Gegen Sanktionen bei Hartz IV: Zwei Petitionen und ein Moratoriums-Aufruf

Archiv 18.09.2009 Druckversion

Gegen den § 31 SGB II, der vorschreibt, Hartz-IV-BezieherInnen bei Pflichtverletzungen das Existenzminimum zu kürzen und im Wiederholungsfall ganz zu streichen, gibt es zwei Petitionen und einen Aufruf. Hier einige Erläuterungen:

1. Online-Petition Arbeitslosengeld II – Abschaffung der Sanktionen nach § 31 SGB II

Diese Petition wurde am 28.10. mit 6.316 Unterzeichnenden beendet. Sie kann bis zum Ende der parlamentarischen Prüfung zwar noch per Brief, Fax, Postkarten oder Sammellisten mitgezeichnet werden. Die Durchsetzung einer öffentlichen Anhörung zur Petition ist allerdings nicht mehr möglich, da die dafür erforderlichen 50.000 Mitzeichnungen innerhalb der vorgeschriebenen drei Wochen nach Veröffentlichung der Petition nicht erreicht wurden.

2. Unterstützerliste zur aktuellen Sammelpetition Sanktionen weg. Schluss mit den Sanktionen bei Hartz IV – Ersatzlose Streichung des Sanktionsparagrafen 31 SGB II !
Vorgehensweise hier: Unterschriftenlisten ausdrucken, Unterschriften sammeln und die Listen zum Petenten senden. Die Forderung des Petenten wird mit drei Argumenten und umfangreichem Material begründet (siehe Website). Die Petition soll als Sammelpetition eingereicht werden, wenn 50.000 Unterschriften beisammen sind, so dass eine öffentliche Anhörung im Deutschen Bundestag gemäß Petitionsrecht erfolgen muss.

3. Sanktionsmoratorium. Den Sanktionsparagrafen aussetzen!
Hier wird von einem breiten Bündnis gefordert, die Anwendung des § 31 auszusetzen. Es ist möglich die Forderung online zu unterstützen. Auf der Website finden sich viele gute Argumente.

10 Kommentare

Manfred Burger schrieb am 25.09.2009, 16:42 Uhr

Die Petition hat erst 2400 UnterstützerInnen !!!

Was ist los?

Wo sind die Organisationen die tausendfach Newsletter verschicken und diese Petition pushen könnten?

Wo sind die 50000 Personen, die die Petition von Susanne Wiest unterstützt haben?

Warum mischen wir uns so wenig ein?

Bernhard schrieb am 31.10.2009, 13:40 Uhr

Es ist wohl so wie immer. Wenn keine schnellen Erfolge erzielt werden, dann tauchen viele Menschen wieder in die vielen kleinen Alltagsprobleme unter - anstatt in vielen kleinen und großen Schritten für einen echten Wandel zu arbeiten. Die eigentlichen Probleme wie Klima, Hunger in der Welt, Wasserverschmutzung und -verknappung, werden durch die meisten einfach weggedacht. Jeder kennt die großen Menschheitsprobleme. Bei Spendenaufrufe wird dann schnell gesagt: \"Das Geld kommt ja doch nicht an\" oder \"Die schaffen das sowieso auch mit meiner Spende nicht\". Wie viele Menschen nehmen sich wirklich die Zeit und schauen sich den Film \"Home\" von Yann Arthus-Bertrand an? Viele Dinge auf unserem Planeten sind bereits unwiederbringlich zerstört. Aber jeder glaubt, dass er seine eigene Lebensweise nicht ändern müsste. Dieses Verhaltens- und Denkmuster ist auch auf das Grundeinkommen übertragbar. Das Grundeinkommen werden wir nicht bekommen, weil die Politiker nicht Willens sind, sondern weil zu wenige Bürger davon überzeugt sind. Und wenn die Welt in ein paar Jahrzehnten kollabieren wird, dann ist ein Grundeinkommen sowieso nicht mehr möglich, da wir kein Papier mehr haben werden, womit wir die Geldscheine drucken können. \"Es ist zu spät, um Pessimist zu sein.\" (Zitat: Yann Arthus-Bertrand)

Lothar Mickel schrieb am 08.11.2009, 22:05 Uhr

Die ersatzlose Streichung des Sanktionsparagraphen erhebt das ALG II de facto zu einem BGE light. Und genau das darf gerade nicht passieren, denn es unterwandert die Wirkungen eines echten BGE. Ein Paradigmenwechsel findet nicht statt und wird auf unbestimmte Zeit verschoben - ebenso wie mit dem FDP- oder Althaus-Bürgergeld.

Das gesellschaftsverändernde BGE ist vergleichbar mit den Umwälzungen 1989. Es kann nur und muss über einen mindestens europaweiten Volksentscheid durchgesetzt werden und dazu bedarf es noch einer grandiosen Aufklärung der europäischen Völker. Alle anderen nationalen \"Reformversuche\" sind zum Scheitern verurteilt.

Agnes Schubert schrieb am 16.11.2009, 22:58 Uhr

@Manfred: Weil wir gesehen haben, wie wenig Petitionen bringen.

@Lothar

Ein \"BGE-Light\" verschiebt gar nichts. Warum sollte es? Wo ist denn eigentlich der feste Zeitpunkt des echten BGE, der da verschoben werden sollte? Gerade wenn man von EU-weiter Einführung ausgeht - die ja wohl ohnehin noch ein Weilchen dauern wird -, ist mir das Argument ein Rätsel. Eher brächte ein BGE-Light noch ein Abbauen von Gegnerschaft durch Erfahrungen die zumindest graduell in Richtung BGE deuten. Diejenigen, die von einem echten BGE direkt und unmittelbar profitieren, wären auch bei erlebten BGE-Light noch für das echte BGE zu haben. Ein paar andere Leute aber verlören die Basis ihrer Gegenargumente.

Lothar Mickel schrieb am 19.11.2009, 11:04 Uhr

Ein BGE-light, das nicht teilhabefest ist, dient lediglich als soziale Beschwichtigungsmaßnahme und entfaltet nicht die dringendst notwendigen gesellschaftsverändernden Wirkungen hin zur echten Freiheit jedes menschlichen Individuums. Es wirkt als Alibi und entschärft alle Bemühungen der BGE-Befürworter. Das echte BGE ist dann wahrscheinlich nie mehr durchsetzbar - zumindest nicht mehr, bevor wir den Planeten an die Wand gefahren haben.

Jörg schrieb am 23.11.2009, 15:56 Uhr

Eine Aufhebung der Sanktionen bei Hartz IV ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Als direkt Betroffener kann ich nur hoffen dass diese in meinen Augen die Menschenwürde verletzende Praxis bald der Vergangenheit angehört.

Bernhard schrieb am 23.11.2009, 23:58 Uhr

Alles was näher zum BGE rückt ist richtig, weil die notwendige Vorstellungkraft für das echte BGE gestärkt wird. Die Idee vom BGE steht den zeitlich überholten, aber tiefsitzenden Suggestionen gegenüber. Diese quasi über Generationen vererbten \"Suggestionsgene\" werden nicht durch eine gute Idee einfach weggewaschen!

Alles was die Vorstellung zum BGE erleichtert, hilft gegen die tiefsitzenden Gesellschaftssuggestionen. Jede Idee ist durchsetzbar. Dies hängt jedoch unmittelbar davon ab, wieviele Menschen sich in die Thematik verlieben und wieviele sie weitertragen. Die Durchsetzungsfähigkeit hängt nicht von den Bemühungen von ein paar BGE-Befürwortern ab, sondern von deren breiter Kommunikation.

Hochschulhartzi schrieb am 25.11.2009, 14:50 Uhr

Doch, Sanktionen weglassen ist eine große Hilfe!

Zumindest für die, die davon betroffen sind und sowieso keinen Klassenkampf und keine Revolution mitmachen wollten (und das sind nunmal die meisten!). Nur den typischen Revolutionsfreunden kommt das nicht zu Pass. Die wollen nämlich, dass der träge Haufen erstmal gegen die Wand fährt, bevor er aus Not heraus nach etwas anderem schreit. Solche Argumente kommen folglich eher von Leuten, die nicht vorrangig \"SICHERHEIT UND FREIHEIT\" stärken wollen, sondern von solchen, denen es ums Prinzip des gewaltsamen Umschwungs geht.

Die sind meist aber nicht von den wirklich schlimmen Sanktionen betroffen (wer darunter wirklich leidet, schämt sich und versteckt sich und hat keine Kraft mehr, etwas ändern zu wollen, geschweige denn für sich ganz allein ein \"Jöbchen\" zu finden).

Ich freue mich über jeden Erfolg für mehr Selbstbestimmung - und da ich selbst ein motiverter \"Kämpfer\" bin, ggf. als \"Klasse\" aber natürlich auch allein, würde ich mit dem BGE-light wesentlich effektiver an der Revolution arbeiten, wenn ich nicht doch noch zumindest für andere gegen die Sanktionspraxis vorgehen müsste. ;-)

Außerdem finde ich blutige Schlachten und opferreiche Kämpfe konservativ und langweilig, ich will wirklich mal was anderes und zwar die neue Zeit leben.

BGE ist wie einen Job suchen derzeit: man muss vielseitig und flexibel in alle Richtungen etwas ausprobieren, sich engagieren! Wenn ein schlechtes Angebot (wie von der FDP) kommt, wird es (bitte rechtzeitig) abgelehnt, wenn Sanktionsfreiheit durchkommt (Ralph, neue Petition einreichen? Sonst mach ich das wohl über die Feiertage...), dann kann man den Job annehmen und sich ggf. gleich weiterbewerben.

Feiert mit denen, die von Sanktionsfreiheit sofort profitieren und nutzt diese Freiheit, Euch weniger vor ALG-II zu fürchten und seid nen Tick weniger erpressbar in Job und Jobsuche! Freut Euch über mehr Vordenker und Mitmacher im BGE.

BGE light ist ein Schritt in Richtung BGE. Wer dann aufhört, scheint zufrieden, ich wär\'s wohl nicht, aber ich weiß, dass es für viele erstmal eine wahnsinnig tolle Entlastung wäre, und dass dann Kraft für die nächste Runde da ist. Dann sehen nämlich die \"Kleinen\": so schwer ist es doch gar nicht, also mitmachen, Synergieeffekte nutzen ;-)

Soulman schrieb am 07.12.2009, 15:43 Uhr

Die Petition richtet sich an die falsche Adresse. Nicht die von sich und dem Sanktionsparagraphen 31a überzeugten Politiker sollten angesprochen werden, da sie als Funktionäre des \"Vater Staates\" Steuergelder einsparen, die sie unter sich als Diäten wieder verteilen können.

Vielmehr sollte auf europäischer Ebene die Verfassungwidrigkeit dieses Gesetzes festgestellt werden, da hier wesentliche Persönlichkeitsrechte, der Diskriminierungsparagraph, Grundsätze der Gleichbehandlung, Freiheit der Berufswahl und nicht zuletzt die Würde des Menschen angegriffen werden. Weitere Fölgeverfahren der werden HartzIV weiter in Frage stellen.

K. Schwarzer schrieb am 20.11.2011, 10:18 Uhr

Ich finde, man sollte auch gegen den § 10 SGB II vorgehen, der von Leistungsbeziehern verlangt, jede zumutbare Arbeitsstelle an zu nehmen. Das Problem dabei ist, dass das gegen den Artikel 12 Grundgesetz verstößt. Der nämlich lautet:

Artikel 12 (Berufsfreiheit)

Abs.: 1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch ein Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

Abs.: 2) In dieses Recht kann nur im Rahmen einer allgemeinen und für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflich nach Artikel 12a eingegriffen werden.

Abs.:3) Zwangsarbeit ist nur im Rahmen eines gerichtlich angeordeten Freiheitsentzuges zulässig.

Zur Erklärung: Die im Abs.:2) erwähnte allgemeine und für alle gleiche öffentliche Dienstleistungspflicht beschränkt sich nur auf Personen, welche der Wehrpflicht bzw. der Pflicht zum Wehrersatzdienst (siehe Artikel 12a Grundgesetz) unterliegen.

Leider zwingt der § 10 SGB II viele Leute in menschenuwürdige Arbeitsverhältnisse hinein. Da bei Verstößen mit Leistungskürzng gedroht wird, kann man hier von Zwangsarbeit reden, die jedoch laut Artikel 12 Abs.: 3) Grundgesetz nur bei einer strafrechtlichen Verurteilung sein darf. Ich finde, da hier elementare Menschenrechte verletzt werden sollte auch gegen den § 10 SGB II vorgehen! Da Verfassungsklagen die finanziellen Möglichkeiten der Betroffenen übersteigen dürften, sollte man vielleicht eine Sammelpetition an den deutschen Bundestag in Betracht ziehen.

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