Europa-Parlament fordert Prüfung des Grundeinkommens

Ronald Blaschke 18.10.2008 Druckversion

Der Beschluss des Europäischen Parlaments zum so genannten „Zimmer-Bericht“ fordert die Kommission auf, die armutsbekämpfende Wirkung des bedingungslosen Grundeinkommens für alle zu prüfen. Dieser „Bericht über die Förderung der sozialen Integration und die Bekämpfung der Armut, einschließlich der Kinderarmut, in der EU“ ist mit Zustimmung aller deutschen Parlamentarier der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, der Partei DIE LINKE, der SPD und der Mehrheit der Parlamentarier der CDU/CSU (übrigens auch alle für einen Mindestlohn gemäß EU-Definition) angenomen worden.

Darin heißt es unter Ziffer 7: „Das Europäische Parlament … stimmt der Kommission zu, dass die Sozialhilfeniveaus in den meisten Mitgliedstaaten bereits unterhalb der Armutsschwelle liegen; pocht darauf, dass das zentrale Ziel von Einkommensstützungssystemen darin bestehen muss, Menschen aus der Armut zu führen und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, fordert die Kommission auf, die armutsbekämpfende Wirkung des bedingungslosen Grundeinkommens für alle zu prüfen.“

Mehr dazu auf der Homepage der Europa-Abgeordneten Zimmer. Soweit bekannt, ist der Passus zum bedingungslosen Grundeinkommen vom MdEP Sepp Kusstatscher, Grüne, eingebracht worden. Er ist auch an dem Berliner Grundeinkommenskongress beteiligt.

5 Kommentare

Georges schrieb am 21.10.2008, 09:42 Uhr

Ich bin absolut für das Grundeinkommen, doch verstehe ich nicht genau, warum der Bürger nicht auch für den Staat, also die Gesellschaft, die für ihn zahlt, eine Art Gegenleistung erbringen sollte.

In Form eines Dienstes, der zum Wohle aller, ein Tag die Woche, ein Monat im Jahr oder jeweils nach dem Bedarf der Gesellschaft gestaffelt ist, um dort, wo Bedarf und Mangel innerhalb der Gesellschaft besteht, (Altenheime, Krankenhäuser, Kindergärten, Umweltschutz und viele anderen Bereiche) zu helfen. Folgende Gründe sprechen dafür:

1. der Mensch soll die Leistung der Gesellschaft für ihn selbst nicht zu schätzen verlernen und eben der Gesellschaft, der er angehört, dankbar sein

2. der Mensch setzt sich so mehr für die anderen ein, also wird die Gemeinschaft im Denken und Handeln des Einzelnen gestärkt

3. so hilft jeder auf seine Weise den sich wandelnden Branchen, die wie jetzt zu sehen ist, immer wieder mal die Hilfe des Staates brauchen. So lernt jeder auch die Perspektiven der Anderen zu sehen und zu verstehen.

4. damit sich ein allgemeiner Konsens einer „guten und gerechten Sache zum Nutzen aller“ quer durch die Schichten der Gesellschaft bilden kann, auch dort, wo man gegen die Idee des Grundeinkommens ist

5. es ist die absolute Rechtfertigung von Reichtum, da Gerechtigkeit eintritt, moralisch niemand mehr für privaten Reichtum angeprangert werden kann, da ja für die Gesamtbevölkerung gesorgt wird, die Schere zwischen Arm und Reich zwar weiter auseinander gehen wird, dies aber nicht mehr so wichtig ist, da ein Leben für alle Bürger/innen ohne Existenzangst gesichert ist

6. alle anderen Formen von Unterstützungen seitens des Staates wegfallen, die von vielen Behörden kontrolliert werden müssen und durch die Erfassung, die Berechnung, die Verteilung und möglicherweise auch Sanktionierung einen erheblichen Aufwand darstellen. Hier würde ich die Unterstützung von innovativen Projekten in der Wirtschaft stets ausschließen. Den Fortschritt muss man stets unterstützen.

7. somit endlich eine vernünftige Gesellschaft entstehen kann, auf deren Basis der Mensch vielleicht das leisten kann, wozu er eigentlich in der Lage ist, der Mensch somit endlich mehr lernen wird und sich in der Gesellschaft um die wahren Probleme und Bedürfnisse des Lebens auf diesem und in Zukunft auf anderen Planeten kümmern kann.

Ich wünsche uns allen und unseren Kindern, dass Sie dieses Vorhaben realisieren können, denn eine Gesellschaft, deren immer stärker und besser arbeitende Marktwirtschaft von materiellen Zwängen losgelöst ist, merkt, dass es sich nur lohnt, das zu produzieren, was Sinn macht, und dabei wird die Qualität nachhaltig sein. Und wir glauben doch alle an die Marktwirtschaft als Anreiz zum Fortschritt. Um diese noch besser zu machen und vielen Bürgern zu helfen, sich am Fortschritt zu beteiligen, brauchen wir das Grundeinkommen. Denn die Tat allein beweist der Liebe Kraft.

Mathias Schweitzer schrieb am 21.10.2008, 21:31 Uhr

Das Grundeinkommen soll bedingungslos an alle Menschen bezahlt werden und ohne jegliche Forderungen von Gegenleistungen sein. Das BEDINGUNGLOSE Grundeinkommen steht jedem Menschen zu, wie die Luft zum Atmen, die freie Meinungsäußerung etc. Das ist der Grundsatz so wie ich ihn verstehe und unterstütze.

Die Menschen werden sich nicht mit ihrem Grundeinkommen zufrieden geben. Sie werden sich Arbeit suchen, um mehr Geld zu bekommen und sich noch mehr anschaffen, da wo es möglich ist. Sie werden sich freiwillig gesellschaftlichen Aufgaben zuwenden, da jeder Mensch begierig nach Anerkennung und damit Erfüllung seines Lebens ist. Sie werden sich aber auch keine Arbeit suchen können, da wo keine vorhanden ist. Sie werden allerdings nicht mehr abwandern müssen (Osten), um ihren Familien die Existenz zu sichern. Gerade für diese Menschen und Regionen ist das BGE ein riesiger Gewinn. Deshalb müssen wir gemeinsam die Idee des BGE, auch wenn wir unterschiedliche gesellschaftliche Auffasungen haben, unterstützen, bekannt machen und den Menschen alle Ängste davor nehmen.

Ich würde mich freuen, wenn wir das gemeinsam noch zu meinen Lebzeiten hinbekommen.

A.Berndt schrieb am 22.10.2008, 15:39 Uhr

Gerade von dem Gedanken an einen \"Dienst\" als Gegenleistung für ein bGE müssen wir uns verabschieden können, um die Möglichkeiten für die Entwicklung der Gesellschaft zu sehen. Egal im welchen Bereich dann Tätigkeiten und hilfen benötigt werden, wird man immer Menschen finden, die diese Tätigkeiten als Ihren Beitrag sehen, entweder dauerhaft oder auch zeitweise. Ich könnte mir vorstellen, das es dann zu vergleichbaren Bewegungen kommen könnte, wie z.B. bei Hochwasserkatastrophen o.ä., nur eben nicht, das immer erst Katastrophen eintreten müssen, um diese Potentiale zu nutzen. Nur, sind wir als Bürger, als Vorgesetzer, als Chef fähig, mit Kommunikation und nicht mit Druck mit Menschen umzugehen? Dazu müssen noch viele Erwachsene erwachsen werden; Ich nehme mich da nicht aus, sondern begreife diese Entwicklung langsam auch immer als einen rein persönliche Prozess, der in unserer Kultur nicht zu einfach ist.

Bernd Kowarsch schrieb am 23.10.2008, 11:54 Uhr

In einem sich als Republik verstehenden Staat gründet die Pflicht zur Achtung der Rechtsordnung (des Gewaltmonopol) auf freiwilliger Anerkennung. Die Pflicht ist damit eine moralische und die Republik \"...darauf angewiesen, daß ihre Bürger als moralische Wesen ansprechbar sind, als Menschen also, die verstehen, was es heißt, im moralischen Sinne verpflichtet zu sein, und die grundsätzlich bereit sind, ihr Verhalten nach moralischen Normen auszurichten.\" (Paul Tiedemann; \"Humboldt Forum Recht\":http://www.humboldt-forum-recht.de/deutsch/7-1997/beitrag.html#punkt1; Nr.10)

Die für die Republik unverzichtbare Bereitschaft ihrer Bürger zu Moralität setzt die Erfahrung von Moralität voraus. \"Jeder, der fähig ist, moralisch zu handeln, muß selbst zuvor moralisch behandelt worden sein. Nur wer um seiner selbst willen ohne Wenn und Aber anerkannt worden ist, bevor er anerkennen konnte, kann die Fähigkeit und den Willen aufbringen, andere bedingungslos anzuerkennen. Weil ein solcher Mensch am eigenen Leib erfahren hat, daß er, um mit Kant zu reden, keinen Preis, sondern eine Würde hat, kann und will er auch jedem andern diese Würde zusprechen.\" (ebd.14)

Wo Menschen die Rechtsordnung akzeptieren aus Furcht vor Strafe oder Zwang ist der Staat nicht republikanisch und ihr Bewußtsein um die moralische Pflicht wird dort nicht entstehen. Ihre Handlungen werden geleitet sein von Strategien und Nutzenkalkülen. \"Ein Staatswesen, das darin [mit Zwang und Gewalt zu sozial kompatiblem Verhalten anhalten] seine Aufgabe und seinen Zweck sieht, mag noch so effektiv und wirkungsvoll sein, eine Republik ist es nicht mehr.\" (ebd.17)

Wo der Staat sich als Republik versteht, wird er den Menschen als Zweck-an-sich anerkennen und damit den Grund legen für das moralische Verhalten seiner Bürger untereinander aber auch in Bezug auf ihn selber. Republik ist darauf angewiesen, daß sich ihre Bürger \"im Geiste der Brüderlichkeit begegnen\". Das sie dieses sollen bedeutet, daß ein so motiviertes Verhalten nicht erzwungen werden kann.

Tobias Teetz schrieb am 23.10.2008, 21:34 Uhr

Aus der Sicht eines Naturwissenschaftlers bin ich definitiv für ein Grundeinkommen und schließe mich daher Mathias Schweitzers Meinung an. Es wäre absolut falsch, den vielen Millionen Arbeitslosen die Schuld für die Einkommenslosigkeit zu geben.

Es könnte möglich sein, dass viele Probleme gelöst werden könnten, wenn Einsicht bestünde. In der Naturwissenschaft ist man immer an einer eindeutigen, an klaren sachlichen Beschreibung und an eindeutigen Lösungsansätzen interessiert.

Für die gesamte Gesellschaft muß man jedoch die Sachlage im richtigen Kontext einbetten.

Es wäre also durchaus möglich (wenn auch nicht wahrscheinlich), dass ein Chemiker per Zufall eine chemische Reaktion findet, womit man billig Kohlendioxid in einen Kohlenwasserstoff umsetzen könnte. Voraussetzung dabei wäre, dass er zuvor die Zeit und den Willen hatte, suchen zu können. Freiheit gehört auch zum Wohlstand.

Falls ein freier Mensch seine Freiheit jedoch nicht richtig nutzt, hat dies Nachteile.

Wenn Menschen sich in ihrer (Arbeits-)Zwangslage von Problemen der Gemeinschaft abwenden, hielte ich das für schlecht.

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