Vom Wert des Menschen jenseits ökonomischer Nützlichkeit

Dorothee Schulte-Basta 20.01.2009 Druckversion

Zunehmend drängender stellt sich die Frage nach der Zukunftsfähigkeit unserer freiheitlichen Gesellschaft, die in ihrer demokratischen Ordnung politische Gleichheit für alle propagiert, zugleich jedoch auf eine Wirtschaftsweise baut, in der die Ungleichheiten in der Verteilung materieller Güter und der Lebenschancen trotz des materiellen Überflusses immer weiter zunehmen. Die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen, ist somit keine sozialromantische, sondern eine notwendige. Eine Antwort darauf muss ihren Ausgangspunkt beim einzelnen Menschen als Träger, Ursprung und Ziel aller Gemeinschaft (Mater et magistra, Nr. 219) finden, denn erst da und nur dort, wo auf die Frage nach dem Wesen des Menschen eine ausreichend klare Antwort gegeben werden kann, besteht die redliche Basis für die Reflexion über die weiterführende Frage nach der Verhältnisbestimmung von Person, Gesellschaft, Markt und Staat. Letztere müssen danach fragen, was dem Menschen gemäß ist, was ihn fördert und zur Freiheit aller führt. Sie müssen danach streben sich eine politische, soziale und wirtschaftliche Ordnung zu geben, die immer besser im Dienst des Menschen steht und dem Einzelnen wie den Gruppen hilft, die ihnen eigene Würde zu behaupten und zu entfalten (Gaudium et spes, Nr. 9).

Ein Grundeinkommen konkretisiert die theologische Grundüberzeugung, dass menschliches Leben nicht sich selbst verdankt, sondern ein Angenommensein unabhängig von aller eigenen Leistung durch Gott meint. Aus theologischer Sicht ist die Würde des Menschen eine Gabe Gottes, der Wert des Menschen seinem Tun vorgängig und unabhängig von seiner Arbeit, erst Recht von seiner Erwerbsarbeit: „Der Mensch ist nicht erst dann Mensch, wenn er einen Faktor im Bruttosozialprodukt darstellt, wenn er ökonomisch nützlich ist.“ (Marx, S. 70) Eine soziale Ordnung, die dieser Würde ohne irgendwelche Nützlichkeitserwägungen Rechnung trägt, muss ihre Unterstützung der Person, nicht dem Arbeiter zubilligen! Diese materielle Absicherung eines Lebens „frei von Furcht und Not“, wie es in der Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht, muss daher dem Einzelnen bedingungslos und ohne Prüfung garantiert werden.

Das Bedingungslose Grundeinkommen würde nicht nur aus dem Schlagwort Freiheit eine Realität machen, es würde, um mit Erich Fromm zu sprechen, „auch ein tief in der religiösen und humanistischen Tradition des Westens verwurzeltes Prinzip bestätigen, dass der Mensch unter allen Umständen das Recht hat zu leben. Dieses Recht auf Leben, Nahrung und Unterkunft, auf medizinische Versorgung, Bildung usw. ist ein dem Menschen angeborenes Recht, das unter keinen Umständen eingeschränkt werden darf […]“ (Fromm, S. 310) So verstanden begreift sich das bedingungslose Grundeinkommen als ein Mittel, die Würde und die Perspektive der Freiheit eines jeden einzelnen unter Wahrung der Prinzipien von Personalität, Solidarität und Subsidiarität in die Gesellschaft zu tragen und strukturell zu implementieren.

Literatur
JOHANNES XXIII.: Mater et magistra. Dt. Übers.: Texte zur katholischen Soziallehre. Die sozialen Rundschreiben der Päpste und andere kirchliche Dokumente. Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (Hrsg.) 5. erweiterte Auflage. Kevelaer 1982. S. 201-270 http://198.62.75.1/www1/overkott/mater.htm

VAT. II: Gaudium et spes. Pastoralkonstitution des 2. Vatikanischen Konzils über die Kirche in der Welt von heute. Dt. Übers.: Texte zur katholischen Soziallehre. Die sozialen Rundschreiben der Päpste und andere kirchliche Dokumente. Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (Hrsg.) 5. erweiterte Auflage. Kevelaer 1982. S. 321-425 http://www.stjosef.at/konzil/GS.htm

MARX, Reinhard: Das Kapital. Ein Plädoyer für den Menschen. München 2008

FROMM, Erich: Psychologische Aspekte zur Frage eines garantierten Einkommens für alle. München 1999. Band V, S. 309-316 http://www.archiv-grundeinkommen.de/fromm/Fromm-Grundeinkommen.htm

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Die Autorin

Dorothee Schulte-Basta ist Mitglied im Netzwerkrat. Sie hat Katholische Theologie, Philosophie und Publizistik- und Kommunikationswissenschaften studiert und schreibt derzeit an ihrer Magisterarbeit zum Thema Die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens in der Katholischen Soziallehre.

5 Kommentare

Gunnar Schurich schrieb am 12.02.2009, 15:42 Uhr

Sand in die Augen ...

... zu streuen, um Teile der Wirklichkeit verschwommen oder gar nicht erkennbar werden zu lassen scheint das Streben immer breiterer Teile unserer Gesellschaft zu werden. Es gab eine Zeit in der Deutschen Geschichte, in der geschickte Rhetorik noch Propaganda hieß und zu Recht noch heute heftig kritisiert wird. Ich werte es als ebenso geschickte wie auch verwerfliche Rhetorik, Frau Schulte Basta, wenn Sie in Ihrem kleinen Beitrag so tun, als würde immer dann, wenn vom Wert des Menschen gesprochen werde, eine ökonomische Betrachtung die einzig kommunizierte sein. In Wahrheit ist es doch nur der Gewalt der Worte der Linken zu zu ordnen, wenn der Wert eines Menschen derart unvollständig diskutiert wird.

Deshalb gehört auch Marx, dessen Worte für den Ungebildeten so schön kuschelig klingen, aber mit Realitäten der heutigen Lebensumgebungen nichts mehr zu tun haben, nicht auf das Tapet. Der Wert eines Menschen wird sowohl durch seinen ökonomischen Nutzen als auch durch vielfältigste andere Faktoren in immer unterschiedlichen Konfigurationen bestimmt. Diese Konfiguration der den Wert eines Menschen bestimmenden Faktoren sind selbst beim Bezug auf ein einziges Individuum äußerst variabel.

Schauen Sie doch mal auf den Linken Lafontaine. In einer Fernsehdiskussion mit Götz Werner wandte er sich vor nicht allzu langer Zeit vehement gegen ein Grundeinkommen und sprach im Namen die Linken. Und heute? Da reden die Linken unserer Gesellschaft ein, es gehe ihr immer schlechter, zeigen dabei auf die dunklen Flecken, holen das Kommunistische Manifest hervor und propagieren zur Lösung aller Probleme das Grundeinkommen. Doch: die wollen kein Grundeinkommen, die wollen nur verteilen: von oben nach unten!

Aber: vielleicht hatte Marx doch Recht damit, dass der Wert nicht alleine von seinem ökonomischen Wert abhängt. Denn die da oben, auf die die Linken unsere Gesellschaft gerne hetzen würden, sind als Leistungsträger mehr wert als es ihr Besitz annehmen lässt. Der Realsozialismus hat es doch in seinem Versagen allenthalben gezeigt.

Beste Grüße

Gunnar Schurich

D. Schulte-Basta schrieb am 18.02.2009, 17:32 Uhr

Lieber Gunnar Schurich,

Sie unterliegen in ihrem Kommentar einem Irrtum, meines Erachtens sogar einem mehrfachen. Zum einen ist das von Ihnen kritisierte Zitat nicht von Karl Marx, sondern Reinhard Marx, dem Erzbischof von München/Freising, der ganz sicher nicht Gefahr läuft, als linker Agitator verschrien zu sein. Aus diesem Missverständnis resultiert scheinbar auch die Tatsache, dass Sie Ursprung & Ziel meines Beitrags grundsätzlich falsch verstanden haben. Das Menschenbild, das meinem Verständnis nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen zugrunde liegt, versteht sich weder individualistisch noch kollektivistisch, sondern anerkennt den Menschen in seinem leistungslosen Selbstwert und seinem immer schon vorhanden Sozialbezug. Beides zugleich und zu gleichen Teilen. Der Wert eines Menschen bestimmt sich eben nicht durch seinen ökonomischen Nutzen oder vielfältigste andere Faktoren. Der Wert eines Menschen kommt dem Menschen qua seines Personseins zu, d.h. weil er sich als sittliches Subjekt freiheitlich durch Vernunft zum Handeln bestimmen kann. Der Entzug, bzw. die Nicht-Gewährung der Existenzsicherung macht eine freie und eigenverantwortliche Entscheidung des Menschen bezüglich seiner Handlungen unmöglich. Ohne eine Existenzsicherung ist die große Mehrzahl der Menschen faktisch unfrei, da sie immer gezwungen ist, gesellschaftlich oder individuell gesetzte Bedingungen aus existentiellen Gründen zu akzeptieren. Indem es die Einschränkung menschlicher Handlungsfreiheit durch materielle Not aufhebt, stellt das Bedingungslose Grundeinkommen eine Möglichkeit dar, den Anspruch menschlicher Personwürde in soziale Strukturen hinein zu vermitteln und zur Geltung zu bringen. Über diese ethischen Grundlagen des Bedingungslosen Grundeinkommen möchte ich jenseits eingefahrener Rhetorik oder pauschalen und althergebrachten ideologischen Grabenkämpfen gerne ins Gespräch kommen. Seien Sie herzlich dazu eingeladen. Beste Grüße aus Berlin, Dorothee Schulte-Basta

Lothar Mickel schrieb am 21.02.2009, 13:58 Uhr

Wer Menschen bewertet, ist es nicht wert, als Mensch bewertet zu werden...

Gunnar Schurich schrieb am 08.03.2009, 21:23 Uhr

Ich kann aus meiner Sicht lediglich akzeptieren, dass die Bedingungsfreiheit eines Grundeinkommens nicht auf ökonomischen Werten beruht oder beeinflusst wird. Nun sollte aber der aus der Ökonomie abgeleitete Wert eines Menschen nicht nur aus einer Perspektive gesehen werden. Sie erwähnen selbst den Sozialbezug den Menschen. Und genau hier sollte eine Diskussion um das GE beginnen. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine viel stärkere Diskussion über die Sozialbezüge des Menschen der Verwirklichung eines bedingungsfreien Grundeinkommens mehr hilft, als ideologische Grabenkämpfe.

Jasminka Katic schrieb am 11.06.2018, 01:10 Uhr

Der Mensch in der jetzigen Gesellschaftsordnung ist nur eine ökonomische Grôße, welche am Berufsstand festgemacht wird. Dieser Art von Wachstum und Leistungsgedanken spaltet Menschen in Klassen, der Wettbewerb bringt Rivalität, gründet sich nur auf der Macht des Stàrkeren. Alles drum herum wird als unwertes Leben definiert. Hier beginnt soziale Spaltung, sozialer Unfrieden, partielle berufliche Spezialisierung und Abschottung der Klassenbesten von den Leistungsschwachen.

Leistung ist falscher Motivator und Ratgeber. Denn Leistung leitet uns fehl und potenziert Probleme. Arbeit ist nicht nur Gut. Arbeit ist die Ursache vielen Übels auf der Welt und im System. Arbeit dient ausschließlich der Unterwerfung. Arbeit ist nicht nur nützlich. Arbeit verursacht immerwährenden Kreislauf - Hamsterrad der Arbeit.

Arbeit ist nicht dem Einzelwohl dienend. Arbeit ist rücksichtslos und nicht vertretbar in der jetzigen Gesellschaftsform.

Menschen müssen unabhängig von der Arbeit ihrem Lebenszweck nachgehen. Solange die Arbeit als Mikrowelt die Makrowelt des Menschen bestimmt, erkennt der Mensch keine ganzen Zusammenhänge. Er kann keine Verantwortung für sein Handeln übernehmen.

Mensch bleibt bis zu seiner Erkennung das Tier, welches sein Handeln zum Schaden Anderer treibt, um seine Gier zu befriedigen. Gier nach Konsum und Karriere. Und der Mensch muß endlich eine unveräußerbare Größe werden, welche sich nicht durch seine Triebe treiben läßt und durch Triebe antreibbar ist. Solange es so ist, steckt der Mensch in einer primitiven Lebensordnung.

Um das zu beheben, auf innere qualitative Verdichtung und Verbindung, brauchen wir das Nicht erpressbare GRUNDEINKOMMEN.

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