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Grundeinkommen in Südkorea?

Auf Einladung des Basic Income Korean Network (BIKN) nahm ich vom 27. bis zum 29. Januar 2010 am internationalen Grundeinkommenskongress an der Seouler Sogang University teil. Die von WissenschaftlerInnen, StudentInnen und Mitgliedern der Initiativen sozial Benachteiligter besuchten Kongresstage standen unter dem Motto „Basic Income for All!“ (Grundeinkommen für alle) und „Sustainable Utopia and Basic Income in a Global Era“ (Nachhaltige Utopie und Grundeinkommen in einem globalen Zeitalter).

Kongressprogramm

Das Kongressprogramm

Neben namhaften WissenschaftlerInnen und VertreterInnen von linken Parteien aus Südkorea sprachen und diskutierten auf dem Kongress u.a. aus Japan der Koordinator des Basic Income Japanese Network, Prof. Toru Yamamori, aus Belgien der Mitbegründer des Basic Income European (jetzt Earth) Network (BIEN), Prof. Philippe van Parijs, und aus Brasilien der Ehren-Kopräsident von BIEN, Senator Eduardo Suplicy.

Abschluss am Kongressabend

Kongressabend

Zu Beginn des Kongresses wurde eine gemeinsame Erklärung der Kongressteilnehmer verabschiedet. Die erstmalig veröffentlichte und autorisierte deutsche Fassung der Erklärung kann hier [1] nachgelesen werden.
Die Beiträge der hochkarätigen Teilnehmer des Kongresses finden sich hier [2] und hier [3] – allerdings lediglich in englischer und koreanischer Sprache (mehrere MB).

Die südkoreanischen Gastgeber interessierten sich insbesondere für die deutsche Grundeinkommensdebatte. Das ist nicht verwunderlich. Studierten doch bekannte Professoren aus Südkorea in Deutschland. Auch heute studieren viele Südkoreaner bei uns. Den GrundeinkommensaktivistInnen in Südkorea ist also bekannt, dass die Grundeinkommensdebatte in Deutschland weit fortgeschritten und vielfältig ist. Das Interesse an meinen Beiträgen war dementsprechend groß. Diese können hier nachgelesen werden: zur Grundeinkommensdebatte in Deutschland (englisch [4] / deutsch [5]), zum Unterschied von Grundeinkommen und Grundsicherung (englisch [6] / deutsch [7]), zum Grundeinkommen und freien Tätigkeitsgesellschaft (englisch [8] / deutsch [9]).

Für Südkorea kann ein Unterschied und eine Gemeinsamkeit hinsichtlich der deutschen Grundeinkommensdebatte festgestellt werden. Der Unterschied: Es gibt keinerlei Diskussion im bürgerlich-liberalen, auch nicht im marktliberalen Lager zum Grundeinkommen. Die Gemeinsamkeit: Die regierenden Parteien lehnen das Grundeinkommen ab. Linke in Südkorea sind bezüglich des Themas genauso gespalten wie in Deutschland – traditionelle Linke verschmähen, bekämpfen sogar die Idee, emanzipatorische Linke propagieren sie. Als einzige Partei generell in Südkorea wie auch im linken Spektrum Südkoreas vertritt die Socialist Party South Korea die Einführung des Grundeinkommens in ihrem Parteiprogramm. Hier [10] kann die autorisierte deutsche Fassung des programmatischen Abschnitts „Basic Income for All und Universal Welfare“ (Grundeinkommen für alle und universelle Wohlfahrt) zum Grundeinkommen nachgelesen werden – eine beachtenswerte Darlegung auch aus republikanisch-demokratischer Sicht. In einem Interview sagte Min Geum, der Präsidentschaftskandidat der Socialist Party: „Die Gleichheit aller als Staatsbürger und Gesellschaftsmitglieder muss nicht nur formell, sondern auch materiell abgesichert werden. Die Freiheit der Einzelnen beruht auf der materiellen Sicherheit, die jedem gleichermaßen gewährleistet werden soll.“ Daraus folgt für ihn zwangsläufig die Einführung eines Grundeinkommens. Das gesamte Interview mit Min Geum findet sich hier [11].

Min Geum und Ronald Blaschke im Seminar mit Wissenschaftlern, Gewerkschaftern und VertreterInnen der Sozialen Bewegungen

Min Geum und Ronald Blaschke im Seminar mit Wissenschaftlern, Gewerkschaftern und VertreterInnen der Sozialen Bewegungen

Der internationale Kongress in Südkorea hatte in der Zivilgesellschaft und in der linken Parteienlandschaft dieses Landes eine nachhaltige Wirkung. So gründete sich Ende April 2010 anlässlich der Kommunalwahlen ein Basic-Income-Bündnis. Es vereinigte im Mai 2010 bereits 51 Organisationen und rund 800 Einzelpersonen. Kurzfristiges Ziel dieses politischen Bündnisses war es, progressive Kandidaten während der Kommunalwahlen zu unterstützen. Langfristig besteht das Ziel, die Grundeinkommensbewegung in Südkorea voranzubringen. 29 Kandidaten der Sozialistischen Partei, der Neuen Fortschrittspartei und der Demokratischen Arbeiterpartei vertraten im Wahlkampf die Forderungen nach einem Grundeinkommen für Kinder, Senioren und Behinderte, nach einer gebührenfreien gesunden Schulspeisung und einem gebührenfreien öffentlichen Verkehrssystem. Die traditionell-gewerkschaftlich geprägte Demokratische Arbeiterpartei setzte „ihre“ Kandidaten, die dem Grundeinkommens-Bündnis angehörten, unter Druck, versuchte sie auch zum Verzicht auf die Kandidatur zu bewegen – in einem Fall sogar zugunsten der bürgerlichen Opposition. Das schlechte Wahlergebnis von durchschnittlich 3 Prozent zeigt, dass in Südkorea noch viel für das Grundeinkommen getan werden muss. Der Schritt zu einem überparteilichen politischen Bündnis ist daher ein richtiger.

Aber nicht nur im linken Spektrum zeigte der Kongress eine nachhaltige Wirkung: Das südkoreanische Grundeinkommensnetzwerk (BIKN) plant, sich für den 15. BIEN-Kongress 2014 in Seoul zu bewerben. Aus meiner Sicht ist das ein unterstützenswertes Vorhaben. Kann doch damit die Debatte und Bewegung zum Grundeinkommen nicht nur in Südkorea, sondern in ganz Ostasien, vielleicht sogar in ganz Asien befördert werden.

Zum Schluss ein Dank: Die OrganisatorInnen des Basic Income Korean Network hatten nicht nur einen interessanten Kongress mit vielen Gesprächsmöglichkeiten organisiert. Sie haben auch die deutsche Bewerbung um den 14. BIEN-Kongress (München 2012) beim letzten BIEN-Kongress in Sao Paulo / Brasilien unterstützt.

Diskussion mit VertreterInnen von Parteien

Diskussion mit VertreterInnen von Parteien

Gespräch beim Abendessen

Gespräche beim Abendessen

1 Comment (Open | Close)

1 Comment To "Grundeinkommen in Südkorea?"

#1 Comment By Markus On 08.09.10 @ 08:32

Sehr ermutigende Nachrichten. Besonders bemerkenswert finde ich die Unterstützung von GE-KandidatInnen quer durch verschiedene Parteien. Die Ergebnisse lassen sich dann in Prozent sogar extra darstellen (zusätzlich zu den Parteiergebnissen). Diese Methode erscheint mir wirkmächtig und könnte auch in Deutschland stärker Anwendung finden (zusätzlich zu den KandidatInnen, die sich hauptsächlich für’s GE einsetzen). Da das Wahlbündnis Unterstützung im Wahlkampf anbieten kann (AktivistInnen-Stunden, Öffentlichkeitsarbeit, Werbeveranstaltungen, usw.) wird zudem ein starker Anreiz für potentielle GE-BefürworterInnen gesetzt. Es scheint, dass es von Südkorea eine Menge zu lernen gibt. Besten Dank an Ronald für die Teilnahme und v.a. an die GastgeberInnen!