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Wachstumskritik und Grundeinkommen gehören zusammen

degrowth Leipzig
Vom 2. bis 6. September dieses Jahres fand die 4. Internationale Degrowth-Konferenz in Leipzig [1] statt. Insgesamt nahmen ca. 3000 Leute an der Konferenz teil, im Online-Livestream zeitweise bis zu 7000 weitere. Das Netzwerk Grundeinkommen war einer der zahlreichen Unterstützer dieser Konferenz. Es gab mehrere Workshops, Arbeitsgruppen und Podien über die Zusammenhänge zwischen der notwendigen Rücknahme des wirtschaftlichen Wachstums (Degrowth) und dem Grundeinkommen.

Neben einem Einführungsworkshop von Ronald Blaschke, in dem die wesentlichen Verknüpfungen zwischen einer Degrowth-Vision und einem bedingungslosen Grundeinkommen herausgestellt wurden (Video von Volkmar Kreiß [2]), fand ein weiterer Workshop von ihm zusammen mit Simone Knapp von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) statt, in dem die Unterschiede zwischen den Sichtweisen Europas und des globalen Südens zu diesen Themen dargestellt wurden.

Innerhalb des Group Assembly Process (GAP) der Konferenz, einem konsensorientierten Prozess zum Erarbeiten gemeinsamer Positionen, gab es eine Arbeitsgruppe, die sich über drei Tage hinweg mit dem Thema Grundeinkommen auseinandersetzte. Hierbei wurden insbesondere drei Visionen erarbeitet, die die Teilnehmer der Gruppe teilten:
1. Ein Grundeinkommen ist eine Voraussetzung für Degrowth, da es die soziale Gerechtigkeit verbessert und Ungleichheit reduziert.
2. Ein Grundeinkommen ermöglicht wieder Autonomie und Demokratie, da erst durch das Grundeinkommen ausreichend Freiraum existiert, um sich über sinnstiftende Lebensstile und Produktionsweisen zu verständigen.
3. Ein Grundeinkommen würde die Menschen von sozialem Druck und Güterknappheit befreien und so kompensatorischen Konsumzwang mildern. So wäre eine an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Ökonomie möglich.

Weiterhin diskutierte die Arbeitsgruppe die Frage, wie ein Grundeinkommen gestaltet werden soll. Es wurde weitgehend gemäß den vier Kriterien des Netzwerks Grundeinkommens bestimmt. Mögliche Finanzierungsquellen, wie beispielsweise die ökologische Ressourcenbesteuerung oder Einkommen aus Gemeinschaftsbesitz, die momentan für den Staatshaushalt noch keine relevante Rolle spielen, wurden benannt. Die Ergebnisse wurden von mir am Abschlusstag kurz vorgestellt. Sie stehen zusammen mit den übrigen Ergebnissen des GAP und Hintergrundpapieren [3] im Web.

In einer kleinen wissenschaftliche Arbeitssitzung, in der u. a. Ulrich Schachtschneider die Idee des ökologischen Grundeinkommens vorgestellt hatte, wurde die Kritik und Sorge des ökologischen Ökonomen Claudio Cattaneo [4] behandelt. Seine Sorge bezieht sich in erster Linie auf die Beibehaltung des Geldes als Tauschmittel und einen ansteigenden Konsum derjenigen, die momentan weniger als in einer Grundeinkommensgesellschaft haben. Er glaubt nicht, dass ein Grundeinkommen die Schrumpfung der Wirtschaft bewirken kann, erkennt aber an, dass es ein pragmatisches Instrument wäre und die drängende Frage der sozialen Ungleichheit anspricht, weshalb auch er die Debatte weiterhin für wichtig hält und das Grundeinkommen nicht grundsätzlich ablehnt. Allerdings sieht er das Grundeinkommen nur als Übergangslösung.

Zu guter Letzt gab es am Freitagabend noch ein gut besuchtes Podium im größten Raum der Konferenz, dem Audimax der Universität Leipzig, mit Werner Rätz, Margit Appel und Vincent Liegey sowie Dagmar Paternoga als Moderatorin. Hierbei stellte Liegey insbesondere die Möglichkeiten dar, wie ein Grundeinkommen mit anderen Instrumenten wie beispielsweise lokalen Währungen und einem Maximaleinkommen verknüpft werden könnte, um damit noch besser auf die dringenden ökologischen und sozialen Probleme zu reagieren. Werner Rätz betonte insbesondere, dass wir uns auf soziale Kämpfe für das Grundeinkommen einstellen müssten und es entsprechend sinnvoll sei, sich anderen sozialen Kämpfen mit dem Thema Grundeinkommen anzuschließen, somit auch praktische Realisierungsoptionen für die Grundeinkommensvision zu erschließen. Margit Appel stellte neben der starken Emanzipierungskraft des Grundeinkommens noch einmal die Grundlage des gesamten Diskurses heraus: Alle natürlichen Ressourcen gehören allen Menschen auf der Erde. Ein Grundeinkommen ist ein Ausgleich für den fehlenden Zugang der Einzelnen zu diesen Ressourcen. Ein Video der Podiumsdiskussion [5] findet man auf Youtube.

Die Frage, ob das Grundeinkommen in Geldform beibehalten oder durch einen nichtmonetären Zugang zu Ressourcen ersetzt werden soll, wurde nicht nur auf dem Podium sondern auf der gesamten Konferenz diskutiert. Auch wenn in diesem Punkt kein Konsens sichtbar wurde, war die Konferenz als Ganzes ein Erfolg für das Thema Grundeinkommen. Deutlich wurde: Degrowth und Grundeinkommen sind zwei Themen, die zusammengedacht werden können und sollten.

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5 Comments To "Wachstumskritik und Grundeinkommen gehören zusammen"

#1 Comment By Henrik Wittenberg On 23.10.14 @ 11:16

Im Netzwerk BGE-Kreise besteht die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen Erfahrungen mit dem Grundeinkommen zu machen. Elemente von Tauschring, Komplementärwährung und Grundeinkommen wurden hier verschmolzen. Als Basis dient die Tauschringidee, verbunden mit einer zinsfreien Komplementärwährung und einem frei konfigurierbaren Abgabensystem. Jeder Teilnehmer erhält neben einem Startkapital ein monatliches Grundeinkommen in Form einer digitalen Währung. Dieses Geld kann eingesetzt werden, um z.B. Handel zu betreiben oder Dienstleistungen anzubieten. Über eine »Umlauf- und Umsatzsteuer« fließt das Geld in das BGE-Kreise-System zurück. Das Geld ist zunächst als »Regionales Geld« vorgesehen, wobei nicht nur Einzelpersonen sondern auch Körperschaften an diesem System teilnehmen können.
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#2 Comment By Juergen Rettel On 24.10.14 @ 14:36

Degrowth und bGE sind wie Teufel und Weihwasser, denn es gilt immer: bGE = Steuersatz * Prokopfeinkommen. Sinkt das Prokopfeinkommen, sinkt das bGE, aber da die Preise des Grundbedarfes nicht mit dem negativen Mengen”wachstum” synchron sinken, muss der Steuersatz steigen. Man muss bei z.B. 50 % immer das Doppelte des Grundbedarfs produzieren.

#3 Comment By Jeanette Helf On 02.11.14 @ 10:11

In den letzten Monaten und Jahren häufen sich die Verfehlungen der Jobcenter. Dass krasse Fälle wie Schwerkranke, chronisch Kranke sowie Rentner zu einer Arbeit geschickt werden, die sie gar nicht machen dürfen, weil sie ja wirklich arbeitsunfähig sind, ist nur die Spitze des Eisberges. Die Sanktionspraxis nimmt immer kriminellere Formen an, die unsere Demokratie aber auch unsere Glaubwürdigkeit zerstören kann. Das BGE ist kein Allheilmittel,aber die Hoffnung auf eine Wiederherstellung einer demokratischen Gesellschaft. Ein BGE brauchen wir jetzt und nicht irgendwann in der nahen Zukunft.

#4 Comment By wolfgang klotz On 03.11.14 @ 08:35

Jeder will gutbezahlte Arbeit, will Vollbeschäftigung. Die ist nun mal an Wirtschaftswachstum geknüpft. Konkret: an Wirtschaftswachstum im eigenen Land. An Export. Jeder will gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das könnte bGe leisten. Andererseits sehen gerade die, die vom bGe profitieren würden, bGe als eine andere Art der staatlichen Alimentierung. Sie wollen von der eigenen Leistung leben. Und die Finanzierbarkeit des bGe in der Zeit der notorisch klammen Kassen wird stark bezweifelt.
Ergo: Beides – Wachstumskritik wie bGe – kommt für viele Bürger aus dem Reich “… wünsch Dir was” und gehört so fraglos zusammen.

#5 Comment By Eric Manneschmidt On 04.11.14 @ 11:00

Das Problem ist, dass degrowth nicht klar definiert ist. Außerdem ist die (notwendige) Höhe des BGE stark abhängig von den Rahmenbedingungen. Wenn das BGE sinkt, weil die Steuerbasis sinkt, sinkt möglicherweise auch der Bedarf an Geld. Aber ob es überhaupt sinnvoll ist “degrowth” am BIP bzw. Prokopfeinkommen festzumachen anstatt am Ressourcen- und Naturverbrauch, ist durchaus fraglich.
Trotzdem wirkt das BGE gegen den BIP-Wachstumszwang, weil alles etwas überlegter angegangen werden kann, sobald der Grundbedarf aller gedeckt ist. Mit BGE müssen nicht mehr alle möglichen Arbeitsplätze um jeden Preis geschaffen und erhalten werden.
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