Das Grundeinkommen im Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin

Herbert Wilkens 19.04.2012 Druckversion

Der „Zukunftsdialog über Deutschland“, den die Bundeskanzlerin im Internet in Gang gesetzt hat, fand ein starkes Echo.

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Drei große Fragen wurden zur Debatte gestellt. Vom 1. Februar bis zum 15. April 2012 konnte man Vorschläge einreichen und Online-Stimmen sammeln. Am Ende waren es 11600 Vorschläge, fast 75000 Kommentare und 2,3 Millionen Bewertungen. Wir berichteten über das Verfahren und einige Vorschläge zum Grundeinkommen.

Auch auf technische Probleme bei der Zählung der Stimmen hatten wir hingewiesen: Es scheint, als ob die Website des Zukunftsdialogs nicht ausreichend gegen automatisierte Mehrfach-Bewertungen geschützt war. Hierzu z.B. ein Bericht im Internet. Trotz dieser Einschränkungen hier die veröffentlichten Ergebnisse.

Zukunftsdialog Deutschland

Themenbereich Vorschläge Kommentare Bewertungen
Wie wollen wir zusammenleben? 6391 59672 1916250
Wovon wollen wir leben? 3239 9995 249994
Wie wollen wir lernen? 1997 4948 139673
Insgesamt 11627 74615 2305917

In 245 Vorschlägen taucht der Begriff „Grundeinkommen“ auf, darunter bei 110 Vorschlägen schon im Titel. Sowohl im ersten als auch im zweiten Themenfeld gab es Ideen zum Grundeinkommen.

Im Bereich „Wie wollen wir zusammenleben?“ erreichte der Beitrag von Susanne Wiest den 10. Platz mit 71550 Stimmen. Sie verweist in ihrem kurzen Text auf die Petition an den deutschen Bundestag. Die Kommentare zu ihrem Vorschlag sind meist deutlich niveauvoller als die Meinungen zu anderen Vorschlägen. Der Vorschlag mit den meisten Stimmen in diesem Themenfeld ist ein Plädoyer für ein Gesetz, das die Leugnung des Völkermordes an Armeniern und Aramäern im Osmanischen Reich 1915 bis 1917 unter Strafe stellt (156870 Stimmen). Die zweitplatzierte Forderung verlangt die einen regulierten Markt mit Jugend- und Verbraucherschutz für legalen Cannabis-Konsum (152056 Stimmen). An dritter Stelle steht die Forderung nach einer offenen Diskussion über den Islam (148029 Stimmen).

Weitaus weniger Widerhall fand der Themenbereich „Wovon wollen wir leben?“. Den ersten Platz errang mit 50381 Stimmen der Vorschlag von Matthias Nass, der mit relativ detaillierter Begründung verlangt, die verschiedenen Modelle für ein bedingungsloses Grundeinkommen zu prüfen. Ein geeignetes Modell soll dann den Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik in einer Volksabstimmung zur Zustimmung oder Ablehnung vorgelegt werden.

An 7. Stelle steht in diesem Bereich die Forderung von Johannes Ponader nach einem bedingungslosen Grundeinkommen (7588 Stimmen). Er begründet sie mit Argumenten, die den Leserinnen und Lesern dieser Website vertraut sind.

Die 8. Stelle nimmt das Verlangen nach einer Finanztransaktionssteuer ein. Eine Kritik an den Forderungen nach Grundeinkommen folgt dann auf dem 9. Platz mit 5372 Stimmen. Joachim Häbich trägt hier vor, dass ein Grundeinkommen unter den gegebenen Umständen hohe Risiken berge, weil die verschiedenen angestrebten Modelle sich nicht miteinander vertrügen und nicht auf das reale Umfeld Rücksicht nähmen. Keines der Konzepte zeige Möglichkeiten der Umsetzung in der realen Wirtschaft und befasse sich grundlegend mit den möglichen Konsequenzen, national und international. Diese Kritik lässt allerdings bezweifeln, ob sich der Verfasser wirklich mit den einzelnen Konzepten gründlich genug befasst hat. Das Netzwerk Grundeinkommen gibt jedenfalls über diverse Modelle und Ansätze für ein bedingungsloses Grundeinkommen Auskunft, für welche gerade diese Kritik nicht zutrifft.

Für den Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin steht nun die Auswertung an. Es bleibt abzuwarten, ob das Grundeinkommen damit einen Schritt voran kommt. Jedenfalls ist die hohe Stimmenzahl, die allein schon auf die bestplatzierten Vorschläge entfällt, ein Beweis, dass das Thema auf die politische Tagesordnung gehört.

Ein Kommentar

Ludwig Micheler schrieb am 19.04.2012, 21:30 Uhr

Was haltet Ihr von meinem Vorschlag zum \"Ökobonus für alle finanziert aus Ökosteuern?\" und meinen Kommentaren im Zukunftsdialog?

Dieser Schritt hin zum BGE wäre sofort möglich, wie die \"Lenkungsabgabe\" in der Schweiz zeigt! Entlastet würden alle kleinen Einkommen, durch dieses zusätzliche Geld zum Einkommen müssten viele nicht mehr durch die Antragsbürokratie. Bei Bedingungslosigkeit der Ökobonus-Rückzahlung = Ausgleich für hohe Steuern und (Miet- und versteckte) Zinsen in unserem System wäre dies zugleich eine Erhöhung von HartzIV etc für alle ökologisch überdurchschnittlichen Menschen.

Fordern wir die drastische Erhöhung von Ökosteuern auf Atom, Sprit und andere fossile Energie, Gentechnik, Kunstdünger, Pestiziede und andere Schadstoffe für die Wirksamkeit der ÖkoBonus-Idee! Schöne paradoxe Schlagzeile: \"Linke/Grüne wollen höhere Benzinpreise für mehr Geld für alle!\"

Bitte unterstützt den Beitrag! Es kann noch kommentiert und bewertet werden im Zukunftsdialog: ein Nachzügler-Erfolg dort würde sicherlich Beachtung finden! (David gegen Goliath muss clever sein!) Mein Beitrag ist erst am 15.4. 22:07 hochgeladen.

BGE noch einmal in die Medien pushen!

campact fragen? taz? Helft mit!

Ludwig Micheler.

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