Ende der Welt, Ende des Monats

Ronald Blaschke 17.12.2018 Druckversion

Das französische Netzwerk Grundeinkommen MRFB wies in der Libération vom 5. Dezember 2018 auf den Zusammenhang zwischen ökologischem und sozialem Wandel hin: „Die Bewegung der Gelben Westen zeigt die Notwendigkeit, die soziale Dimension bei der Antwort auf die Klimafrage mit in Betracht zu ziehen.“ Es braucht Grundeinkommen, Umverteilung und Demokratisierung. Ohne eine ausreichende soziale Absicherung, die dafür sorgt, dass am Monatsende genug Geld verfügbar ist, ist weder ein ökologischer Wandel noch eine starke Demokratie möglich (Ende der Welt).

Im Beitrag heißt es weiter: „Die Erhöhung der Abgabe auf die Kraftstoffe hat eine Lage schreiender Ungerechtigkeit nur offensichtlich gemacht, eine Krise, auf die die aufeinanderfolgenden Regierungen keine Antwort zu geben wußten. […] Das gegenwärtige System, das als gemeinsamen Horizont das Wirtschaftswachstum und als individuelle Verwirklichung die Erwerbstätigkeit anbietet, versagt bei der Aufgabe, sowohl den Einzelnen wie auch die Umwelt zu schützen. […] Damit der ökologische Wandel nicht als eine neue Sparmaßnahme missverstanden wird, muss er von Maßnahmen begleitet werden, die der sozialen Frage gewachsen sind. Unser Steuersystem kann mit einer progressiven Einkommensteuer, einer Wiedereinsetzung der Vermögensteuer, einer echten Abgabe auf die Finanztransaktionen, einer Bekämpfung der Steuerflucht oder einer Besteuerung der Webgiganten gerechter gestaltet werden. Mit einer ehrgeizige Ziele verfolgenden Politik könnte ein Grundeinkommen finanziert oder getestet werden. Ein jedem Einzelnen von der Geburt bis zum Tod ohne jede Bedingung ausbezahltes universelles Grundeinkommen ist eine konkrete Antwort auf die Forderungen der Gelben Westen. [… ] Die Ausübung politischer Rechte und politische Mitwirkung setzen wirtschaftliche Sicherheit voraus. Der Alltagsrhythmus U-Bahn-Fahren-Arbeiten-Schlafengehen, das Anstehen vor den Schaltern um die Anspruchsberechtigung auf staatliche Sozialleistungen einzulösen und die Angst vor dem nächsten Tag sind nicht der Nährboden jener Freiheit, die als Sockel unserer Republik gilt. Die Sicherung durch ein Grundeinkommen wirkt psychologisch erleichternd und die Senkung des Leidensdruck lässt Auswege aus zahlreichen Krankheitsbildern entstehen. Indem es eine materielle Autonomie und eine bessere Kontrolle der eigenen Lebenszeit gewährt, erleichtert ein Grundeinkommen die bürgerschaftliche Mitwirkung an der Gestaltung des politischen Lebens.“ (hier die Übersetzung des gesamten Beitrags in der Libération von Angelika Gross)

Mit diesem Diskussionsangebot an die Gelben Westen und die französische Öffentlichkeit vertreten die französischen Grundeinkommensaktivist*innen den Standpunkt, dass eine ökologische Transformation nicht ohne sozialen Ausgleich und Demokratisierung zu haben ist. Diesen Standpunkt entwickelte die Grundeinkommensbewegung gemeinsam mit der Degrowthbewegung (vgl. Blaschke 2016a, Blaschke 2016b).

Gleich taten es ihnen jüngst 238 Wissenschaftler*innen aus den 28 EU-Ländern in ihrem Appell an die EU.

Foto: pixabay, CC0 Creative Commons

2 Kommentare

FriGGa Wendt schrieb am 18.12.2018, 01:06 Uhr

ich habe keine weiße Weste, aber eine gelbe (seit Jahren trage ich eine bei Aktionen zum Gedenken an die Opfer der Agenda 2010)... und sowas kann jeder anziehen... jeden Tag ... mit eigenen Botschaften, die er in die Welt bringen möchte...

Eine Version auch hier.

Also holt eure gelben Westen raus, wer ein Auto hat, hat sowas vermutlich sowieso für Rettungseinsätze parat... viele Radfahrer tragen sowas auch... Schulkinder tragen sowas im Winter, um gesehen zu werden, Gleisarbeiter...

Volkmar Kreiss schrieb am 18.12.2018, 10:44 Uhr

Sehr guter Beitrag, den ich sofort an die wenigen Gelbwesten von Leipzig Süd weitergeleitet habe :-) Vielen Dank

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