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Von der Erwerbsarbeitsgesellschaft zur Tätigkeitsgesellschaft – Gespräch mit Götz Werner

Sölken: Herr Werner, man darf wohl unterstellen, dass Sie Ihr berufliches und unternehmerisches Lebensziel bereits vor einigen Jahren erreicht hatten. Was immer Sie bewogen haben mag, Sie haben dann vor ca. vier Jahren eine neue Weichenstellung in Ihrem Leben vorgenommen, ich meine Ihr Engagement für ein bedingungsloses Grundeinkommen, in deren Ergebnis Sie zu einem der bekanntesten Menschen in der Politikszene geworden sind. Man schreibt Ihnen eine Eigenschaft zu, die nahezu allen deutschen Politikern abgesprochen wird, nämlich Ausstrahlung und Charisma. Wie geht es Ihnen mit diesem Image?

Werner: Welches Image mir der eine oder die andere zuschreibt, weiß ich nicht. Da sind die Einschätzungen sicher sehr unterschiedlich. Zufrieden bin ich aber, dass die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens von immer mehr Menschen aufgenommen wird, auch wenn die Verbreitung ihre Höhen und Tiefen hat. Erreichen würde ich gern, dass die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens nachhaltig in den öffentlichen Diskurs gelangt. Die Einführung eines BGE erfordert mehrere Paradigmenwechsel für unser gesellschaftliches Bewusstsein, und hierfür muss die Idee des BGE zu einem starken Kulturimpuls werden.

Sölken: Nehmen wir einmal an, die alte Kaiserstadt Aachen würde Ihnen den Karlspreis verleihen, wen würden Sie sich als Laudator wünschen?

Werner: Bundespräsident Horst Köhler würde ich mir wünschen, weil er sich dann mit der Idee des Grundeinkommens befassen müsste. Er würde dann vielleicht verstehen, warum sich durch ein Grundeinkommen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen grundlegend verändern würden, was vielen Menschen helfen könnte, ihre Zukunftsängste zu bewältigen.

Sölken: Sie sind zugleich Zugpferd und Superstar der Grundeinkommensbewegung in Deutschland. Gleichwohl werden Sie gerade dort nicht von allen geliebt. Tut es dieser Bewegung und den Realisierungschancen für ein BGE eigentlich gut, einen solchen Superstar zu haben? Wer sind die Hoffnungsträger, wenn Ihnen mal die Puste fehlen sollte?

Werner: Als Superstar sehe ich mich nicht. Aber dass ein Unternehmer so eine Idee vorbringt, scheint offensichtlich für Aufsehen zu sorgen. Hoffnungsträger ist gleichermaßen jeder einzelne, der sich die Idee zu seiner persönlichen, ergebnisoffenen Forschungsfrage macht. Hierzu möchte ich meinen Beitrag leisten.

Sölken: In Ihrer Zwischenbilanz zum Grundeinkommen [1] werden drei Themen behandelt: die philosophische Idee des Grundeinkommens, eine von Ihnen als notwendig erachtete, recht beiläufig behandelte aber gleichwohl radikale Umstrukturierung des Systems der sozialen Sicherung, und Veränderungen im deutschen Steuerrecht, die über alles hinausgehen, was Paul Kirchhof und Friedrich Merz jemals geäußert haben. Wie bedingen sich diese drei Themenkreise?

Werner: Bei der philosophischen Idee geht es um Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und damit letztlich um die Würde des Menschen in einer Gesellschaft, in der die Symbiose aus Kapitalismus und Demokratie nicht mehr zum Wohle der Mehrheit zu funktionieren scheint.

Bei der sozialen Sicherung geht es um die Abkehr vom Bismarck’schen Sozialstaat hin zu einer Teilhabe eines jeden Einzelnen, damit er sich durch mehr als nur durch Erwerbsarbeit eigenständig und selbstverantwortlich in die Gesellschaft einbringen kann.

Die Prinzipien unseres Steuerrechts stammen aus der Zeit der „binnenwirtschaftlichen Selbstversorgung“ und werden den in den letzten Jahrzehnten radikal veränderten Rahmenbedingungen einer Fremdversorgungsgesellschaft, die durch eine internationale Arbeitsteilung geprägt ist, nicht mehr gerecht. Dadurch wird deutlich, dass es kontraproduktiv geworden ist, wenn weiterhin die Leistungsbeiträge besteuert werden. Richtiger wäre es, dass diese freigestellt würden, und die Leistungsinanspruchnahme, also der Konsum, besteuert würde.

An diesen Überlegungen lässt sich gut erkennen, wie sehr wir es mit einem Paradigmenwechsel zu tun haben.

Sölken: Was Sie zum System der sozialen Sicherung fordern, ist nicht weniger als die völlige Abschaffung der paritätisch finanzierten Sozialversicherung. Von den Sozialausschüssen der CDU, über SPD, Grüne und Gewerkschaften bis zur LINKEN halten alle dieses System für den wichtigsten Garanten sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit in Deutschland und für einen Ausdruck der Sozialverpflichtung des Eigentums. Dafür haben Generationen gekämpft. Warum ziehen Sie dies in Zweifel und was wollen Sie an dessen Stelle setzen?

Werner: Ja, das ist die Abkehr vom beitragsfinanzierten Bismarck’schen Sozialstaat und seinen nachfolgenden Reformen (1957), von einer einkommensplatzabhängigen Sicherung hin zur Existenzsicherung jeder einzelnen Bürgerin und jedes einzelnen Bürgers, wodurch ein bescheidenes aber menschenwürdiges Dasein gewährleistet werden soll.

Bismarck hatte ganz wohlmeinend, aber auch trickreich Staatsausgaben und Sozialleistungen entkoppelt, die Existenzsicherung der „Zivilgesellschaft“ aufgebürdet und den absolutistischen Herrschaftsstaat entpflichtet. Steuern sind aber letztlich Ausdruck eines gesellschaftlichen Teilungsverhältnisses. Daher schlage ich vor, alles was gemeinschaftlich gewollt ist und getan werden soll, durch Steuern zu finanzieren.

Sölken: Sie sagen in Ihrer Zwischenbilanz, in der neuen Arbeitswelt sei nur eines dauerhaft – der Wechsel. Niemand werde mehr als Lehrling eingestellt und nach 40 Jahren vom selben Unternehmen mit einer goldenen Armbanduhr verabschiedet. Sie sprechen von wiederholten Phasen des Neu-, Um- und Hinzulernens. Die Zahl der Freiberufler und Projektarbeiter werde dramatisch zunehmen. Immer häufiger würden sich sogar spezialisierte ExpertInnen vorübergehend zu ganz unglamourösen wirtschaftlichen Projekten zusammenschließen, aber schließlich wieder in alle Winde zerstreuen. Ich hatte unlängst in einer Berliner Sprachschule Kontakt zu solchen Freiberuflern, neudeutsch „Freelancern“. Sie umrissen ihre Arbeitssituation mit wenigen Worten: keine Sozialversicherung, kein Urlaubsanspruch, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und schlechte Bezahlung. Soll das die Zukunft sein?

Werner: Eben genau nicht! Am jetzigen Zustand können wir erkennen, dass wir die zukünftige Problematik ohne ein bedingungsloses Grundeinkommen überhaupt nicht bewältigen können. Mit einem Grundeinkommen wäre das, was Sie beschreiben, kein Problem. Wenn Sie als Anbieter einer Arbeitsleistung oder als Arbeitnehmer auch „nein“ sagen können, können sie das Entgelt aushandeln, das der Markt hergibt. Und selbst wenn es gering ist, können sie vom Grundeinkommen leben und sich überlegen, was sie tun können, um ein höheres Einkommen am Markt zu erzielen. Mit einem Grundeinkommen können Sie sich auch leichter weiterqualifizieren, weil es viel mehr Menschen möglich sein wird, Weiterbildungsleistungen erschwinglich anzubieten – erst dadurch wird ein lebenslanges Lernen im Wechsel von Phasen des organisierten Lernens und des Erfahrungslernens möglich.

Sölken: Gehen wir über zu den lohnpolitischen Auswirkungen des BGE. Die Anziehungskraft der Idee könnte davon ausgehen, dass viele glauben, ein Grundeinkommen von 500, 1.000 oder gar 1.500 € würde zu den bisherigen Gehältern hinzukommen, quasi als Sahnehäubchen. Das ist in Ihrer Konzeption aber gar nicht der Fall. Ihr Versprechen lautet vielmehr, wenn ein Erwerbstätiger bislang bei einem Bruttoeinkommen von 3.000 € in der Lohnsteuerklasse 1 ein Netto von 1.750 € hatte, wird er das auch zukünftig bekommen. Das heißt doch wohl eindeutig, dass von Ihrer Idee her das Grundeinkommen lediglich die Lohnkostenbelastung der Unternehmen verringert. Wo ist denn da aus Arbeitnehmersicht der Vorteil? Übrigens ist das ein Punkt, der viele Politiker von den Grünen bis zu Linken gegen das Grundeinkommen aufbringt. Sie argumentieren, dass es nun wirklich nicht Aufgabe des Staates sein könne, ein Großteil der Lohnkosten der Unternehmen zu übernehmen.

Werner: In einer Konsumgesellschaft kann man ohne ein Einkommen nicht leben. Daher hat auch jeder Haushalt heute schon ein Einkommen, ob durch Erwerbseinkommen, aus Kapitalerträgen oder aufgrund von Sozialtransfers, ob diese aus Versicherungsfonds oder aus Steueraufkommen stammen. Durch das BGE wird ein Teil der bestehenden Einkommen verfassungsrechtlich garantiert. Zusätzlich zu finanzieren ist volkswirtschaftlich letztlich nur die Einkommenssumme, die noch bis zur Höhe des BGE bei leider zu vielen, aber eben doch nicht so vielen Menschen, fehlt. Hierfür ist mit ca. 50 Milliarden EURO zu rechnen, die durch die bestehende Produktionskapazität mehr als abgedeckt sind.

Durch ein BGE sind wir endlich in der Lage, die Kosten der menschlichen Arbeit nachhaltig zu senken, ohne die bestehenden Gesamteinkommen zu schmälern. Wir senken Lohnkosten, aber zugleich Zug um Zug die Nettoverkaufspreise. Die Unternehmen haben also dadurch keine finanziellen Vorteile. Ich bin sehr sicher, dass dadurch viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden würden. Deutschland würde Arbeit förmlich anziehen. Die jetzige missliche Entwicklung würde sich umkehren. Wer sich das nicht vorstellen kann, muss zwangsläufig dagegen sein.

Es ist die Aufgabe des Staats- und Rechtslebens, ein Leben in Würde zu ermöglichen. Die Unternehmen stellen hierzu die Güter und Dienstleistungen bereit. Das Rechts- und Staatsleben muss dafür sorgen, dass die Menschen auch über die Möglichkeiten zum Bezug dieser Güter und Dienstleistungen verfügen.

Sölken: Wir können Ihnen an dieser Stelle nicht ersparen, noch etwas tiefer in das Zahlenbeispiel einzusteigen. Die zweite Komponente Ihres Konzepts ist ja, dass sämtliche Steuern abgeschafft und deren Funktion durch eine im Durchschnitt deutlich erhöhte aber nach Produktgruppen gestaffelte Mehrwertsteuer als einzige staatliche Einnahmequelle ersetzt werden. Folglich entfallen neben vielen anderen Steuerarten vor allem die Lohn- und Einkommensteuer.

Nachdem Sie ja bereits die Kosten der Sozialversicherungen (im Beispiel eines Arbeitnehmer-Bruttos von 3.000 € sind das einschließlich des AG-Anteils Kosteneinsparungen in Höhe von 1.236 €) eliminiert haben, werden nun noch einmal 633 € Lohnsteuer abgezogen. Dies macht bereits Kosteneinsparungen von 1.869 € auf Arbeitgeberseite aus. Bei einem Grundeinkommen von 1.000 € (wenn dieses ebenfalls von den Arbeitgeberzahlungen abgezogen wird) verringern sich die Lohnkosten im gewählten Beispiel um insgesamt 2.869 € auf dann 749 €. Gleichzeitig bleibt beim Arbeitnehmer alles beim Alten.

Wie gehen Sie vor dem Hintergrund der doch recht deutlichen Sprache der Zahlen mit dem Vorwurf um, dass Ihr Konzept lediglich eine gigantische Lohnsubventionierung darstelle? Wo bleibt die gute Botschaft für die Menschen?

Werner: Zunächst: die Mehrwertsteuer kann gestaffelt sein, muss es aber nicht. Wenn es Ihnen bei der Staffelung um die „soziale Komponente“ geht, so realisieren Sie diese viel wirksamer – und weniger verwaltungsaufwändig – wenn sie eine höhere allgemeine Mehrwertsteuer koppeln an ein höheres allgemeines Grundeinkommen. Die Verteilungseffekte sind dann die gewünschten: „reiche“ Haushalte, die viel konsumieren (also: viel Leistung anderer in Anspruch nehmen), zahlen viel Steuern, erhalten aber das gleiche Grundeinkommen pro Kopf. „Arme“ Haushalte zahlen – im Vergleich zu den „Reichen“ – wenig Steuern, erhalten aber ebenfalls das gleiche Grundeinkommen.

Zweitens müssen Sie sehen, dass die Preise über alles gleich bleiben: Wenn wir die „alten“ Steuern senken, die sich heute ja schon in die so genannten „Nettopreise“ hineinkalkuliert haben. Vereinfacht kann man sagen: Die alten Steuern und Abgaben verschwinden aus den Preisen und werden ersetzt durch die Mehrwertsteuer, da letztlich immer die gesamte Staatsquote in den Preisen enthalten sein muss.

Es sieht nur scheinbar nach einer Lohnsubvention aus. In Wirklichkeit ist es eine gewaltige Förderung menschlicher Tätigkeit schlechthin. Also von Arbeit im weitesten Sinne, also neben der Erwerbsarbeit auch der Familienarbeit, der Sozialarbeit und der Lernarbeit , die nicht von „großen Unternehmen, die dann gnädig einen Lohn dafür zahlen“, organisiert und bezahlt werden müssen. Sie ermöglichen alle Arten von Arbeit, nicht nur die des verengten industriellen oder postindustriellen Erwerbsarbeitsbegriffs. Deutschland würde sich von einer Erwerbsarbeitsgesellschaft zu einer Tätigkeitsgesellschaft entwickeln.

Sölken: In Ihrer Idealkonzeption fallen nicht nur die Lohn- und Einkommensteuern weg, sondern auch die Vermögensteuer, Kapitalertragsteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer, Erbschaftsteuer, Couponsteuer. Mit einem Federstrich wären also die meisten Diskussionsthemen, über die die Parteien seit Jahren streiten, beendet; zum Beispiel zur Höhe der Vermögen- und Erbschaftsteuer, zur sogenannten Reichensteuer, zur Familienförderung, zur Gewerbesteuer bis hin zur Pendlerpauschale. Das ist das Eine, das Andere, dass Kapitalsammelstellen, also vor allem Banken, Versicherungen und Investment-Fonds überhaupt keine Steuern mehr zahlen, weil der Geldverkehr keiner Umsatzbesteuerung unterliegt. Kann das gewollt sein?

Werner: Sie machen mit dieser Frage ein großes Fass auf. Wir müssen grundsätzlich an unseren Kapital- und Eigentumsbegriff ran. Grundsätzlich gilt: Kapital kommt vom lateinischen Wort „caput“ und meint „Haupt“ oder „Kopf“. Angemessen übersetzt ist damit also eine Fähigkeitenakkumulation gemeint. Kapital bzw. Geld ist ja nur der äußere Ausdruck der Fähigkeit, mir die Leistungen anderer verfügbar zu machen. Tue ich das, um sie zu konsumieren, sind darauf Steuern zu zahlen. Tue ich das aber, um damit Güter und Dienstleistungen wieder für andere Menschen herzustellen, dann sollte dies unbelastet bleiben, denn ich tue es immer realwirtschaftlich für andere. Das aber nur unter der Voraussetzung, dass ich wirklich investiere, um damit etwas zu produzieren, und nicht das Geld ohne realwirtschaftliche Investition an den Börsen vagabundieren zu lassen. Die Börsen haben zwar ihre Funktion in der Kapitalallokation, die jüngsten Entwicklungen an den Börsen lassen jedoch zunehmend die Frage aufkommen, ob diese nicht auf andere Weise besser organisiert werden müssten. Und diese negativen Funktionen der Börsen würden ein BGE und die Mehrwertsteuer endlich richtig deutlich werden lassen.

Sölken: Unternehmen sollen Unsummen dazu verwendet haben, sich Aufträge oder staatliche Genehmigungen zu erkaufen. Sind wir vielleicht bereits auf dem Weg in die gekaufte oder käufliche Demokratie, und das weltweit? Können wir zulassen, dass sich via Kapitalkonzentration legale oder auch illegale Machtungeheuer entwickeln, die sich letztlich die Politik untertan machen könnten?

Werner: Das ist ein sehr weites Feld, aber an dieser Annahme ist sicher etwas dran. Die meisten Entscheidungsträger haben die Grundprinzipien der Gesellschaft als sozialer Organismus (nicht Mechanismus!) noch nicht verstanden. Zum Ausüben von Macht braucht es immer mindestens zwei: einen, der Macht ausübt, und einen, über den Macht ausgeübt wird. Durch ein Grundeinkommen – je höher, desto besser, aber das hängt von der gesamtwirtschaftlichen Produktivität ab – kann niemand mehr gezwungen werden, Macht über sich ausüben zu lassen. Wenn wir demokratisch für ein Grundeinkommen streiten, können wir es realisieren und es wird nachhaltig zu vielen Veränderungen führen, die wir uns in unserer Phantasie heute noch gar nicht umfangreich genug vorstellen können.

Sölken: Es ist evident, dass die Einführung eines ausreichend hohen Grundeinkommens, also wenn es deutlich über der alten Armutsgrenze von 1.000 EURO läge, mit einem Schlag die Abschaffung der Armut bedeuten würde. Jetzt sagen Sie überraschenderweise, das Grundeinkommen habe gar nichts mit Sozialpolitik zu tun, und bedauern sogar, dass die Debatte „leider immer noch von dieser Wahrnehmung getrübt“ sei.

Werner: Armutsbekämpfung ist sicher auch anders möglich. Primär geht es mir aber darum, dass durch das Grundeinkommen für jeden Menschen ein Freiraum geschaffen wird, initiativ zu werden, um sein Leben selbstbestimmt und eigenverantwortlich gestalten zu können.

Sölken: In einer sehr informativen Debatte im österreichischen derstardart.at [2], vornehmlich über die Frage der Kreditwirtschaft und des Finanzsystems, sprechen Sie die Tücken der Scheinwertproduktion (Börse) an, die nur in geringem Maße zurückgekoppelt ist an reale Investitionen. In diesem Zusammenhang sprechen Sie vom Grundeinkommen als ‚rückvergütete’ (negative) Konsumsteuer. Wie definieren Sie diesen Transfer? Vertrauen Sie darauf, dass grundsätzlich die Finanzierung großer gesellschaftlicher Vorhaben ohne ordnungspolitische Eingriffe in den Finanzkapitalmarkt möglich ist?

Werner: Die Definition ist einfach: Wir plädieren für die völlige Umstellung zur Mehrwertsteuer, weil schon heute der Konsument alle Kosten (und damit auch alle Steuern) trägt und die Mehrwertsteuer die Staatsquote nur sichtbarer macht. Wenn es nur noch eine Mehrwertsteuer und keine Einkommensteuer mehr gibt, dann brauchen wir auch keinen Einkommensteuerfreibetrag mehr. Die Frage ist dann aber: Wie sichern wir auch bei einer Mehrwertsteuer, dass das Existenzminimum steuerfrei ist? Und das geht, indem Sie die hierbei anfallende Mehrwertsteuer dann erstatten.

Der Finanzkapitalmarkt hat ja seine Aufgabe, nämlich die Allokation von Finanzmitteln. Wenn wir die Börsen auf ihre eigentliche Funktion zurückführen wollen, dann müssten wir eigentlich nur einen Satz aus dem Gesetz streichen, darauf hat mich der St. Galler Ökonom Hans-Christoph Binswanger einmal hingewiesen, der ein sehr gutes Buch über die ökonomische Bedeutung von Goethes Faust geschrieben hat: Wir müssten nur den Satz aus dem Gesetz streichen, der die Haftung der Aktionäre auf das gezeichnete Kapital beschränkt. Wenn sie diesen Satz streichen, sind die Anteilseigentümer mit ihrem persönlichen Vermögen haftbar. Dann wird sich nur der mit einem Unternehmen verbinden, der daran ein echtes Interesse hat und es nicht nur für Spekulationszwecke missbraucht. Dann kommt auch der Kapitalbegriff in die Richtung, die ich oben angedeutet habe.

Sölken: Viele Arbeitende erhalten Löhne, von denen sie nicht leben, geschweige denn ihre Familie ernähren können. Es ist uns bekannt, dass Sie gegen Mindestlöhne sind. Darauf soll die Frage auch nicht zielen. Würden Sie, als Schritt in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens, staatliche Lohnbeihilfen fordern, die zur Existenzsicherung beitragen? Gerade im Bereich der schlecht bezahlten Jobs ist das Interesse an Teilzeitarbeit groß, aber die Leute können sich aus finanziellen Gründen verkürzte Arbeitszeiten schlicht und einfach nicht leisten. Könnten staatliche Lohnbeihilfen hier Abhilfe schaffen? Und wie würden Sie derartige Lohnbeihilfen von Kombilohnmodellen abgrenzen, die dazu beitragen würden und dies auch sollen, immer mehr Leute in unattraktive Niedriglohn-Jobs zu drängen?

Werner: Beim Kombilohn wird eine Arbeit in einem nicht mehr zeitgemäßen, industriell geprägten Erwerbsarbeitsfeld vorausgesetzt. Das Grundeinkommen ermöglicht jede Art von Arbeit/Tätigkeit.

Sölken: Sie nennen als erfolgversprechende erste Schritte zu Recht ein Kindergrundeinkommen und eine steuerfinanzierte Grundrente für Senioren. Welche ersten Schritte würden sie vorschlagen, um das Schicksal der Arbeitslosen zu verbessern. Diese werden ja mit Hartz IV, einer Art „offenem Strafvollzug“, wie Sie selber sagen, zunehmend unter Druck gesetzt, gedemütigt, in die Ecke gedrängt, zu unattraktiven und perspektivlosen Jobs und zur Teilnahme an unsinnigen Maßnahmen genötigt. Könnten Sie sich hier als ersten Schritt vorstellen, zumindest die Sanktionen abzuschaffen, also die Drohung damit, das als Existenzminimum ohnehin zu niedrige Hartz-IV-Geld auch noch zu kürzen, oder die Sanktionen zumindest im Sinne eines Moratoriums auszusetzen?

Werner: Hartz-IV ist ein öffentlicher Skandal, der dringend beseitigt werden muss. Im bestehenden System Erleichterungen schnell und menschenwürdig zu veranlagen, ist Aufgabe der Verantwortlichen der Verwaltung. Damit das aber überhaupt stattfinden kann, braucht es einen politischen Willen. Also fragen Sie im Arbeitsministerium nach. Sie werden dann wahrscheinlich erleben, wie wenig Bereitschaft besteht, sich auf den notwendigen Paradigmenwechseln einzulassen. Hinter allem steht eben die Menschenbildfrage: folgen wir weiterhin dem „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ oder ist unser Menschenbild „Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen“ (Freiherr vom Stein). Das BGE ist für mich zuallererst eine Idee, die zu einem Kulturimpuls werden kann, wenn es immer mehr Bürgerinnen und Bürgern gelingt, sich dieser Idee eigenständig denkend und überlegend gegenzuüberstellen.

Sölken: Herr Werner, bei aller Anerkennung, die sie für Ihren Dauereinsatz innerhalb der BGE-Community genießen, und zwar unabhängig davon, ob man Ihr Finanzierungskonzept befürwortet oder nicht, sind Sie seit einiger Zeit heftiger Kritik ausgesetzt. Stein des Anstoßes ist die Veröffentlichung eines Beitrags von Ihnen in der Jungen Freiheit. Das Blatt steht seit langem in dem Verdacht oder in dem Ruf, die intellektuelle Speerspitze der deutschen NeoNazi-Bewegung zu sein. Der Vorwurf richtet sich nicht gegen das, was Sie geschrieben haben, sondern dagegen, dass Sie überhaupt in diesem zweifelhaften Blatt veröffentlicht haben.

Werner: Für mich war das eine ganz normale Anfrage, wie ich sie wöchentlich erhalte. Und sie klang völlig unverdächtig. Ich habe gesehen, dass dort vor mir schon wahrlich ehrenhafte Persönlichkeiten wie Roman Herzog, Egon Bahr und Ignaz Bubis publiziert haben …

Sölken: … was jedem der Genannten heftige Kritik aus den eigenen Reihen beschert hat. Dem Blatt wird u.a. vorgeworfen, eine Scharnierfunktion zwischen rechtskonservativ und rechtsextremistisch-fremdenfeindlich wahrzunehmen.

Werner: … und habe keinen Grund gesehen, einen Beitrag zu verweigern. Ich habe der Zeitschrift einen Beitrag überlassen, der bereits in anderen Publikationen ganz oder in Teilen abgedruckt worden war.

Sölken: Wolfgang Bosbach, Vizechef der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, hat unlängst erklärt, selber um die Zeitung einen weiten Bogen zu machen. Zitat: „Die Junge Freiheit hat sich einige Zeit redlich darum bemüht, mich für ihre Zwecke einzuspannen, was ich immer abgelehnt habe.“

Konkrete Vorwürfe lauten, dass sich die Zeitung regelmäßig als Plattform französischer und belgischer Neofaschisten andient und immer wieder Anzeigen rechtsradikaler Parteien und Organisationen abdruckt. Das sieht eher nach dem „Wolf im Schafspelz“ als ungefährlich aus. Hier ein Leserbrief-Zitat zu einem Bericht über die Haltung der Grünen zum Einbürgerungstest: „Ach so, Bewerber um die deutsche Staatsbürgerschaft sollen sich also bei schwulen Juden und schwulen Türken informieren?? – Deutschland besteht also nur noch aus Schwulen, Juden und Türken?“ Ich kann für mein Teil nur sagen, dass ich mich nicht wohl dabei fühle, in einem solchen publizistischen Umfeld just einen Artikel von Ihnen zu finden.

Für die Sprecherinnen und Sprecher des Netzwerkes Grundeinkommen ist es politisch vollkommen inakzeptabel, Publikationen des rechtsextremen Spektrums mit Veröffentlichungen und Beiträgen zu einer erhöhten Öffentlichkeitswirksamkeit und allgemeinen Anerkennung zu verhelfen.

Werner: Ich kann Ihre Haltung verstehen und sie akzeptieren und ich respektiere sie. Aufgrund Ihrer Hinweise habe ich mich mit der Diskussion um die Junge Freiheit befasst und sehr polare Positionen kennen gelernt. Während das Netz-gegen-Nazis von Rechtslastigkeit spricht, verlangt die Neue Züricher Zeitung um der Pressefreiheit willen von uns Deutschen, „etwas mehr Anstrengungen und Bereitschaft, auch Provokationen auszuhalten“.

Diese Toleranz haben wohl auch die verantwortlichen Mitarbeiter des Bundestages im Sinn gehabt, als sie vor zwei Monaten die Junge Freiheit in den Presseverteiler des Bundestages aufgenommen haben, ganz unverkennbar auch mit Bezug auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass die Observierung der Redaktion durch den Verfassungsschutz aus Gründen der Pressefreiheit für nicht statthaft hielt.

Wenn ich aber das Wissen um die Diskussion um die Junge Freiheit gehabt hätte, dann hätte ich der Redaktion den Text nicht zur Verfügung gestellt, um jede Irritation bei allen Menschen, denen die freiheitliche Grundordnung in Deutschland immens wichtig ist, zu vermeiden. Es ist die Stärke der Grundeinkommensbefürworter, dass wir uns für eine zutiefst humanistische Idee einsetzen.

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Die Gesprächspartner

Prof. Götz W. Werner ist Leiter des interfakultativen Instituts für Entrepreneurship an der Universität Karlsruhe. Er hat den „dm-drogerie markt“ aufgebaut und jahrzehntelang geleitet. Seit Jahren ist er einer der profiliertesten Vertreter der Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen.

Günter Sölken ist Politikwissenschaftler und seit Dezember 2004 einer der Sprecher des Netzwerks Grundeinkommen sowie Initiator der Woche des Grundeinkommens.

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19 Comments To "Von der Erwerbsarbeitsgesellschaft zur Tätigkeitsgesellschaft – Gespräch mit Götz Werner"

#1 Comment By Robert Bleilebens On 19.08.08 @ 21:06

Die Sache mit der vollständigen Anrechnung des BGE auf das Nettoeinkommen finde ich auch nicht gut, da der Arbeitgeber hierdurch extrem bei den Lohnkosten entlastet wird; und die von Götz Werner in Aussicht gestellte Weitergabe dieser Entlastung an die Kunden durch im gleichen Umfang abgesenkte Nettopreise funktioniert nur in Branchen, in denen ein intensiver Wettbewerbsdruck herrscht. Also z.B. im Einzelhandel, in dem Götz Werners Drogeriemarktkette tätig ist. Ist dieser Wettbewerbsdruck jedoch nur schwach, dann werden Kostenentlastungen im Interesse der Erzielung höherer Gewinnmargen nicht, nur zum Teil, oder nur mit zeitlicher Verzögerung weitergegeben.

In der Praxis jedoch wäre das auch bei Umsetzung seines Modells halb so wild, weil sich diese vollständige Anrechnung nicht durchsetzen ließe – der Arbeitnehmer kann ja auch nein zu dem Job sagen, wenn zu viel angerechnet wird! Außerdem vermindert die Anrechnung den positiven finanziellen Arbeitsanreiz ganz erheblich. Weil auf absehbare Zeit dieser finanzielle Arbeitsanreiz erhebliche Bedeutung haben wird, funktioniert das so nicht. Götz Werner setzt daher überwiegend auf nichtfinanzielle Anreize. Daher ist diese vollständige Anrechnung des BGE auf den Nettolohn nur Götz Werners Wunschdenken und würde bei Umsetzung seines Modells so nicht realisiert werden. (Es käme allenfalls zu einer partiellen Anrechnung des BGE auf die Nettolöhne).

Er tut gut daran, den gesetzlichen Mindestlohn abzulehnen, denn der ist bei einem hohen BGE, wie er es vorschlägt, ohnehin überflüssig und er stellt außerdem einen Eingriff in die Autonomie des Arbeitnehmers da. Beim BGE geht es jedoch darum, den Menschen mehr Autonomie zu geben, und nicht darum, diese mit staatlichen Zwangsmaßnahmen wieder einzuschränken.

Zur jungen Freiheit: Solange eine Zeitung seinen Text korrekt abdruckt, kann ich nichts Verwerfliches daran finden, dort zu publizieren. Auf den redaktionelllen Teil hat Götz Werner ja keinen Einfluß. Und daß diese Zeitung die Strategie verfolgt, durch prominente Personen aufgewertet zu werden, ist richtig; Götz Werner verfolgt jedoch auch eine Strategie: Er will ja offensichtlich möglichst viele Menschen mit seinen Texten erreichen. Vielleicht konnte er so auch einige Menschen vom BGE überzeugen, die bisher dagegen waren. Und das wäre doch eine gute Sache!

#2 Comment By Wolfgang Schlenzig On 20.08.08 @ 09:42

Bei aller Aurichtigkeit und Redlichkeit ihrer Verfechter, der Ansatz ist utopisch und naiv. Schon der reale Sozialismus ist mit am Gutmenschenirrglauben gescheitert. Es gilt, wenn auch schon 150 Jahre alt, immer noch die Marxsche Regel, nach der alles in den Boden gestampft wird, wenn nur die Profitaussichten hoch genug sind. Das passiert auch, selbst wenn da ein paar tausend Anthroposophen nicht mitmachen.

Der Verzicht auf alle Steuern, die ja angeblich, was nicht stimmt, immer mit in den Preisen verpackt sind, entwaffnet den Staat restlos gegenüber den Unternehmern. Er ist nicht mehr in der Lage, über ökonomische Hebel Wirtschaftpolitik zu betreiben. Ein ewiger Wunsch der Unternehmer ginge damit in Erfüllung. Die Idee, die Einnahmen für ein BGE über indirekte Steuern, die automatisch abgeführt werden, zu generieren ist schon gut, aber nicht nur über Verbrauchssteuern, sondern auch über den Unternehmensertrag, die -produktivität, ökologische und ressorcensteuernde Abgaben und den Kapitalertrag betreffende Steuern.

Die Politik muss das Primat über die Wirtschaft erlangen. Nur dann ist ein BGE unabhängig von unternehmerischen Hazardspielen, wie wir sie z.Z. allerorten erleben.

#3 Comment By Lothar Mickel On 20.08.08 @ 21:20

Mit einem würdevollen BGE erlangen endlich die Bürger die Macht über die Wirtschaft und den Staat.

#4 Comment By Steffen Mohr On 05.09.08 @ 13:54

Schön, dass sich ein Unternehmer wie Götz Werner für so eine Sache engagiert und diese auch geistig so komplex anschauen kann, wie sie es erfordert. Wichtig ist doch, zu beginnen und erste Schritte zu gehen, und genau dazu bedarf es solcher “Superstars”. Denn wer hat sonst Zutritt zu Kreisen, die wirklich etwas entscheiden? Ich selbst gelange bestimmt nicht zu Herrn Köhler und anderen politischen Entscheidungsträgern.

In Bezug auf Kommentar zwei: jegliche Idee ist in ihren Anfängen naiv und utopisch, als wäre das ein Grund nichts zu tun!

Die Gefahr die ich nur im Moment sehe, ist das sich unterschiedliche Strömungen herausbilden, von denen jede meint, im Besitz der Wahrheit über das richtige BGE zu sein. Die Diskussion darf nicht zur Schlammschlacht intellektueller Schichten verkommen, auf denen sich jeder profiliert. Wichtig ist, dass auch einfache Leute das Konzept und das revolutionäre an dieser Idee verstehen, dass genügend Begeisterung geweckt wird für eine Sache, die in einer reichen Gesellschaft wie der unsrigen selbstverständlich sein sollte: den Überfluss aufzuteilen!

#5 Comment By Carl Jaegert On 10.09.08 @ 09:08

Erfrischend, dass Werner so dezidiert auf eine Selbstverständlichkeit hinweist: Grundeinkommen ist kein Instrument der Armutsbekämpfung sondern eine notwendige – wenn auch nicht hinreichende – Voraussetzung für die Emanzipierung jedes Menschen. Und ich habe das Grundeinkommen auch immer so verstanden, dass es sich an jeden Menschen richtet und jedem gezahlt werden soll und nicht nur unter Voraussetzungen wie Arbeitslosigkeit, Bedürftigkeit etc.
Da scheint sich ein gar nicht so kleiner Teil derjenigen, die sich für Grundeinkommen einsetzen, noch nicht wirklich mit der ganzen Tragweite dieser Idee beschäftigt zu haben.

@Wolfgang Schlenzig
Zumindest in einem Punkt scheint der Verfasser dieses Kommentars etwas vorauszusetzen, was so nicht stimmt. G. Werner – und B. Hardorp – sprechen von der sukzessiven Umschichtung aller Steuerarten auf eine Verbrauchssteuer. Unabhängig davon können z. B. ökologische und ressourcensteuernde Abgaben erhoben werden – eben Abgaben und keine Steuern. Eine Umschichtung auf eine (End-)Verbrauchssteuer wäre hier unsinnig, da z. B. die Steuerung von Ressourcenverbrauch gezielt nur an der Quelle durch entsprechende Abgaben ansetzen kann.

#6 Comment By Gerd Ribbert On 10.10.08 @ 17:26

Götz Werner sagt: “Die Frage ist dann aber: Wie sichern wir auch bei einer Mehrwertsteuer, dass das Existenzminimum steuerfrei ist? Und das geht, indem Sie die hierbei anfallende Mehrwertsteuer dann erstatten.”

Dazu möchte ich bemerken: Heute wird die offiziell ausgewiesene Mehrwertsteuer in den Waren und Dienstleistungen des Verbrauchs des Existenzminimums gar nicht erstattet, und außerdem auch nicht die in diesen Waren u. Dienstleistungen enthaltenen verborgenen Steuern u. Sozialabgaben, die von den Unternehmen bloß vor-finanziert werden, die nach der Denkweise des heutigen Steuer- u. Abgabenrechtes aber den Arbeitgebern bzw. den beschäftigten Arbeitnehmern zugerechnet werden – eine rechtliche Fiktion, die der ökonomischen Realität nicht entspricht.

#7 Comment By S.H.J. Rausch On 26.10.08 @ 01:16

Ich finde die Idee an sich mehr als nur sinnvoll. Ein bGE würde sicherlich dazu führen das sich Löhne wieder eher dem Wert der entgegengebrachten Leistung annähern. Und abgesehen von der erbrachten Arbeitsleistung ist dies vor allem auch Zeit. Dies wird häufig bei Lohndiskussionen übersehen.

Ein Arbeiter der 8 Stunden täglich in einer Fabrik arbeitet opfert schließlich rund 1/4 seiner Lebenszeit dieser Fabrik bzw. den dort hergestellten Produkten, und somit indirekt auch der Gemeinschaft. Allein dadurch hat er mehr verdient als nur bloße Existenzsicherung.

Allerdings halte ich es für schwierig, wenn nicht gar unmöglich, ein solches System isoliert in einem Staat zu realisieren.

#8 Comment By Gérald On 21.11.08 @ 17:40

Die Idee ist liberaler, als alles, was auf dem Politmarkt sonst noch so als “liberal” angeboten wird. Es ist die logischste Sicht der Dinge, die man überhaupt haben kann! Beim “Monopoly” wundert sich doch auch keiner, daß man jedesmal, wenn man über LOS geht (=Monatswechsel), Geld erhält. BGE JETZT!

#9 Comment By Jens On 09.02.09 @ 19:24

Es schon beinahe zum heulen. Demokratie, Soziales, Ökologisches – ja, das kommt gut an. … Und Götz Werner? Der Milliardär und Anthroposoph verficht ein Modell des Grundeinkommens, das seinen Interessen – materiell und ideologisch – genau entspricht. Mit schönsten Worten trachtet er nach einer Herrschaft der „Eliten“ und einer vollständigen Kostenabwälzung auf die unteren Bevölkerungsschichten. Es gibt höchst unterschiedliche Modelle eines allgemeinen Grundeinkommens. Götz Werners Variante ist die unsozialste von allen. Und dahinter steht zudem das Programm einer knüppelharten Sekte, die von „wahrer Demokratie“ als „Dreigliederung“ schwafelt und damit die Herrschaft ihrer „Eingeweihten“ meint. Hierzu: Nachrichten aus der Welt der Anthroposophie [3] Sowie weitere aufschlussreiche Beiträge dort.

#10 Comment By Claudia On 10.06.09 @ 01:48

Dass das Thema der Anthroposophie immer noch als Sekte gehandelt wird, ist mir unbegreiflich. Es existieren genügend Publikationen von Sektenbeauftragten. Die Dreigliederung “Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit” ist doch keine anthroposophische Erfindung … Das Thema der “Schwarzarbeit” der Maschinen und Automaten, die uns unsere Arbeits- und damit auch Einkommensplätze “wegnehmen” scheint mir gar nicht ausführlicher beleuchtet zu werden. Ist doch anscheinend die Leistungsherstellung von Maschinen mehr oder weniger “steuerfrei” ? Würde nicht die Umschichtung auf Verbrauchsteuern die menschliche Tätigkeit steuerlich gleichberechtigt? Damit menschliche Arbeit, wie pflegen, erziehen, helfen etc. wettbewerbsfähig?

#11 Comment By Gabriel On 23.06.09 @ 20:29

Das Grundeinkommen ist richtig, aber das Modell, das Götz Werner vertritt, hat keine Zukunft. Oder besser gesagt: es führt zu noch mehr Armut bei der Mehrheit der Bevölkerung und weitere Bereicherung der Superreichen (vielleicht ist das ja auch genau so beabsichtigt!). Götz Werners Ansatz: 800 bis 1000 Euro im Monat werden durch eine 50%-ige Umsatzsteuert (früher fälschlicherweise “Mehrwertsteuer” genannt) finanziert, sämtliche sonstige Steuern fallen weg. Im folgenden die wahrscheinliche, stark vereinfachte Entwicklung: 1. Wer dann 1000 Euro verdient, gibt mit Sicherheit alles aus, trägt also mit 500 Euro zum Grundeinkommen bei. 2. Wer dann 5000 Euro verdient, gibt vielleicht etwas mehr aus, sagen wir mal 1500, trägt also mit 750 Euro (= 50%) zum Grundeinkommen bei. Aber er kann 3500 Euro beiseite legen, die er nicht zu versteuern braucht, selbst dann nicht, wenn er das Geld anlegt und noch mehr Gewinn macht. Das ist nicht schlimm. Aber die Leute, die 100.000 Euro verdienen, werden 95.000 davon beiseite legen und keine Steuern dafür zahlen. Und die, die 1 Million auf der Bank haben zahlen überhaupt keine Steuern dafür, werden also nur immer reicher, ohne jemals gearbeitet zu haben. 3. Das Grundeinkommen wird über die 50%-ige Steuer auf die heutigen Preise aller Produkte finanziert. Wenn irgendwann in den Entwicklungsländern auch ein Grundeinkommen eingeführt werden sollte (was wir ja alle wünschen und befürworten) oder die Rohstoffe durch ökologische Maßnahmen teurer werden, dann werden die Preise aller Importwaren und Rohstoffe bei uns entsprechend teurer. Sollten sich die Preise zum Beispiel verdoppeln, so bräuchte der Arbeitslose bzw. Sozialhilfeempfänger nun 1000 Euro mehr, also insgesamt 2000 Euro zum leben. Da der Staat über die Umsatztsteuer aber nur 50% von der Preiserhöhung erhält, also 500 Euro, kann er das Grundeinkommen gar nicht um 1000 Euro erhöhen. Die Durchschnittsverdiener werden zwar auch mehr ausgeben müssen (und folglich etwas ärmer werden), aber da sich die Ausgaben vom Staat auch erhöht haben, ist es fraglich, ob die Mehreinnahmen reichen, um das Grundeinkommen wie benötigt zu erhöhen. Sehr wahrscheinlich wird es nur auf 1500 Euro aufgestockt, bei 2000 Euro Lebenshaltungskosten. Die Armen werden wieder ärmer, die ganz dicken Verdiener und Vermögenden spüren die Preiserhöhung kaum, da sie sowieso nur einen kleinen Teil ihres Vermögens zum leben brauchen. Irgendwann stoßen auch die Durchschnittverdiener an ihre Grenzen, sie müssen sich zurückhalten, der Konsum sinkt, mehr Arbeitslosigkeit, es folgen die bekannten Krisen.

FAZIT:
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1. Götz Werners Modell funktioniert nur, wenn die Ärmsten der Welt weiterhin Hungerlöhne bekommen und Rohstoffe weiterhin umweltzerstörend gefördert werden, so dass die Preise bei uns niedrig bleiben.

2. Ein stabiles Grundeinkommen kann nur existieren, wenn eine Umverteilung von ganz oben nach unten statt findet, also wenn die großen Vermögen verkleinert und nach unten weiter gegeben werden (durch Besteuerung?). Das ist auch nicht weiter schlimm, denn diese Vermögen sind ja Dank des Konsums der Bürger entstanden, und es bleibt ihnen noch genug übrig.

Bereits 600 vor Christus hat Solon in Griechenland die Verarmung und Schuldsklaverei der Bürger dadurch gestoppt, dass das Land der Großgrundbesitzer an die Armen verteilt wurde. Was für 10 Jahre gedacht war, wurde nie wieder geändert.

#12 Comment By Viktor Panic On 25.06.09 @ 05:46

Zur Kritik von “Gabriel”: (Kritikwürdig ist die Behauptung), ein Bürger mit 5000 Euro Einkommen würde nur 30% davon ausgeben, den Rest sparen, BLOSS weil er auf diese Weise keine Steuern zahlen muss? Und einer mit 100.000 würde nur 5% ausgeben, 95% sparen?
Nein, irgendwann müsste das Geld ja auch ausgegeben werden, und in diesem Moment spielt es dann keine Rolle mehr, ob man sein Einkommen steuerfrei hatte und es nun zur Hälfte abgeben muss, oder ob das Einkommen zur Hälfte besteuert wurde, wenn man stattdessen steuerfrei einkaufen könnte! (Abgesehen vom der Inland-Ausland-Frage.)
(Wohlhabende) haben in letzter Zeit bitter erfahren/gelernt, dass eine übertrieben hohe Sparquote einfach nicht sinnvoll angelegt werden kann – das Geld vermehrt sich einfach nicht richtig, wenn es zuviel davon gibt, und wenn zuwenig davon für Konsum ausgegeben wird!
Auch ich stehe Götz Werner’s Konsumsteuer-Konzept (nicht skeptisch, aber) kritisch gegenüber, da ich einen solchen falschen Sparanreiz sehe; aber die Wohlhabenden lernen gerade, dass Wirtschaft ein Kreislauf ist, der ins Stocken gerät, wenn man zuviel spart. – Das gilt auch beim Werner-Modell. – Sie werden ihr Geld ausgeben MÜSSEN.

#13 Comment By Michael Klockmann On 26.06.09 @ 11:52

Richtig Victor, die Annahme derartig hoher Sparquoten (bis 95%!) ist allerdings mehr als nur kritikwürdig. Allein ein kurzer Blick auf die Realität, also auf einschlägige Statistiken zur Einkommmensverwendung, verweist “Gabriels” Ausführungen ins Reich derjenigen zeittypischen Phantasmagorien, die so haltlos wie weit verbreitet sind. Die durchschnittliche Sparquote lag 2005 bei genau einem Neuntel der Einkommen. Natürlich nimmt die bei hohen Einkommen noch zu, aber selbst die Einkommensgruppe von 5.000 bis 18.000 € Monatseinkommen spart kaum mehr als ein Fünftel. (genau 21,8%, Quelle: DIA 2005, Destatis). Dass nun von den oberen 10.000, also den 0,03% Einkommensmillionären auch nur einziger wie Dagobert Duck seinen Lebensstandard unter den eines armen Schluckers mit 18.000 pro Monat absenkt, nur um keine Mehrwertsteuer zu zahlen ist so irreal wie irrelevant.

#14 Comment By Lothar Mickel On 27.06.09 @ 16:29

Geld hat keinen Wert, wenn es nicht ausgegeben wird – wofür auch immer. Und hier stellt sich die Frage, ob eine “klassische” Konsumsteuer tatsächlich ALLES Geldausgeben erfasst. Und genau dies ist nicht der Fall. Wir brauchen also eine viel weitreichendere “Neue Konsumsteuer”, die sämtliche Geldströme – also vor allem auch den Kauf von Börsenprodukten – einschließt. Und wenn dann die Wohlhabenden große Summen für derlei “Geschäfte” ausgeben, dann fließen unglaubliche Geldmengen in öffentliche Kassen. Dann genügt auch eine generell einheitliche “Neue Konsumsteuer von 1 % oder noch weniger. Die Steuererhebung kann automatisiert erfolgen (integriert in der Bankensoftware). Schlupflöcher gibt es nicht.
Und ein genügend hohes BGE senkt auch drastisch die Sparwut.
Und noch etwas: Jede(r) möge sich mal mit dem grundsätzlich fehlerhaften Geldsystem beschäftigen: “Gib mir die Welt + 5 %”.

#15 Comment By Thorsten On 29.06.09 @ 15:12

So groß der Reiz des Modells von Götz Werner durch seine Schlichtheit und Radikalität ist, hat es doch einige Tücken.

Ein Modell, das die angesprochenen Probleme berücksichtigt ist das Dilthey-Modell ( [4]). Mit diesem scheint eine Umsetzung des BGE durchaus möglich zu sein.

#16 Comment By Reinhard Börger On 03.07.09 @ 13:57

Götz Werner geht, wie wohl die meisten, von dem Ziel aus, dass die Wirtschaft irgendwie “gut laufen” solle. Ich sehe es dagegen als Hauptaufgabe der Wirtschaft an, die Dinge zu produzieren, die die Menschen haben wollen. Wozu produziert man dann aber etwas, dessen Konsum subventioniert werden muss. Für mich (im Gegensatz zu Götz Werner) ist das das Hauptargument für das BGE: Es entlastet die Wirtschaft vom Wachstumsdruck; es muss nichts mehr hergestellt werden, das eigentlich niemand haben will und das die Umwelt belastet, nur damit Menschen irgendwie etwas verdienen können. Mir erscheint beispielsweise aus sozialen Gründen eine progressive Einkommensteuer weiterhin sinnvoll; mit dem BGE ist sie auf jeden Fall vereinbar. Dann entfällt aber auch die Kritik am angeblich konjunkturfeindlichen Sparen. Aber abgesehen davon: Das meiste gesparte Geld landet nicht im Sparstrumpf, sondern auf der Bank, wo andere dafür konsumieren. Ob man selbst für sein Geld etwas kauft oder jemand anders, dem man das Geld geliehen hat, bedeutet doch für die Konjunktur das Gleiche. Außerdem bedeutet das BGE, dass Sparen nicht mehr bestraft wird. Wer Geld für seine Rente oder für die Ausbildung der Kinder gespart ist, muss es beim BGE im Notfall nicht mehr aufbrauchen wie heute bei Hartz IV mit seinen rigiden Regelungen zum Schonvermögen. So wird Vorsorge wieder attraktiver.

#17 Comment By Lothar Mickel On 08.07.09 @ 00:54

Wirtschaft muss im Dienst der Verbraucher agieren und genau dies regulieren die Marktgesetze. Wichtig dabei ist das “Gleichgewicht der Kräfte” – soll heißen: die Allgemeinheit (Gesetzgebung) hat dafür zu sorgen, dass keine einseitigen Übergewichte weder auf der Angebots- noch auf der Nachfrageseite entstehen. Die überflutenden Angebotsmärkte der Industrienationen bedürfen dringendst einer Stärkung der Nachfrage durch die Etablierung eines teilhabefesten bedingungslosen Grundeinkommens. Parallel hierzu sind auch alle die Märkte verbiegenden Steuern und Subventionen zu eliminieren. Und dazu gehört auch die ungerechte – weil progressive – Einkommenssteuer. Die zwingend notwendigen Aufgaben im öffentlichen Interesse (Katastrophenschutz, Infrastruktur, Polizei, Öffentlicher Nahverkehr …) können und müssen in naher Zukunft über eine permanente und generelle Partizipation an ALLEN Geldflüssen eingebracht werden.

#18 Comment By Andreas Roland On 21.05.10 @ 00:06

Ich höre eine Menge über bedingungsloses Grundeinkommen, ich stimme zu. Ist aber leider nur ein schöner Traum, wird leider nicht funktionieren, weil es Menschen gibt die das Geld verwalten und Banken, die den Wert des Geldes diktieren, und Menschen die sofort die Lebenshaltungskosten erhöhen.

Besser ist es, Lebensraum für alle zu verteilen. Jeder hat dann die Möglichkeit, sich selbst zu versorgen. Deutschland würde ausehen wie ein riesieger Schrebergarten, und niemand müsste Grundsteuern zahlen, weil jeder frei auf dieser Erde geboren ist. Ich ziehe Selbstversorgung vor, statt Fremdversorgung. Wenn ich Geld verdienen will, ist es meine Wahl. Aber es funktioniert nur, wenn es keine Überbevölkerung gibt.

#19 Comment By Martin On 21.03.12 @ 21:42

Zur Jungen Freiheit:

An der freiheitlichen Grundordnung kann Menschen, die eine Zeitung mit einem Tabu belegen wollen und Interviews mit ihr sanktionieren wollen, nicht viel gelegen sein.