Was sagen die Wahlprogramme der Parteien zum Grundeinkommen?

Ronald Blaschke 17.08.2021 Druckversion

Was schreiben die Bundestagsparteien in ihren Wahlprogrammen zum Grundeinkommen? *

Die Wahlprogramme von CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP, AfD und DIE LINKE (Reihenfolge nach bisherigen Umfragergebnissen, Stand 16. August 2021) stehen auf dieser Website: https://www.bundestagswahl-2021.de/wahlprogramme/

Im Folgenden werden Aussagen und Nichtaussagen zum Grundeinkommen in den Wahlprogrammen der o. g. Parteien aufgeführt. Zudem wird auf mögliche Schritte hin zum Grundeinkommen hingewiesen. Dazu zählen zum Beispiel die Ausgestaltung der Grundsicherungen als sanktionsfreie und in Richtung einer existenz- und teilhabesichernden Absicherung (siehe dazu auch Blaschke 2021), deren personen- statt haushaltsbezogene Gewährung (Individualisierung, Abschaffung der Bedarfsgemeinschaft), auch deren Integration ins Steuersystem sowie die Nichtanrechnung anderer Einkommen wie Erwerbseinkommen oder Elterngeld auf die Grundsicherungen. Zu diesen möglichen Schritten hin zum Grundeinkommen zählt auch die Einführung einer eigenständigen Kindergrundsicherung mit einem integrierten Kindergrundeinkommen. **

1. Zusammenfassung

Keine der genannten Parteien fordert ein Grundeinkommen.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßen und unterstützen Modellprojekte zum Grundeinkommen. DIE LINKE will im kommenden Jahr einen Mitgliederentscheid zur Frage durchführen, ob das Grundeinkommen eine Forderung der LINKEN wird.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Drei Parteien (DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) plädieren für ein (partielles) Kindergrundeinkommen *** – wenn auch unter anderen Namen. DIE LINKE ist für ein Kindergrundeinkommen in Höhe von 328 Euro, die SPD in Höhe von ca. 250 Euro, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beziffert die Höhe nicht.

Weitere mögliche, grundlegende Schritte zum Grundeinkommen:

DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen Sanktionen abschaffen und die Grundsicherungen individualisieren (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schrittweise).

DIE LINKE setzt auf Existenz- und Teilhabesicherung sowie Abschaffung der Einkommensarmut durch eine Grundsicherung (Mindestsicherung, Mindesteinkommen) ungefähr in Höhe der Armuts(risiko)grenze.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen die Auszahlung der sanktionsfreien Grundsicherung schrittweise vereinfachen, indem sie ins Steuersystem integriert wird.

2. Analyse im Einzelnen (Auszüge aus Wahlprogrammen, Bemerkungen)

CDU/CSU

Aussage zum Grundeinkommen:

„Soziale Sicherheit in Deutschland soll nicht nur Armut verhindern, sondern jedem ein Leben in Würde ermöglichen. Dazu stehen wir. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wird es mit uns aber nicht geben.“

Aussagen zu Grundsicherungen:

„Die Anrechnung von Einkommen im SGB II wollen wir neu ausgestalten, um damit mehr Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung zu setzen und einen schrittweisen Ausstieg aus Hartz IV zu fördern.“

„Insbesondere Personen, die auf ein langes Arbeitsleben zurückschauen können, empfinden einen Wohnungswechsel bei Beantragung von Grundsicherungsleistungen als zutiefst ungerecht. Deshalb wollen wir vertraute Wohnsituationen schützen.“

„Wir wollen, dass Bezieher staatlicher Transferleistungen im Rentenalter grundsätzlich in ihrem Wohneigentum bleiben und eine angemessene Notlagenreserve als Anerkennung der Lebensleistung behalten können. Dafür sollen die gesetzlichen Regelungen zur Vermögensverwertung und zum Schonvermögen in der Grundsicherung im Alter angepasst werden.“

SPD

Aussage zum Grundeinkommen:

Keine Aussage

Aussagen zu Grundsicherungen:

„Die Grundsicherung werden wir grundlegend überarbeiten und zu einem Bürgergeld entwickeln. Unser Bürgergeld steht für ein neues Verständnis eines haltgebenden und bürgernahen Sozialstaats. Das Bürgergeld soll digital und unkompliziert zugänglich sein. Bescheide und Schriftwechsel sollen eine verständliche Sprache sprechen. Die Regelsätze im neuen Bürgergeld müssen zu einem Leben in Würde ausreichen und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen. Das Bürgergeld muss absichern, dass eine kaputte Waschmaschine oder eine neue Winterjacke nicht zur untragbaren Last werden. Die Kriterien zur Regelsatzermittlung werden wir weiterentwickeln und Betroffene und Sozialverbände mit einbeziehen.“

„Wir haben wegen der Corona-Pandemie die Vermögensprüfung weitestgehend ausgesetzt. Man läuft nicht mehr Gefahr, aus der Wohnung ausziehen zu müssen. Dadurch können sich die Behörden und die Betroffenen in den ersten Monaten mit voller Energie auf eine sinnvolle Wiederaufnahme der Beschäftigung konzentrieren. Die guten Erfahrungen aus diesen vorübergehenden Maßnahmen haben uns darin bestätigt, dafür zu sorgen, dass auch in Zukunft Vermögen und Wohnungsgröße innerhalb der ersten zwei Jahre nicht überprüft werden und das Schonvermögen erhöht wird. Das Bürgergeld beinhaltet Mitwirkungspflichten, setzt aber konsequent auf Hilfe und Ermutigung. Eingliederungsvereinbarungen werden durch eine gemeinsame und auf Augenhöhe erarbeitete Teilhabevereinbarung ersetzt. Bei ihrer Umsetzung setzen wir auf Befähigung und Bestärkung und nicht auf Vorgaben und Zwang. Sinnwidrige und unwürdige Sanktionen schaffen wir ab. Das sozioökonomische und soziokulturelle Existenzminimum muss jederzeit gesichert sein.“

Bemerkung: Die SPD lehnt ein Grundeinkommen ab. Das Bürgergeld **** ist hier als Grundsicherung gemeint (bedürftigkeitsgeprüft, Zwang zur Lohnarbeit durch Sanktionen, zu niedrig, vgl. SPD-Papier zum Sozialstaat). Die Formulierungen zu Sanktionen im Wahlprogramm sind nicht eindeutig: Einerseits sollen nur „sinnwidrige“ und „unwürdige“ Sanktionen abgeschafft werden. Gibt es dann „sinnvolle“ und „würdige“ Sanktionen? Dem gegenüber steht die Aussage, dass das menschenwürdige Existenzminimum jederzeit gesichert werden muss. Das würde auf eine gewollte Sanktionsfreiheit schließen lassen. Dieser Schluss muss aber nicht richtig sein. Erstens kann die Geldzahlung gekürzt werden, was durch Sachleistungen oder Gutscheine ausgeglichen werden kann. Zweitens kann ein „Existenzminimum plus x“ eingeführt werden, wobei das Plus x bei Verstößen gegen die gesetzlichen Auflagen gestrichen werden kann. Im o. g. Sozialstaatspapier wird deutlicher, was gemeint ist. „Eine komplette Streichung von Leistungen soll es nicht mehr geben.“ Demnach sollen Sanktionen weiterhin möglich sein.

Aussage zur Absicherung Ausbildung:

„Junge Menschen in Ausbildung sollen durch direkte, elternunabhängige Auszahlung des neuen Kindergeldes finanziell abgesichert werden – mit einem zusätzlichen, auskömmlichen Fördersatz an BAföG obendrauf.“

Aussage zur Kindergrundsicherung:

„Wir haben deshalb ein Konzept der Kindergrundsicherung entwickelt, das aus zwei zentralen Bereichen besteht. Zum einen aus einer Infrastruktur, die gerechte Bildung und Teilhabe für alle Kinder ermöglicht. Sie beinhaltet gute und beitragsfreie Kitas, ein Ganztagsangebot für Schulkinder, eine soziale Infrastruktur für Kinder und Jugendliche und freie Fahrt in Bus und Bahn im Nahverkehr sowie ein Recht auf Mobilität vor allem für den ländlichen Raum. Die Kindergrundsicherung besteht zum anderen aus einem neuen existenzsichernden, automatisch ausgezahlten Kindergeld, das nach Einkommen der Familie gestaffelt ist – je höher der Unterstützungsbedarf, desto höher das Kindergeld. Damit machen wir das Leben der Familien leichter, die es besonders schwer haben. Der monatliche Basisbetrag dieses neuen Kindergeldes wird bei zirka 250 Euro liegen. Der Höchstbetrag wird sich an den Ausgaben von Familien mit mittleren Einkommen für Bildung und Teilhabe orientieren und mindestens doppelt so hoch sein wie der Basisbetrag. Im Höchstbetrag sind das sächliche Existenzminimum inklusive Wohnkostenpauschale sowie Bildungs- und Teilhabekosten enthalten. Das neue Kindergeld ersetzt so den Kinderfreibetrag und bündelt bisherige Leistungen.“

Bemerkung: Der Basisbetrag in Höhe von 250 Euro ist ein partielles Kindergrundeinkommen.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Aussage zum Grundeinkommen:

„Wir begrüßen und unterstützen Modellprojekte, um die Wirkung eines bedingungslosen Grundeinkommens zu erforschen.“

Aussagen zu Grundsicherungen:

„Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Teilhabe, auf ein würdevolles Leben ohne Existenzangst. Deswegen wollen wir Hartz IV überwinden und ersetzen es durch eine Garantiesicherung. Sie schützt vor Armut und garantiert ohne Sanktionen das soziokulturelle Existenzminimum. Sie stärkt so Menschen in Zeiten des Wandels und kann angesichts großer Veränderungen der Arbeitswelt Sicherheit geben und Chancen und Perspektiven für ein selbstbestimmtes Leben eröffnen. Die grüne Garantiesicherung ist eine Grundsicherung, die nicht stigmatisiert und die einfach und auf Augenhöhe gewährt wird. Das soziokulturelle Existenzminimum werden wir neu berechnen und dabei die jetzigen Kürzungstricks beenden. In einem ersten Schritt werden wir den Regelsatz um mindestens 50 Euro und damit spürbar anheben. Die Leistungen der Garantiesicherung wollen wir schrittweise individualisieren. Die Anrechnung von Einkommen werden wir deutlich attraktiver gestalten, sodass zusätzliche Erwerbstätigkeit immer zu einem spürbar höheren Einkommen führt. Jugendliche in leistungsempfangenden Familien sollen ohne Anrechnung Geld verdienen dürfen. Vermögen werden künftig unbürokratischer und mit Hilfe einer einfachen Selbstauskunft geprüft. Das Schonvermögen wird angehoben. Wir streben an, die soziale Sicherung schrittweise weiter zu vereinfachen, indem wir die existenzsichernden Sozialleistungen zusammenlegen und ihre Auszahlung in das Steuersystem integrieren.“

Aussage zur Absicherung Ausbildung:

„Wir wollen, dass sich jede*r eine schulische Ausbildung oder ein Studium leisten kann, unabhängig von der Einkommens- und Vermögenssituation der Eltern. Dafür wollen wir das BAföG neu aufsetzen und zu einer Grundsicherung für alle Studierenden und Auszubildenden umbauen. Sie soll in einem ersten Schritt aus einem Garantiebetrag und einem Bedarfszuschuss bestehen, der den Gesamtbetrag im Vergleich zum heutigen BAföG substanziell erhöht und dem Großteil des in Frage kommenden Personenkreises zugutekommt. Studierende oder Auszubildende bekommen den Betrag direkt überwiesen. Perspektivisch soll sie elternunabhängig gestaltet sein.“

Aussage zur Kindergrundsicherung:

„Neben hervorragender Infrastruktur werden wir Familien mit einer einfachen und gerechten Kinder- und Familienförderung stärken: der Kindergrundsicherung. Unser Vorhaben: Kindergeld, Kinderfreibeträge, Kinderzuschlag, das Sozialgeld für Kinder und die Bedarfe für Bildung und Teilhabe in eine neue, eigenständige Leistung zusammenzufassen. Mit der Kindergrundsicherung bekommt jedes Kind einen festen Garantie-Betrag, Kinder in Familien mit geringem oder gar keinem Einkommen erhalten zusätzlich noch einen GarantiePlus-Betrag. Je niedriger das Familieneinkommen, desto höher der GarantiePlus-Betrag. Nach einmaliger Beantragung bei der Geburt wird die Höhe der Kindergrundsicherung automatisch von der Familienkasse berechnet, die sie dann auch auszahlt. So kommt die Kindergrundsicherung garantiert bei jedem Kind an und Schritt für Schritt beenden wir Kinderarmut. Sie ist gerecht, denn Kinder, die mehr brauchen, bekommen auch mehr. Die Kindergrundsicherung verbinden wir mit einer Neuermittlung dessen, was Kinder zum Leben brauchen.“

Bemerkung: Ein fester Garantiebetrag für alle ist – je nach Höhe – entweder ein Kindergrundeinkommen oder ein partielles Kindergrundeinkommen. Die Höhe wurde nicht genannt.

FDP

Aussage zum Grundeinkommen:

Keine Aussage

Aussagen zu Grundsicherungen:

„Wir Freie Demokraten wollen das Liberale Bürgergeld. Wir wollen steuerfinanzierte Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld II, die Grundsicherung im Alter, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder das Wohngeld in einer Leistung und an einer staatlichen Stelle zusammenfassen, auch im Sinne einer negativen Einkommensteuer. Selbst verdientes Einkommen soll geringer als heute angerechnet werden. So möchten wir das Steuer- und Sozialsystem verbinden. Die Grundsicherung muss unbürokratischer, würdewahrender, leistungsgerechter, digitaler und vor allem chancenorientierter werden.“

Bemerkung: Die FDP lehnt ein Grundeinkommen ab. Das „Liberale Bürgergeld“ ist aus vielerlei Gründen kein Grundeinkommen (bedürftigkeitsgeprüft, Zwang zur Lohnarbeit Sanktionen, zu niedrig). Siehe dazu: „Einkommens- und vermögensabhängiges Liberales Bürgergeld“, „Kein bedingungsloses Grundeinkommen“, „Das sind die wichtigsten Elemente des Liberalen Bürgergelds“. Hier das Gesamtkonzept des Liberalen Bürgergelds, erarbeitet von der FDP-Bundestagsfraktion.

Aussage zur Absicherung Ausbildung:

„Wir Freie Demokraten wollen ein elternunabhängiges Baukasten-BAföG einführen. Die freie Wahl des Studiums darf nicht länger von der Unterstützung der Eltern abhängen. Studierende sollen analog zum bisherigen Kindergeld beziehungsweise Kinderfreibetrag der Eltern einen monatlichen Sockelbetrag von 200 Euro erhalten.“

AfD

Aussage zum Grundeinkommen:

Keine Aussage

Aussagen zu Grundsicherungen:

„Der Selbstbehalt bei der Berechnung von Arbeitslosengeld II ist sanktionsfrei zu erhöhen.“

„Die AfD will eine „Aktivierende Grundsicherung“ als Alternative zum Arbeitslosengeld II (sogenanntes „Hartz IV“). Das erzielte Einkommen soll nicht wie bisher vollständig mit dem Unterstützungsbetrag verrechnet werden. Stattdessen verbleibt dem Erwerbstätigen stets ein spürbarer Anteil des eigenen Verdienstes. Dadurch entstehen Arbeitsanreize. Wer arbeitet, wird auf jeden Fall mehr Geld zur Verfügung haben als derjenige, der nicht arbeitet, aber arbeitsfähig ist (Lohnabstandsgebot). Missbrauchsmöglichkeiten sind auszuschließen.“

„Unabhängig vom Zeitpunkt des Renteneintritts muss immer gelten: Wer lange in die Rentenkasse eingezahlt hat, sollte auch bei einem geringeren Einkommen bessergestellt werden als Personen, die weniger eingezahlt haben. Dem wird die AfD gerecht, indem 25% der Altersrente nicht auf die Grundsicherung im Alter angerechnet werden. Auf diese Weise wird Altersarmut verhindert oder zumindest deutlich verringert. Während der Erwerbsphase lohnt es sich daher, auch Tätigkeiten mit geringem Einkommen anzunehmen, aus denen sich häufig auch höher bezahlte Beschäftigungsverhältnisse ergeben.“

DIE LINKE

Aussage zum Grundeinkommen:

„Alle in der Partei DIE LINKE sind dem grundlegenden Ziel verpflichtet, alle Menschen sicher vor Armut zu schützen und gesellschaftliche Teilhabe zu garantieren. Diese Garantie macht für viele die Idee eines Grundeinkommens attraktiv. Viele andere halten diese Idee dagegen für ungeeignet. […] Wir führen die gesellschaftlichen Diskussionen über ein bedingungsloses Grundeinkommen kontrovers und entscheiden im kommenden Jahr mit einem Mitgliederentscheid, ob wir unsere Haltung dazu ändern.“

Aussagen zu Grundsicherungen:

„Wir wollen dafür sorgen, dass niemand im Monat weniger als 1.200 Euro zur Verfügung hat. Das ist unsere Grenze für ein gerechtes Mindesteinkommen.“

„Alle in der Partei DIE LINKE sind dem grundlegenden Ziel verpflichtet, alle Menschen sicher vor Armut zu schützen und gesellschaftliche Teilhabe zu garantieren. […] Für uns ist dieses Ziel der Grund, uns für ein sanktionsfreies Mindesteinkommen von 1.200 Euro einzusetzen, für alle, die es brauchen: ob in Rente, Kurzarbeit, Erwerbslosigkeit oder im Studium – kein volljähriger Mensch soll weniger haben.“

„Wir wollen das Hartz-IV-System abschaffen und es ersetzen durch Gute Arbeit […], eine bessere Erwerbslosenversicherung […] und eine bedarfsgerechte individuelle Mindestsicherung ohne Sanktionen. Um sicher gegen Armut zu schützen, muss sie derzeit 1.200 Euro betragen. Sie gilt für Erwerbslose, aufstockende Erwerbstätige, Langzeiterwerbslose und Erwerbsunfähige ohne hinreichendes Einkommen oder Vermögen.“

„Die Höhe der sanktionsfreien Mindestsicherung muss jährlich entsprechend den Lebenshaltungskosten angehoben werden (Inflationsausgleich). Einmal in der Legislaturperiode wird die Höhe der Mindestsicherung überprüft, wobei sichergestellt sein muss, dass gesellschaftliche Teilhabe und Schutz vor Armut garantiert sind.“

„In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt werden zusätzlich zur Mindestsicherung auch höhere Wohnkosten übernommen.“

„Das bisherige Prinzip der sogenannten Bedarfsgemeinschaften ist nicht mehr zeitgemäß. Wir wollen es durch individuelle Ansprüche (unter Beachtung der gesetzlichen Unterhaltsansprüche) ersetzen.“

„Asylbewerber*innen und hier lebende EU-Bürger*innen werden in die individuelle Mindestsicherung einbezogen.“

„Als Zwischenschritt bis zur Einführung einer sanktionsfreien Mindestsicherung wollen wir die sofortige Erhöhung der derzeitigen Grundsicherungsleistungen auf 658 Euro plus Übernahme der Wohn- und Stromkosten in tatsächlicher Höhe. […] Langlebige Gebrauchsgüter wie Kühlschrank und Waschmaschine (sogenannte weiße Ware) sind nicht vom Regelbedarf abzudecken. Ihre Anschaffung muss im Bedarfsfall voll übernommen werden.“

„Die bisherigen Sanktionsregelungen im SGB II sowie die Leistungseinschränkungen im SGB XII müssen gestrichen werden. Das sozialkulturelle Existenzminimum ist ein Grundrecht und darf nicht durch Sanktionen unterschritten werden.“

„Als Garantie führen wir eine Solidarische Mindestrente von 1.200 Euro für all jene ein, die trotz der Reformmaßnahmen in der Rente ein zu niedriges Alterseinkommen haben, um davon leben zu können.“

„Keine Anrechnung des Elterngeldes auf Transferleistungen: Seit 2011 wird Elterngeld zum Beispiel auf Hartz IV angerechnet. Insbesondere Familien mit geringem oder gar keinem Einkommen, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, sind seitdem von der Leistung ausgeschlossen.“

Aussage zur Absicherung Ausbildung:

„Wir setzen uns für ein rückzahlungsfreies, elternunabhängiges und bedarfsgerechtes BAföG ein, das alle erreicht, die es brauchen.“

Bemerkung: Höhe des BAföGs siehe oben (Mindesteinkommen).

Aussage zur Kindergrundsicherung:

„Gemeinsam mit Sozialverbänden, Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Akteuren fordern wir eine eigenständige Kindergrundsicherung. Sie muss leicht verständlich, transparent und gerecht sein. Bei der Ausgestaltung orientieren wir uns am Modell des Bündnisses Kindergrundsicherung. Die Höhe fällt abgestuft aus. Beginnend bei 630 Euro für die ärmsten Kinder wird sie je nach Einkommenssituation bis auf 328 Euro abgeschmolzen. Das entspricht dem erhöhten Kindergeld, das wir für alle Kinder als Sofortmaßnahme fordern. Es wird einkommensunabhängig an alle Familien monatlich gezahlt.“

Bemerkung: Bei dem erhöhten Kindergeld handelt es sich um ein partielles Kindergrundeinkommen.

3. Hinweise und Erläuterungen

* Das Netzwerk Grundeinkommen hat Wahlprüfsteine an zur Bundestagswahl antretende Parteien versendet. Die Antworten werden veröffentlicht.

** Damit ist erstens nicht gesagt, dass diese Veränderungen von den jeweiligen Parteien als Schritte in Richtung eines Grundeinkommen verstanden werden. Zweitens können die Wahlprogramme der Parteien gleichzeitig Veränderungen, zum Beispiel bei den Grundsicherungen, beinhalten, die als Schritte in die entgegengesetzte Richtung angesehen werden können. Diese sind nicht Gegenstand vorliegender Analyse.

*** Partielles Kindergrundeinkommen ist ein „Grundeinkommen“ für Kinder und Jugendliche, das nicht existenz- und teilhabesichernd ist.

**** Zum mehrdeutigen Bürgergeld-Begriff siehe „Grundbegriffe“ auf der Website des Netzwerks Grundeinkommen. Die dortigen Erläuterungen zum Bürgergeld müssten um den SPD-Bürgergeld-Vorschlag erweitert werden.

Foto: Pixabay

9 Kommentare

Stefan Pudritzki schrieb am 17.08.2021, 20:54 Uhr

Die Linke nennt es nicht so, aber mit ihrer Forderung nach einem Mindesteinkommen von 1200€ pro Monat in jeder Lebenssituation ist sie dem Bedingungslosen Grundeinkommen viel näher, als jede andere im Bundestag vertretene Partei.

Daniel Kruse schrieb am 19.08.2021, 09:52 Uhr

Somit bleibt die Wichtigkeit der Grundeinkommenspartei (BGE) bestehen. Und sie wird hoffentlich von genügend Wählern auf dem Stimmzettel wahrgenommen... Wobei ich glaube, dass es auch zukunftsweisend nachhaltig sinnvoll ist, bei der Wahl darauf zu schauen, wofür sich die jeweilige politische Jugend der geneigten Parteien ausspricht. Denn dahin sollte die Reise ja schliesslich gehen ;-)

Bianca Schubert schrieb am 21.08.2021, 19:52 Uhr

Warum fehlen hier wieder die Kleinen Parteien, von denen sich etliche entschieden für ein Grundeinkommen einsetzen?

[Anm. d. Red.: Der Beitrag beschränkt sich aus Platzgründen auf die Bundestagsparteien. Wir werden aber rechtzeitig vor der Wahl die Antworten aller Parteien auf unsere Wahlprüfsteine veröffentlichen.]

Markus Mezger schrieb am 26.08.2021, 14:33 Uhr

https://www.tagesspiegel.de/berlin/kein-geld-fuer-nichts-in-berlin-parlament-lehnt-projekt-fuer-grundeinkommen-ab/27533238.html

\"Die rot-rot-grüne Koalition hat die Forderung nach einem Modellprojekt für das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) am Donnerstag abgelehnt. Das Parlament musste sich mit dem Thema befassen, weil die Volksinitiative \'Expedition Grundeinkommen: Erprobung eines bedingungslosen Grundeinkommens im Land Berlin\' ausreichend Unterstützer gesammelt hatte. Mehr als 30 000 Menschen hatten dafür gestimmt. (...)

Auch die Grünen sind gegen das Projekt – zumindest derzeit. Grünen-Politiker Stefan Ziller sagte: \'Ich finde das angesichts der immensen Haushaltswirkungen und Corona unfair, dass wir eine solche Entscheidung jetzt treffen sollen.\' Allerdings wollen sich die Grünen in den nächsten Koalitionsverhandlungen für ein solches Projekt einsetzen, sagte Ziller.\"

Das klang hier irgendwie noch ganz anders:

https://www.archiv-grundeinkommen.de/flyer/200809-Gruenes-Netzwerk-Grundeinkommen.pdf

Ist Stefan Ziller inzwischen einfach klüger, sozusagen altersweise geworden, oder ist solch ein inhaltlicher Schwenk schlicht und einfach mit Regierungshandeln zu erklären?

Joachim Naujokat schrieb am 29.08.2021, 12:54 Uhr

Wenn ich mir diese ganzen \"Aussagen\" der \"etablierten\" Parteien in Bezug auf das bedingungslose Grundeinkommen so durchlese, dann bin ich wirklich froh darüber, dass ich bisher immer nur der Grundeinkommenspartei meine Wahlstimme gegeben habe!

Die \"etablierten\" Parteien haben im Grunde genommen kein Interesse daran, dass das bedingungslose Grundeinkommen eingeführt wird, weil sie dann keine Macht mehr über die Bevölkerung haben!

Anarkiddy schrieb am 20.10.2022, 23:04 Uhr

Update zu Die LINKE: Sie sind jetzt mehrheitlich für ein bedingungsloses Grundeinkommen und bald auch im offiziellen Parteiprogramm, laut ihrem letztem Mitgliederentscheid: https://mit-links-zum-grundeinkommen.de/

Katsigiannis schrieb am 12.04.2023, 09:02 Uhr

Wenn ein Grundeinkommen eingeführt wird, dann sollte es aber auch nach den Wahlen bedingungslos bleiben. Welche Partei kann das verbindlich garantieren? Wenn so viel Geld für alle Menschen in Deutschland zur Verfügung steht, warum waren genau die gleichen Parteien bisher im sozialen Bereich jahrelang so kleinlich! Plötzlich kommt der große Geisteswandel und alles wird gut. Wer glaubt denn das wirklich?

Michael Levedag schrieb am 12.04.2023, 09:30 Uhr

Wenn dereinst ein BGE eingeführt wird, muss es ins Grundgesetz. Damit eben genau das nicht passiert, dass dort nach Belieben vorgegangen wird. Allerdings benötigt ein BGE ohnehin eine große gesellschaftliche Übereinkunft, sodass wir da eher keine Probleme sehen. Welche Parteien, die sich in Bremen zur Wahl stellen, tatsächlich aktuell für ein BGE sind, das steht im Beitrag.

Eric Manneschmidt schrieb am 16.04.2023, 03:25 Uhr

@Katsigiannis, @Michael Levedag

Man kann wegen mir das BGE gerne ins Grundgesetz schreiben, nur sollte man sich davon nicht zu viel erhoffen. Im GG stehen eine Menge Sachen, die in der Praxis kaum jemanden interessieren. Und die Verfassung der Weimarer Republik haben die Nazis nie ausser Kraft gesetzt, sondern einfach nur ignoriert.

Die einzige wirkliche Garantie, dass das BGE auch bedingungslos und hoch genug bleibt, ist eine entsprechende gelebte politische Praxis. Das Grundeinkommen gehört per Volksentscheid beschlossen und regelmäßig per Volksentscheid nachjustiert (also über seine Höhe befunden). Die Bundestagsfraktionen haben dann nur noch die Aufgabe, die erforderlichen Mittel zu beschaffen.

Ein emanzipatorisches Grundeinkommen ist von allen, für alle - und alle entscheiden mit!

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