Europas Linke – Neuanfang mit Grundeinkommen?

Ady Faber 16.02.2009 Druckversion

Nachdem Konservative und Rechts-Parteien zur Bekämpfung der Finanzkrise im sozialistischen Werkzeugkasten gekramt haben, dass es eine Lust war, wird es für die Linke schwer, sie in dieser Richtung zu überbieten. Schlimmer noch, die Bewältigung der Krise wird wohl einen solchen Berg von Staatsschulden hinterlassen, dass noch mehr Staat wohl nicht mehr verkraftet werden kann und der Staatsapparat eher abgebaut werden muss.

Da im Zuge der Finanzkrise auch viele Unternehmen Arbeitsplätze haben abbauen müssen, ergibt sich die Notwendigkeit, diese Arbeitnehmer gebührend zu schützen. Hierzu sollten die bestehenden Auffangmechanismen entsprechend den Prinzipien des garantierten Grundeinkommens (Basic Income) ausgebaut werden. Die Bezuschussung von Unternehmen zwecks Erhaltens von Arbeitsplätzen ist nämlich oft teurer als den freigesetzten Arbeitnehmern ein ausreichendes Grundeinkommen zu gewähren. Außerdem gibt es keine Garantie, dass der entsprechende Unternehmer die versprochenen Arbeitsplätze tatsächlich schafft oder erhält und diese nicht im Laufe der nächsten Rationalisierung oder bei einem eventuellen Konkurs doch vernichtet werden. Dann sind auch die Beihilfen verloren.

Das Motto muss also lauten: Freigesetzte Arbeitnehmer sollen wählen können. Entweder sie melden sich zur Umschulung, um weiterhin im Arbeitsprozess gute Chancen zu besitzen oder sie entscheiden sich, vorübergehend oder definitiv, in den Genuss des garantierten Grundeinkommens zu kommen. Zu einem solchen Grundeinkommen, das selbstverständlich an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten gebunden sein muss, gehören auch Sozialtransfers, nachweispflichtig oder nicht, z.B. für Grundbedürfnisse oder für Wohnung, Kindererziehung etc.

Grundsächlich sollte die seit dem Altertum für die meisten Menschen geltende unflexible Bindung der Existenzgrundlage an ein Arbeitsverhältnis endlich gekappt werden. Die Welt hat sich heute so weit entwickelt, dass dies ohne weiteres möglich sein sollte. Wenigstens in der europäischen Union gibt es in den meisten Mitgliedsländern sowieso Auffangmechanismen für Arbeitslose, denen jedoch immer noch der Beigeschmack eines Almosens anhaftet. Der Zugang zu diesen Mechanismen sollte vereinfacht werden, so dass diese dem garantierten Grundeinkommen sehr nahe kommen. Eine solche Maßnahme kostet kein Geld, so dass nur zu beweisen ist, dass die Finanzierung der neu hinzukommenden Nutznießer sichergestellt ist. Diesen Beweis zu erbringen, ist nicht schwer, übersteigt jedoch den Rahmen dieses Beitrages.

Ideal wäre es, wenn dieser innovative Gedanke zu einer neuen Politik der EU führen würde. Es handelt sich hier um den sozialen Bereich, der den Bürgerinnen und Bürgern der EU ganz besonders am Herzen liegt. Das Arbeitslosenproblem würde Europa-weit gelöst, besonders dem sozial schwachen Anteil der Bevölkerung würde gedient, die Rentenproblematik würde entschärft, kurz, dies käme einer sozialen Revolution gleich. Die Bürgerinnen und Bürger Europas würden durch ein soziales Band zusammengehalten.

Wenn ein Typ von Maßnahmen in der gegenwärtigen Finanzkrise greift, so sind das offensichtlich über Staatsgrenzen hinweg konzertierte Maßnahmen, also solche, die in einer möglichst großen Staatengruppe getroffen werden, denn die Finanzwelt ist global.
Der Versuch für die fortschrittlichen Parteien, sich In Richtung extrem linker Theorien à la Karl Marx zu bewegen, muss kläglich scheitern, denn die Mehrzahl der Mitglieder unserer Wohlstandgesellschaft tritt letztlich doch für Rechtssicherheit ein. Wer ein Haus besitzt, über ein vernünftiges Einkommen verfügt und sich der Verantwortung für die Zukunft seiner Familie bewusst ist, kann sich doch nicht für die Rückkehr der Planwirtschaft begeistern.

Das gesicherte Grundeinkommen hingegen bietet ein Modell an, das soziale Gerechtigkeit mit freier Marktwirtschaft vereint. Ein solches Modell könnte sowohl für das jeweilige Land, als auch für Europa und vielleicht für die Welt richtungweisend sein.

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Der Beitrag ist inspiriert von einem in der Financial Times vom 6. Januar 2009 erschienenen Artikel mit dem Titel: „Reinventing the European Left“

Der Autor

Ady Faber, Dipl-Ing und MA (Financial Economics), ist Luxemburger und schreibt für verschiedene Medien. Seine Interessengebiete sind Politik, Wirtschaft, Umwelt und Familie.
adolphe@pt.lu

3 Kommentare

Robert Bleilebens schrieb am 17.02.2009, 00:53 Uhr

Durch das BGE wird in der Tat Soziale Gerechtigkeit mit freier Marktwirtschaft verbunden. Und je mehr Marktwirtschaft (und damit mehr Wettbewerb), desto weniger Kapitalismus (Gewinnmaximierung). Denn im Wettbewerb hat derjenige die Nase vorn, der gute Qualität (=höhere Kosten!) zu niedrigen Preisen bietet. Dadurch wird die Gewinnspanne (= positive Differenz zwischen Nettoverkaufspreis und kostendeckendem Preis) an beiden Enden vermindert!

Sophie schrieb am 24.02.2009, 12:25 Uhr

ich stimme dem Beitrag \"Europas Linke – Neuanfang mit Grundeinkommen?\" im Großen und Ganzen zu. Meine Einschätzung ist, dass wir uns mitten in einer revolutionären Situation befinden, wobei ich keine Revolution im klassenkämpferischen Sinne meine, sondern einfach wahrnehme, dass in den letzten zwanzig Jahren schon eine ungeheure Umwälzung geschehen ist. Um nur zwei Beispiele zu nennen: die massenhafte Literatur über Mobbing als Ausdruck dafür, dass der Kampf Jeder gegen Jeden bereits fast ebenso entfesselt ist wie es \"der Finanzmarkt\" war (und bleibt?) und die merkwürdige Erscheinung, dass Unternehmer (und nicht die SPD und die Gewerkschaften mit Brand mit dem Slogan: Mehr Demokratie wagen) basisdemokratische Unternehmenskonzepte bereits praktizieren. (Piek Slieter, Brandeins, 11.Jahrgang, 01, 2009 Januar: Die ideale Welt)

Auch die Idee der Soziokratie ist nicht neu, aber ich glaube sie hat heute viel mehr Chancen sich wirklich als gesellschaftliches \"Projekt\" zu etablieren als vor 150 Jahren.

Um eines möchte ich Sie dennoch bitten: Ihr Satz \"Der Versuch für die fortschrittlichen Parteien, sich in Richtung extrem linker Theorien à la Karl Marx zu bewegen ...\" stößt mir ein wenig auf, denn mit Theorien sollte man sich gedanklich auseinandersetzen und dann entscheiden, ob eine Theorie zur Erklärung bestimmter Phänomene in der Welt taugt oder eben nicht. Dass heutzutage Finanzexperten sich mit Karl Marx auseinandersetzen, beweist mir, dass er Wirkzusammenhänge im Kapitalismus verstanden und sogar vorhergesehen hat, die sehr realistisch sind. Welche Konsequenzen wir aus einer Theorie in die Praxis übernehmen ist uns selbst überlassen.

Die \"extreme Linke\" mit Marx zu identifizieren ist nicht mehr stimmig. Marx ist viel zu vielschichtig, als dass man ihn auf seine von ihm in der historischen Situation gefällte Entscheidung reduzieren kann: Die Diktatur des Proletariats, das ist heute allerdings eine absurde politische Maxime und die meinen Sie ja, wenn sie Marx sagen.

Marx ist einfach nur ein verdammt kluger Kopf gewesen, der es ermöglicht, die Geschehnisse auf der Welt aus einer Perspektive zu betrachten, die gewisse von Politikern geäußerte Absuditäten, wie die Selbstheilungskräfte des Marktes, als sei der Markt ein selbstständiger biologischer Organismus und nicht ein Kulturprodukt des Menschen, oder der Begriff Humankapital, kritisch zu betrachten vermag.

Worum ich Sie also bitte ist, den Graben nicht immer wieder zu öffnen, den ich so in einer wie auch immer gearteten Linken zumindest nicht mehr zwangsläufig sehe, denn Marx selbst hat die Diktatur des Proletariats als eine zwar notwendige Übergangsphase angesehen und nicht als das Ende der Geschichte. Die Idee der Demokratie und die Idee des Sozialismus haben in ihren humanistischen Zielen sehr ähnliche Vorstellungen. Ich für mich sehe da überhaupt keine Kontroverse mehr, auch wenn ich sage, dass die Marxlektüre mir ein sehr wichtiger Lehrmeister war. Fortschrittliche Parteien sehe ich allerdings auch nicht mehr, sondern ich hoffe auf den Fortschritt der Bürger, die selbstbewusst ihre Anliegen in die Hand nehmen und sich mit basisdemokratischen Ideen in der Theorie auseinandersetzen und in die Praxis umsetzen. Das wird nicht ohne Reibereien zu verwirklichen sein und es wird vielleicht gesetzliche Veränderungen geben, aber ich persönlich sehe keine Linke (mehr), die den Rechtsstaat abschaffen will. Ganz im Gegenteil, den gilt es zu verteidigen, denn das Grundgesetz mutet heutzutage ja schon fast illusionär an, wenn man die Nachrichten von Bahn, Telekom und Lidl hört. Wir sollten uns verdammt noch mal nicht an solche Nachrichten gewöhnen!

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

Diesen im Grundgesetz formulierten Ideal näher zu kommen, wäre ein bGE gut.

krause schrieb am 17.03.2009, 20:44 Uhr

Am 27.3.09 wird ab 20 Uhr in der Hertestr. 6, in 12051 Berlin die erste Parteigründung zum Thema Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens stattfinden. All die vielen Initiativen, die Erfahrungen des Alltags in der Bundesrepublik haben uns überzeigt davon, dass die Zeit reif ist für diese politische Form einer sozialen Bewegung.

Stärkt dieser Partei den Rücken, die nur bis zur Erreichung dieses Zieles im Bundestag bleiben will, wendet euch an krausekunst@web.de

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