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Grundeinkommen ohne Arbeit: Auf dem Weg zu einer kommunikativen Gesellschaft

018_wohlgenannt_lieselotte_blaschke_1365_mail2Ein nach wie vor lesenswerter Buchklassiker zum Grundeinkommen [1] aus dem Jahr 1985 wird vom Verlag des Österreichischen Gewerk­schafts­bundes erneut aufgelegt – ergänzt um aktuelle Beiträge von Ina Praetorius aus der Schweiz, von Margit Appel und Markus Blümel aus Österreich sowie von mir: „Grundeinkommen ohne Arbeit. Auf dem Weg zu einer kommunikativen Gesellschaft.“

Anlass der Neuauflage ist der 85. Geburtstag von Lieselotte Wohlgenannt *, einer langjährigen Streiterin für das Grundeinkommen in Österreich. Ich hatte vor fünf Jahren die Möglichkeit, ihr persönlich in Wien [2] zum Achtzigsten zu gratulieren (Foto). Nun auch mit digitalen, herzlichen Grüßen aus Deutschland: Danke für das großartige Engagement!

Nicht nur der wieder aufgelegte Text von 1985 verspricht genussreiches, kurzweiliges Lesevergnügen. Auch die aktuellen, ergänzenden Beiträge in der Neuauflage des Buches haben es in sich:

Ina Praetorius‘ Beitrag kennzeichnet den Zusammenhang von Grundeinkommen und bedürfnisorientierter Ökonomie, einer Ökonomie also, für die auch der Begriff Care (Sorge) steht. Sie analysiert darüber hinaus die Schweizer Debatte zum Grundeinkommen und spricht dabei offen die manifesten Differenzen an, die zwischen den verschiedenen AktivistInnen in der Schweiz bestehen. Diese Analyse lässt den Schluss zu, dass die Schweizer Grundeinkommenskampagne zwar medial beeindruckend aber so nicht nachahmenswert ist.

Der Beitrag von Margit Appel und Markus Blümel, beide wie Lieselotte Wohlgenannt MitarbeiterInnen der Katholischen Sozialakademie Österreichs, liefert nicht nur Argumente für das Grundeinkommen. Er beschreibt auch die soziale Situation in Österreich. Ein aufklärender Blick auf die österreichische „bedarfsorientierte Mindestsicherung“ verdeutlicht viele Ähnlichkeiten mit dem deutschen Repressionsregime „Hartz IV“. Dieser Beitrag lebt von starken Sätzen, wie: „Freiheit durch ein bedingungsloses Grundeinkommen: zu viel Sand im Getriebe der gut geölten Privilegienerhaltungs-Maschinerie!“

Dagegen erscheint der Beitrag aus Deutschland, den ich verfasst habe, nüchtern: Er beschreibt die Geschichte der Aktivitäten und der Vernetzung der politischen Grundeinkommensbewegung in Europa. Wichtige Meilensteine und Höhepunkte, wie die internationalen deutschsprachigen Grundeinkommenskongresse Wien, Basel, Berlin, die international-europäische Erklärung zum emanzipatorischen Grundeinkommen im Jahr 2008, die zum Teil noch unbekannte Lobbyarbeit im Europäischen Parlament im Jahr 2010 bis hin zur Gründung des Netzwerks Unconditional Basic Income Europe im Jahr 2014 werden nachgezeichnet. Der politische Erfolg, an dem auch das deutsche Netzwerk Grundeinkommen einen maßgeblichen Anteil hat, wird mit der Verankerung des Grundeinkommens in den verschiedenen Bewegungen für ein soziales, demokratisches und ökologisches Europa nachgewiesen. In diesem Sinne, so meine Auffassung, ist auch der Grundeinkommensklassiker von Lieselotte Wohlgenannt (und Herwig Büchele) aus dem Jahr 1985 zu lesen: „Ein gemeinsam verantwortetes Europa kann nur eins im Sinne eines sozialen, demokratischen und ökologischen Europas sein. Das Grundeinkommen ist dabei ein Baustein für solch ein gemeinsames Haus Europa, weil die BürgerInnen bedingungslos materiell abgesichert in Freiheit und damit in gemeinsame Verantwortung für ihr Haus gesetzt sind. Dies ist ganz im Sinne der Vision von Lieselotte Wohlgenannt und Herwig Büchele.“

* Lieselotte Wohlgenannt [3], geb. 1931 in Stuttgart, gab 1990 ebenfalls mit Herwig Büchele das Buch “Den öko-sozialen Umbau beginnen: Grundeinkommen [4]“ heraus. Im Jahr 2002 veröffentlichte sie die „10 Gründe, wozu heute ein Grundeinkommen notwendig ist [5]“ – weitere lesenswerte Klassiker der deutschsprachigen Grundeinkommensliteratur. Die langjährige Mitarbeiterin der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe) gab der Katholischen Presseagentur Österreich anlässlich ihres Geburtstages ein vielbeachtetes Interview [6]. Darin plädierte sie u. a. für eine Ressourcensteuer zur Finanzierung des Grundeinkommens, ausgehend von der Idee, dass Profite aus den gemeinsamen Gütern dieser Erde wie Land, Luft, Energie etc. allen Menschen zugute kommen sollten.