Finanzierung des bedingungslosen Grundeinkommens

Ingmar Kumpmann 19.02.2009 Druckversion

Die Diskussionen zum bedingungslosen Grundeinkommen sind davon geprägt, dass das Grundeinkommen aus sehr unterschiedlichen, teilweise entgegengesetzten Motiven heraus angestrebt wird. Dieser großen Unterschiedlichkeit der mit dem Grundeinkommen verbundenen Ziele entspricht die Unterschiedlichkeit der vorgeschlagenen Modelle. Dabei ist wesentlich, dass oft nicht das Grundeinkommen selbst sehr unterschiedlich ausgestaltet ist, sondern dass das Grundeinkommen mit unterschiedlichen anderen Reformvorschlägen für das Steuer- und Sozialsystem verknüpft wird.

Wirtschaftsliberale Modelle verbinden das Grundeinkommen mit der Einführung einer Flat Tax in der Einkommensteuer, einer Kopfpauschale als Beitrag zur Krankenversicherung und der Abschaffung der Lebensstandardsicherung durch Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung. Diese Verknüpfung des Grundeinkommens mit anderen Reformvorschlägen erschwert die Untersuchung der Frage, ob ein Grundeinkommen finanzierbar wäre. Denn bei der Analyse der finanziellen Folgen müssen die Wirkungen des Grundeinkommens und die Wirkungen der vorgeschlagenen Begleitmaßnahmen auseinander gehalten werden.

Unter einem Grundeinkommen wird ein Einkommen verstanden, das von einem politischen Gemeinwesen an alle seine Mitglieder individuell, ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Pflicht zur Gegenleistung gezahlt wird.[1] Außerdem ist das Grundeinkommen in Existenz sichernder Höhe anzusetzen, da es andernfalls viele seiner intendierten Zwecke nicht erfüllen könnte.

Das Grundeinkommen ist ein neues Instrument der Mindestsicherung. Daraus ergibt sich auch, welche der bestehenden sozialen und steuerlichen Instrumente durch das Grundeinkommen ersetzt werden müssten. Als neue universale Mindestsicherung ersetzt das Grundeinkommen die Sozialhilfe, in Deutschland das Arbeitslosengeld II, die Ausbildungsförderung, das Kindergeld und die Steuerbefreiung des Existenzminimums in der Einkommensteuer. Es ersetzt auch Rente und Arbeitslosengeld, dies jedoch nur in der Höhe des Grundeinkommens.

Daraus ergibt sich auch, was ein so definiertes Grundeinkommen nicht ersetzt: Es stellt keinen Ersatz dar für soziale Leistungen und Steuervergünstigungen, die über die Mindestsicherung hinausgehen. Somit kann das Grundeinkommen Rente und Arbeitslosengeld bezüglich deren Funktion als Absicherung des individuellen Lebensstandards nicht ersetzen. Auch eine bestimmte Finanzierungsform der sozialen Krankenversicherung, eine bestimmte Ausgestaltung des Tarifs der Einkommensteuer sowie andere Steuerreformen erscheinen im Zusammenhang mit dem Grundeinkommen als willkürlich gesetzte sachfremde Zutaten, die sich nicht aus der Grundeinkommensidee herleiten lassen.

Da das Grundeinkommen die genannten Instrumente der Mindestsicherung ersetzt indem es deren Funktionen übernimmt, können die dabei entstehenden Einsparungen zur Finanzierung des Grundeinkommens genutzt werden. Allerdings soll das Grundeinkommen gegenüber den heutigen Instrumenten der Mindestsicherung eine Verbesserung bringen – sei es bei der Höhe der Mindestsicherungsleistungen oder durch Ausweitung des Empfängerkreises.[2] Beides erzeugt einen Finanzierungsbedarf, der über die Einsparungen bei heutigen Leistungen der Mindestsicherung hinausgeht. Folglich müssen zur Finanzierung zusätzlich Steuern erhöht werden.

Die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens bedeutet deshalb, dass am Markt entstandene Einkommen (Löhne, Gehälter, Gewinne, Zinsen, Spekulationsgewinne usw.) höher besteuert werden müssen als heute. Dies gilt auch bei einer Finanzierung über Konsumsteuern, denn auch diese senken (auf dem Umweg über eine einmalige Erhöhung der Preise) den realen Wert der erzielten Markteinkommen.[3] Der zusätzlichen Belastung von Markteinkommen durch Steuern steht jedoch das Grundeinkommen, das alle Gesellschaftsmitglieder beziehen, gegenüber.

Gewinner dieser Veränderung der Umverteilung werden alle jene sein, bei denen die zusätzlichen Belastungen geringer als die Verbesserung der Mindestsicherung durch das Grundeinkommen sind. Verlierer sind diejenigen, die mehr zusätzliche Steuern zahlen als sie Nutzen aus dem Grundeinkommen ziehen. Da die zusätzlich aufzubringenden Steuern direkt oder indirekt von der Höhe des eigenen Markteinkommens abhängen, werden in der Tendenz die Bezieher hoher Einkommen finanziell schlechter, die Bezieher geringer Markteinkommen besser gestellt als heute. Für viele Normalverdiener werden sich zusätzlich zu zahlende Steuern und die durch das Grundeinkommen verbesserte Mindestsicherung ungefähr die Waage halten.

Doch auch wenn sich das verfügbare Einkommen vieler Haushalte kaum ändert, bedeutet das Grundeinkommen eine tief greifende Änderung. Denn es verändert die Zusammensetzung des Einkommens. Insoweit das Grundeinkommen die Mindestsicherung verbessert, führt es dazu, dass von den Einkommen ein größerer Anteil unabhängig von eigener Leistung am Markt bezogen wird und der Anteil der Markteinkommen entsprechend sinkt. Selbst wenn die absolute Einkommenshöhe im Einzelfall sich kaum ändert, so verschiebt sich in jedem Fall die Anreizstruktur in der Volkswirtschaft. Während einerseits Markteinkommen stärker besteuert werden, wird andererseits ein größerer Anteil von Einkommen leistungsunabhängig bezogen.

Genau darin spiegelt sich eine der wichtigsten Intentionen des bedingungslosen Grundeinkommens wider: Es erhöht die Unabhängigkeit der Individuen vom Markt. Die Existenzsicherung wird bedingungslos garantiert. Die Freiheit der Menschen, zu einer schlechten Arbeit Nein zu sagen, steigt. Ausstiegsoptionen werden eröffnet, Teilzeitarbeit kann attraktiver werden, vorübergehende Auszeiten oder Sabbatjahre können individuell eher eingelegt werden. Die Autonomie der Menschen wächst.

Für das Marktgeschehen heißt dies, dass die Bereitschaft, durch Arbeit, Kapital, Wissen und unternehmerisches Engagement zur Wertschöpfung beizutragen, sinken kann. Auch empirische Studien belegen, dass die Leistungsbereitschaft sinkt, wenn eigene Leistung sich finanziell weniger auszahlt oder unabhängig vom Markteinkommen höhere andere Einkommen zur Verfügung stehen. Allerdings muss ein Rückgang der Leistungsbereitschaft sich dann nicht dämpfend auf die Produktion auswirken, wenn bislang unfreiwillig Erwerbslose in die Erwerbsarbeit eintreten. Dies hängt allerdings auch davon ab, dass diese Erwerbslosen die richtige berufliche Qualifikation mitbringen, was oft nicht gegeben ist.

Das Grundeinkommen trägt auch positiv zur Leistungsbereitschaft im Marktprozess bei. Die Risikofreude etwa bei der Gründung eines neuen Unternehmens kann wachsen, wenn das eigene Einkommen bereits als Grundeinkommen gesichert ist und nicht als Unternehmenserfolg verdient oder durch Kredit vorfinanziert werden muss. Andererseits ist fraglich, ob tatsächlich ein Mangel an unternehmerischer Risikofreude heute eine relevante Ursache für Produktionsengpässe ist. Zusätzlich stabilisiert das Grundeinkommen die Nachfrage und hilft somit Konjunkturkrisen abzufedern.

Mögliche bremsende Effekte auf die Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen am Markt sind ein häufig vorgebrachtes Argument gegen das Grundeinkommen. Dem stehen aber aktivierende Wirkungen jenseits des Erwerbssektors gegenüber. So verbessert das Grundeinkommen die Rahmenbedingungen für ehrenamtliche Aktivitäten und unbezahlte Familienarbeit. Tätigkeiten, deren Wert gerade in ihrer Freiwilligkeit liegt, werden begünstigt. Für die Finanzierung des Grundeinkommens ist jedoch die Folge des Grundeinkommens für die Wertschöpfung im Erwerbsprozess entscheidend, da nur hier die Steuern erhoben werden können, aus denen das Grundeinkommen aufgebracht wird. Bremst das Grundeinkommen die Wertschöpfung im Erwerbssektor der Volkswirtschaft, dann reduziert dies die besteuerbare Finanzierungsgrundlage des Grundeinkommens selbst. Im schlimmeren Fall kann dies die Finanzierung des Grundeinkommens gefährden. Die Finanzierungsfrage ist somit nicht die Frage, wie wir einen großen Geldbetrag aufbringen können, sondern wie sich das Grundeinkommen auf die Anreize zur Wertschöpfung im Erwerbssektor auswirkt.

Mögliche bremsende Effekte auf die Wertschöpfung am Markt müssen abgewogen werden gegenüber dem Erfolg bei der Armutsbekämpfung und der Absicherung individueller Freiheit, die ein Grundeinkommen den Menschen bringt. Grenzen der Leistungsbereitschaft im Erwerbsleben setzen jedoch für das Grundeinkommen eine materielle Obergrenze: Das Grundeinkommen kann maximal so hoch sein wie die Bereitschaft der Menschen, zur Wertschöpfung beizutragen, hoch genug bleibt, damit die Finanzierung gesichert ist.

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Fußnoten

[1] Vgl. Van Parijs, Philippe (2000): Basic Income: A simple and powerful idea for the 21st century. Background paper, Basic Income European Network, VIIIth International Congress Berlin, S. 3.

[2] Die Erhöhung der Mindestsicherungsleistungen ergibt sich nicht nur, wenn das Grundeinkommen höher als der heutige Sozialhilfesatz festgelegt wird. Indem das Grundeinkommen individuell gezahlt wird, steigt vor allem der Leistungsanspruch für Menschen in Mehrpersonenhaushalten. Die Ausweitung des Empfängerkreises ergibt sich vor allem daraus, dass mit dem Grundeinkommen niemand mehr das Existenzminimum verfehlt, weil er oder sie an bürokratischen Hürden scheitert oder vom Amt bestraft wird.

[3] Dazu könnte entgegnet werden, die erhöhte Konsumsteuer werde die Preise nicht erhöhen, da dieser Steuererhöhung Senkungen von direkten Steuern gegenüberstehen, die bisher ebenfalls in den Produktpreisen enthalten sind. Dieses Argument gilt allerdings dann nicht mehr, wenn das Steueraufkommen insgesamt erhöht werden soll. Letzteres ist jedoch nötig, da das Grundeinkommen eine Verbesserung der Mindestsicherung bringen soll. Die Preiserhöhung stammt also hier nicht aus der Umstellung auf Konsumsteuern, sondern aus der Erhöhung des Steueraufkommens insgesamt.
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Der Autor

Dr. Ingmar Kumpmann ist Mitarbeiter des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle. In diesem Beitrag vertritt er seine eigene, nicht eine Institutsmeinung.

Dieser Text ist eine ergänzte Version seines Referats auf dem Grundeinkommenskongress in Berlin am 25. Oktober 2008

15 Kommentare

Frieder Neumann schrieb am 19.02.2009, 22:47 Uhr

Das Grundeinkommen schafft einerseits mehr Freiheit und macht Ernst mit individueller Autonomie und Selbstbestimmung, ist also liberal im besten Sinne; gleichzeitig stärkt es andererseits die Gemeinschaft, ist also ebenso kommunitaristisch, und zwar dadurch, dass jedes Individuum in der ihm eigenen Art zur Wertschöpfung der Gesellschaft im umfassenden Sinne beiträgt, indem es seine gemeinschaftichen Bindungen zur Entfaltung bringt - durch die positive Botschaft des \"Zeig, was du kannst!\" werden ganz neue und vielfältige Beteiligungspotenziale freigesetzt. Ein zentraler Aspekt dabei, der meiner Meinung nach bislang in der durchaus berechtigten Begeisterung für das GE etwas untergegangen ist und den Herr Kumpmann zu Recht betont, besteht darin, dass die Grundvoraussetzung für die Finanzierung eines GE von der positiven Leistungsbereitschaft der Menschen abhängt. Je mehr in den verschiedensten Formen - auch und gerade, jedoch bei weitem nicht ausschließlich durch Erwerbsarbeit - zur Wertschöpfung in der Gesellschaft beigetragen wird, umso höher kann letztlich auch das GE ausfallen. Ein herrlicher positiver Kreislauf! Das GE stellt also letztlich ein Projekt des bedingungslosen Vertrauens in die Chancen, Potenziale und Fähigkeiten der Menschen dar, in deren Stärken und positive Leistungsbereitschaft.

Viktor Panic schrieb am 19.02.2009, 23:15 Uhr

... der übliche gravierende \"Blinde Fleck\" ...: Dass \"Markteinkommen\" stärker besteuert wird, ist nur wahr, soweit es (bisherige) Nettozahler betrifft.

Der Autor übersieht jedoch die wesentliche positive Auswirkung des Grundeinkommens auf den Arbeitsmarkt: Für bisherige Nettoempfänger SINKT die Grenzbelastung des \"Markteinkommens\" erheblich, diese beträgt heute, bezogen auf die vom Arbeitgeber aufgewandten \"Arbeitskosten\" 83,3% (zwischen 100 und 800 Euro \"brutto\") beziehungsweise 91,65% (zwischen 800 und 1200 Euro \"brutto\") oder sogar 100% (jenseits von 1200 Euro \"brutto\"), letzteres natürlich nur, soweit überhaupt noch Anspruch auf Aufstockung besteht.

Ronald Blaschke schrieb am 20.02.2009, 04:34 Uhr

Dem Autor ist für diesen Beitrag zu danken. Für mich stellt sich nur die Frage, ob der von Ingmar Kumpmann unterstellte Zusammenhang von Marktarbeit und Wertschöpfung so noch stimmt bzw. jemals stimmte. Erstens könnte man Wertschöpfung auf viel mehr als nur auf Marktarbeit beziehen - würde man sie ebenfalls bezahlen. Zweitens ist die teilweise destruktive Marktarbeit mit dem Begriff \"Wert\"schöpfung wohl extrem zu positiv bewertet. Grundsätzlich muss eine ökonomische Theorie mehr erfassen als die Qualität und den Nutzen einer Arbeit als lediglich bezahlte und das zu verteilende BIP mehrende Tätigkeit. Denn diese Kriterien sagen über die Qualität und den Nutzen der Arbeit bzw. über die Qualität des mit dieser Arbeit erzeugten \"Reichtums\" wenig bis gar nichts aus. Wenn sich zu dieser kritischen Position bekannt würde, würde eine Finanzierung des Grundeinkommens und die \"Anreizproblematik\" ganz anders diskutiert werden können.

Helmut Winkler schrieb am 20.02.2009, 09:40 Uhr

Das riecht doch sehr stark nach weiterer Komplizierung des ohnehin schon verworrenen Steuerrechts. Eine Erhöhung des Steueraufkommens wird durch das Konsumsteuermodell (Werner, Hardorp) ja nicht ausgeschlossen. Das gesamte Steueraufkommen könnte durch die Höhe der Konsumsteuer sehr konkret gesteuert werden, auch eine höhrere Besteuerung der Wohlhabenderen ist machbar, indem man Produkte für diese Zielgruppe höher besteuert. Ebenso könnten besonders Ressourcen-fressende Produkte höher besteuert werden, so dass insgesamt das erforderliche höhere Steueraufkommen realisiert wird. Das Ganze unter Abschaffung von 95% unseren Steuerrechts und mit Beleg auf dem Kassenbon.

Lothar Mickel schrieb am 20.02.2009, 11:48 Uhr

Wertschöpfung hin, Wertschöpfung her - Ein Grundeinkommen und alle übrigen hoheitlichen Aufgaben lassen sich problemlos über eine einzige \"Solidarabgabe\" finanzieren, die eben gerade NICHT allein an sogenannte Wertschöpfung gekoppelt ist, sondern auf ausnahmslos ALLE Buchgeldflüsse erhoben wird - automatisiert in der Bankensoftware - gerechterweise OHNE Progressionseffekte und OHNE Schlupflöcher. Ein solches Verfahren ist nicht an \"Leistungsbereitschaft\" gebunden, sondern universell. Es lässt sich bei entsprechender Parametrierung laufend (z.B. täglich) an die Erfordernisse anpassen.

Und gerade weil mit einem BGE kein Geld \"für schlechte Zeiten\" zurückgehalten werden muss, kann es viel flüssiger fließen und die öffentlichen Kassen füllen.

Dabei tendiert der administrative Aufwand zumindest in Bezug auf die Einnahmen gegen Null, die Einkommensbesteuerung und Sozialabgaben fallen weg und damit auch Schwarzarbeit und Lohnnebenkosten: Brutto = Netto. Auch die Konsumsteuer wird obsolet: Brutto = Netto.

Darüberhinaus wird die Besteuerung von bestimmten Produkten überflüssig und die Selbstregulierung der Märkte kann endlich wieder wirken, was heute vielfach nicht gegeben ist.

So einfach ist das, man muss es nur wollen.

Allerdings brechen dabei auch viele Machtpositionen weg...

Arne Babenhauserheid schrieb am 20.02.2009, 15:07 Uhr

Obwohl mir ihr Artikel grundlegend gefällt (vor allem die Mahnung, das Grundeinkommen nicht fest an irgendein bestimmtes Finanzierungsmodell zu koppeln) kann ich ihrer Annahme, dass Leute bei weniger Geld schlechter arbeiten, nicht vollständig folgen. Denn die aktivere ehrenamtlichen Tätigkeiten können eine bessere Infrastruktur für wirtschaftliche Tätigkeit liefern, und die geringere Fixierung auf das Einkommen kann die individuelle Leistung gerade in kreativeren Bereichen deutlich steigern. Ich könnte es hier zwar komplett begründen, aber ich denke es ist effizienter, wenn ich ihnen direkt den Link zu einer Quelle dazu schreibe: http://www.gnu.org/philosophy/motivation.html \"Studies Find Reward Often No Motivator. Creativity and intrinsic interest diminish if task is done for gain\".

Robert Bleilebens schrieb am 21.02.2009, 15:34 Uhr

Der Autor hat einen wichtigen Zusammenhang herausgearbeitet: Den zwischen der Anreizstruktur und der Höhe der Wertschöpfung, von der ja das Grundeinkommen finanziert wird.

Nach meiner Auffassung wird die Verminderung der finanziellen Anreize durch die Erhöhung der nichtfinanziellen Anreize kompensiert. Bei entsprechender Höhe des BGE sogar überkompensiert. Außerdem wird es mehr Maschinenarbeit geben. Daher wird die Wertschöpfung nach Einführung eines BGE steigen.

Wenn man nun die gesamte Wertschöpfung als Basis der Besteuerung nimmt, dann ist das BGE locker zu finanzieren.

Christoph Schwager schrieb am 23.02.2009, 20:34 Uhr

Der Begriff \"Leistungsbereitschaft\" bzw. \"Leistungsgesellschaft\" birgt eine Falle in sich. Wir sollten aufpassen, nicht hineinzutappen. Es ist nicht richtig, von \"sinkender Leistungsbereitschaft\" zu sprechen, nur weil eine unbezahlte Tätigkeit statt einer bezahlten ausgeübt wird. Das setzt den Wert der Tätigkeit herab und überlässt denjenigen die Deutungshoheit, die damit das Grundeinkommen diffamieren. Wir sollten deshalb dringend vermeiden, das Wort \"Leistung\" im Zusammenhang mit bezahlter Arbeit zu verwenden. Wir sollten es aber sehr wohl in einem Zusammenhang gebrauchen, der jede Art von produktiver Tätigkeit umfasst. Und da gehören viele bezahlte Tätigkeiten NICHT dazu.

Das gleiche Problem liegt bei dem Wort \"Wertschöpfung\" vor. Überhaupt sollten wir generell wachsam sein, wo wir die hergebrachte Begrifflichkeit verwenden, denn die stammt aus dem \"alten\" System. Wir brauchen eine neue bzw. erneuerte Begrifflichkeit für ein \"neues\" System.

Michael Klockmann schrieb am 25.02.2009, 18:40 Uhr

Der Hinweis, dass eine einheitliche Mindestsicherung nicht umstandslos bestehende Sozialversicherungssysteme ablösen kann, ist im Grundsatz richtig. Das bisherige Rentensystem könnte aber sehr wohl durch das bGE weitestgehend abgelöst werden und zwar mit einer sehr einfachen und systematisch sauberen Modifikation der einheitlichen Höhe:

Kinder - die in aller Regel mit Erwachsenen in einem Haushalten leben - erhalten 50% bGE

bis sie ausziehen. Jeweils die gleiche Anzahl alter Menschen (die ja oftmals alleine wohnen und vorher Erwerbseinkommen hatten) bezieht 150% bGE. Frühzeitige Minderung der Erwerbsfähigkeit könnte auf den Geburtsjahrgängen abgebildet werden, ebenso Nichtinanspruchnahme des Alters-bGE durch die Rüstigen, die noch länger arbeiten wollen. Irgendwann im Jahr würde dann in der Tagesschau der nächste Rentenjahrgang aufgerufen, mal früher mal später, ein paar Postkarten, das wärs...

Bei 100% bGE = 800€ ergäben sich 2000€ für eine 3-köpfige Familie und 1200€ für einen 1-Personen-Rentner-Haushalt.

In einer Übergangsphase sollten natürlich erworbene Rentenansprüche erhalten bleiben.

Eine weitergehende Absicherung des Lebensstandards im Alter oder bei Erwerbslosigkeit darüber hinaus kann man meines Erachtens getrost der privaten Versicherungswirtschaft überlassen...

Agne.S schrieb am 26.02.2009, 12:43 Uhr

Vorab: Der Klassenkampf - also die Verteilung zwischen Oben und Unten - sollte nicht in möglichst vielen Fronten erfolgen. So würden die Gegner nur einen gegen den anderen ausspielen.

Eine klare Linie bei Finanzierung und Ausgestaltung des Sozialen macht die Front der Mitstreiter größer! Dann geht es bei Einführung des BGE nur um die Höhe dessen! Alles andere folgt aus der gewonnenen individuellen Freiheit.

1. Aufgabe eines solidarischen Gemeinwesens sollte es nicht sein, die Absicherung eines über das BGE hinausgehenden individuellen Lebensstandards zu schaffen. Das gilt für den Milliardärssohn wie für den besser verdienenden Arbeiter. Eine etwaige Versicherung hier - wie etwa Rente- und Arbeitslosenversicherung - sollte nicht zwingend von der ganzen Gemeinschaft sondern nur von jener Gleichgesinnter getragen werden.

2. Mit der Krankenversicherung sieht es genau anders aus. Sie ist ein notwendiger Teil der Existenzsicherung und somit auch über das Grundeinkommen zu finanzieren. Es macht also keinen Sinn, für die Krankenversicherung an einer anderen Finanzierung festzuhalten.

3.Der Begriff des *Wert*es der Arbeit sollte nicht immer doppeldeutig gebraucht werden. Für die Finanzierbarkeit des BGE spielt es keine Rolle, dass ehrenamtliche Tätigkeit (die unter dem BGE ja mehr nachgefragt wird) auch einen gesellschaftlichen Gebrauchs-Wert hat. Sie hat eben gerade keinen Markt-Wert. Entsprechendes gilt für die sinkende oder steigende Leistungsbereitschaft. Die Kritiker des BGE beziehen sich nur auf die Bereitschaft zu solcher Leistung, die den Staatshaushalt und somit das BGE mit finanzieren kann. Allein, ob diese fällt oder steigt, gilt es zu belegen.

Wolfgang Schlenzig. schrieb am 20.03.2009, 12:09 Uhr

Einige Diskutanten sind schon drauf eingegangen: Die Menge der erzeugten Güter und Dienstleistungen kann kein Kriterium für das Vorhandensein für Mittel für das BGE sein. Viele sehen ja zurecht einen Zusammenhang zwischen BGE und nachhaltigen, ressourcenschonenden Wirtschaften. Wir brauchen viel weniger Güter und Dienstleistungen als wir jetzt haben. Zurecht wird jetzt in der Krise gesagt, dass wenn die Hälfte der Autoindustrie weg wäre, keiner auch nur ein Bedürfnis dahingehend einschränken müsste. Wir würden aber ungeheuer viel Energie und Material sparen.

Es zeigt sich also, dass wir mit unseren heutigen Vorstellungen über Steuern und Abgaben ein künftiges BGE nicht erklären können. Lothar Mickel u.a. denken in diese Richtung neu. Aber, und das ist auch ein BGE-Argumentationsproblem, so richtig weiß keiner wie das geht.

Dirk Jacobi schrieb am 16.04.2009, 10:39 Uhr

Sehr schön, wie Ingmar den Kern des Grundeinkommensvorschlags herausschält und die hinzugefügten Vorschläge davon loslöst.

Auch die Entschleierung der Konsumsteuerfinanzierung mit dem letztendlichen Argument \"das Geld fällt nicht vom Himmel\", gefällt mir sehr gut. Wird doch gerade bei der Konsumsteuerfinanzierung häufig getrickst: die Höhe des Grundeinkommens wird implizit oder explizit an die heutige Bedarfshöhe gekoppelt und verschwiegen, dass die Bedarfshöhe erheblich steigen würde, wenn man die Konsumsteuern um zig Prozent hochsetzt ...

Ich teile allerdings nicht das (Neben-)argument, dass ein GE in existenzsichernder Höhe sein müsste, um positive Effekt zu zeitigen. Gerade die Debatte um eine Reform der Alterssicherung zeigt, dass ein Grundsockel oder eine Garantierente (die den Namen verdient), die unterhalb des Niveaus der Existenzsicherung liegen, und auf den die Leistungen aus den anderen Systemen aufsetzen bzw. diese Leistungen ergänzen, genau die Effekte hat, die wir uns wünschen: eine universelle Grundabsicherung und individuelle Autonomie.

Teetz schrieb am 21.04.2009, 12:00 Uhr

Die hohen Sozialabgaben könnte man über ein ausreichendes Grundeinkommen, gestaffelt nach Ausbildung, bisherigen Arbeitsleistungen für den Arbeitgeber dämpfen. Ingmar beschrieb, dass das Grundeinkommen nicht Rente und Arbeitslosengeld ersetzen kann. Damit wird das Grundeinkommen nicht alles abdecken, was sich einige Bürger wünschen. Es muss jedoch gefragt werden dürfen, was mit den Bürgern passiert, die aufgrund des verkorksten Sozialsystems längere Zeit in Arbeitslosigkeit oder gar selbständig mit sehr geringen Einkünften waren. Weder der Eigentumsschutz (Vermögen) nach dem Grundgesetz noch die Freiheit der Berufswahl wurde für ALGII-Empfänger gewährleistet. Auch Personen mit kleinem Vermögen wurden nur schlecht vom Staate geschützt.

David schrieb am 09.06.2009, 20:20 Uhr

... Die \'bremsenden Wirkungen in der Produktion\' sind eher ein Vorteil, wenn die Produktion wieder von der Nachfrage bestimmt wird und nicht umgekehrt. ...

Bernhard schrieb am 11.02.2010, 18:52 Uhr

Ich habe mal eine sehr interessante Doktorarbeit über das BGE als parallele zinslose bzw. leicht inflationäre Währung gelesen. Jeder bezahlt mit einer BGE-Karte für die Dinge des täglichen Bedarfs bzw. lässt die Miete abbuchen usw.. Durch einen leichten inflationären monatlichen Faktor ist jeder Teilnehmer bemüht alles BGE-Geld im Monat auszugeben, was zu einer hohen gleichmäßigen Geldumlaufgeschwindigkeit führt. Alles Geld wird in Produkte umgesetzt. Die Nachfrage bleibt also sehr konstant. Heute technisch einfach umzusetzen und interessant ist diese Idee in jedem Fall.

Produktionsengpässe durch \"frustrierte\" Mitarbeiter würden durch Lohnerhöhungen, verbesserte Arbeitsbedingungen, Verlagerung ins Ausland oder durch Automatisierung begegnet werden. Eine Firma, die keine nachgefragten Produkte herstellen kann, hat dann anscheinend keine Existenzberechtigung. Produktion hat auch oft etwas mit Energie und Umwelt zu tun. Utopische Firmen sollten sowieso so schnell wie möglich weg. Die Firmenspitze kann ja dann mit dem BGE noch einmal in Ruhe nachdenken, was machbar ist.

Ich finde auch, dass die bremsenden Wirkungen eines BGE für die Produktion eher gut wären, da wir heute oft an einer Überproduktion leiden.

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