Sozialminister und Gewerkschaftschef diskutieren mit der sozialen Bewegung übers Grundeinkommen – in Österreich
Der österreichische Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Alois Stöger und Bernhard Achitz, leitender Sekretär des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, diskutierten am 26. September 2016 in Wien mit Margit Appel von der Katholischen Sozialakademie Österreich und der Feministin und Theologin Ina Praetorius aus der Schweiz über das Grundeinkommen. Anlass war die Neuauflage eines Klassikers der Grundeinkommensliteratur aus dem Jahr 1985 „Grundeinkommen ohne Arbeit. Auf dem Weg zu einer kommunikativen Gesellschaft“ (wir berichteten).
Ein kurzes, knapp dreiminütiges Video zeigt, dass das politische Establishment in Österreich den Versuch unternimmt, dem Grundeinkommen zu begegnen. Es wird nicht einfach allem zugestimmt, gleichwohl die Idee konstruktiv aufgegriffen.
Ganz anders verhält sich die deutsche Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles. Sie bezeichnet das Grundeinkommen als „Kapitulation“, anstatt es als Innovation zu begreifen. Sie brandmarkt das Grundeinkommen als „Widerspruch zum solidarischen Sozialstaat“, statt das Grundeinkommen als höchste Form der Solidarität zu denken, weil es ohne Zwang auskommt (vgl. Interview des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit Andrea Nahles). Da hat der ThinkTank der Gewerkschaften in Deutschland, das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung, offensichtlich schon viel weiter und differenzierter über das Grundeinkommen nachgedacht als die SPD-Ministerin (siehe unser Beitrag). Über eine reifere Position verfügen erst recht die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung mit ihrer Veröffentlichung der Position eines renommierten Soziologen zum Grundeinkommen und engagierte Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der SPD.
Es ist übrigens die Sozialministerin Andrea Nahles, die einerseits das Grundeinkommen im Widerspruch zum solidarischen Sozialstaat sieht, andererseits im Hartz-IV-Regime das sogenannte Sozialwidrigkeitsdelikt schärfer ahndet und eine Regelbedarfs“erhöhung“ um sage und schreibe fünf Euro auf 409 Euro vorschlägt – offensichtlich alles Ausdruck eines „solidarischen Sozialstaats“.
In Deutschland wird der Diskussionsprozess zum Grundeinkommen nicht aufzuhalten sein. Viel dazu beitragen kann eine gut vernetzte Grundeinkommensbewegung, die sich mit anderen sozialen Bewegungen für eine grundlegende Veränderung dieser Gesellschaft einsetzt und Druck auf das politische Establishment ausübt.