Finanzierungskonzept wurde ebenfalls angesprochen. Trotz der Komplexität dieses oder auch anderer Rechenmodelle müssten diese verständlich kommuniziert werden, sobald es um die konkrete Umsetzung geht.

Alles in allem eine aufgeweckte und vielseitige Veranstaltung mit Input zur Vertiefung wie auch fruchtbaren Gesprächen in einer Gruppe von ca. 25 BIEN-BesucherInnen.

Ein Kommentar

Veit schrieb am 17.09.2012, 12:47 Uhr

Ich halte ein vorerst partielles bzw. schrittweise sich etablierendes Grundeinkommen für praktikabler, weil unsere Gesellschaft überwiegend aus Vorsichtigen, Konservativen und Skeptikern besteht. Bei genug gesamtgesellschaftlichem Willen könnte man ein Grundeinkommen z. B. nach den Kriterien hiesigen Netzwerks einrichten, denn die Geldmengen, die in und um Deutschland zirkulieren, könnten den Finanzierungsbedarf mehrfach decken. Das lässt sich ohne weiteres nachweisen.

Ein partielles Grundeinkommen böte Möglichkeiten, je nach Gestaltung, es bspw. den unterschiedlichen Lebenshaltungskosten verschiedener Regionen anzupassen.

Dass Grundeinkommensbefürworter immer gleich Argumente haben sollen, wie man ein BGE denn genau finanziere, finde ich übertrieben, insofern als dass es reicht, die grundsätzliche Finanzierbarkeit nachzuweisen. Ich persönlich finde zukunftsweisend eine Finanztransaktionssteuer im einstelligen Prozentbereich und Steuern auf wertschöpfende Software, autonom produzierende und selbständig dienstleistende Computer-, Maschinen- und Robotersysteme, eine Steuer, die im Film Kulturimpuls Grundeinkommen kurz erwähnt wird.

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