Grundeinkommen in Namibia – da geht noch was
„Was wir jetzt brauchen, ist die Umsetzung eines BIG, um den täglichen Überlebenskampf der Namibier*innen zu erleichtern, der durch die Covid-19-Pandemie noch schlimmer geworden ist. Wir können es uns nicht leisten, die Implementierung des BIG noch weiter zu verzögern,“ appelliert Rinaani Musutua unlängst in einem Zeitungsinterview.[i] Sie arbeitet für den Economic and Social Justice Trust, der den Re-Launch der Basic Income Grant (BIG) Kampagne 2020 mit ins Leben gerufen hat.[ii]
Die Regierung unter Hage Geingob hatte in der ersten Pandemiewelle im März 2020 ein Grundeinkommen für alle Arbeitslosen, die keinerlei staatliche Unterstützung bekommen, ausgezahlt, um den für drei Wochen geplanten Lockdown abzumildern. Die Debatte um ein Grundeinkommen war damit wieder eröffnet und die neue BIG-Kampagne nahm dies zum Anlass, Höhe und Universalität eines solchen BIG erneut zu diskutieren.
Im Oktober verkündete das Ministerium für Armutsbekämpfung und soziale Wohlfahrt die Einführung eines „universellen“ Grundeinkommens (BIG) für arbeitslose Namibier*innen zwischen 19 und 59 Jahren. Die BIG-Koalition hatte sich in ihrer Kampagne ebenfalls darauf verständigt, sich für ein BIG zwischen 19 und 59 Jahren stark zu machen, da bis zu einem Alter von 18 Jahren ein Kindergeld (derzeit N$ 250, 13,40 €) und ab 60 Jahren die staatliche Rente (N$ 1.100, 59 €) ausbezahlt werde. Allerdings entschied sich die BIG-Koalition vehement dagegen, das BIG auf Arbeitslose zu beschränken, da dies der Universalität widerspräche. Es würde sich dann höchstens um Arbeitslosengeld, sicher aber nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen handeln. Und dieses Arbeitslosengeld wäre auch äußerst schwierig umzusetzen, da mehr als die Hälfte der Namibier*innen informell beschäftigt ist bzw. zumindest vor der Pandemie war. Ein gerechte Zielgenauigkeit ist fast unmöglich und nachgewiesenermaßen korruptionsanfällig.
Der von der Regierung vorgeschlagene Zuschuss für Arbeitslose in Höhe von N$ 389 (20,60 €) liegt unter der namibischen Armutsquote. Die BIG Koalition schlägt dagegen ein monatliches Grundeinkommen von mindestens N$ 500 (26,40 €) vor, was etwa 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukt entspräche und damit noch deutlich unterhalb etwa des Verteidigungshaushalts läge. Da die Lebenshaltungskosten in Namibia aufgrund der Abhängigkeit von Importen hoch sind, wären N$ 1.000 angebracht. Doch dieser Betrag erschien angesichts der derzeitigen Lage noch weniger durchsetzbar.
Finanzierbar war für Namibia ein echtes bedingungsloses und universelles Grundeinkommen schon 2008, als die erste BIG-Kampagne dies mit dem Pilotprojekt in Otjivero bekannt machte.[iii] Bis heute fehlt einer Umsetzung lediglich der politische Wille. Das hat Gewerkschafter Herbert Jauch, inzwischen Vorsitzender des Economic and Social Justice Trust, schon immer betont.
Die tatsächlichen Kosten für ein BIG, so Jauch, würden nur etwa 4 Mrd. N$ betragen oder etwa 5,5 Prozent des Haushalts. Denn ein Teil der Kosten fließt über die Mehrwertsteuer zurück, da die Empfänger*innen des Zuschusses mit einem Teil Waren und Dienstleistungen kaufen werden, auf die Mehrwertsteuer erhoben wird. Man kann damit rechnen, dass etwa 10 Prozent über die Mehrwertsteuer zurückerstattet werden. Darüber hinaus zahlen etwa 300.000 Namibier*innen, die mehr als N$ 50.000 pro Jahr verdienen, über Einkommenssteuer ebenfalls einen Teil zurück.
„Die BIG wird an alle von ihnen gezahlt, kann aber durch Einkommenssteueranpassungen leicht zurückgewonnen werden. Unter der Voraussetzung, dass das Finanzministerium die Einkommenssteuerzahler*innen effizient registriert, können etwa 25-30 Prozent der BIG-Zahlung durch persönliche Einkommenssteuerzahlungen zurückgewonnen werden,“ so Jauch weiter.[iv] Außerdem könnten Gutverdienende etwas höher besteuert werden, um einen Umverteilungseffekt zugunsten Geringverdienender zu erzielen.
Sämtliche Regierungen müssen derzeit daran arbeiten, ihre Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen und zu stimulieren. Ein BIG wäre ein gutes Instrument dafür, denn bisherige Studien haben gezeigt[v], dass gerade die Befriedigung der Grundbedürfnisse sehr lokal und zeitnah erfolgt. Die Menschen nutzen etwa Taxis, sie kaufen Brot und Gemüse und bezahlen für kleine Dienstleistungen. Das kurbelt die Wirtschaft an und schafft Arbeitsplätze. Darüber hinaus werden Mittel aus dem BIG dazu verwendet, kleine Unternehmen zu gründen und sich damit ein Einkommen zu schaffen.
Es ist also an der Zeit, auch für Namibia, endlich den Schritt in die echte Umsetzung eines BIG zu wagen.
[i] https://neweralive.na/posts/govt-says-big-feasibleat-a-proposed-n389-monthly
[ii] Siehe zur neuen Kampagne https://www.kasa.de/arbeitsbereiche-der-kasa/basic-income-grant/
[iv] https://neweralive.na/posts/real-cost-of-big-only-n4-billion
[v] https://www.researchgate.net/publication/260763224_Universal_Basic_Income_-_A_New_Tool_for_Development_Policy, https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/bitstream/handle/10900/46965/pdf/Rport_2012_Is_BIG_big_enough_end.pdf?sequence=1
Zur Autorin: Simone Knapp ist Koordinatorin der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika und begleitet die BIG Kampagne in Namibia seit 2008.
Fotos: Dirk Haarmann, Simone Knapp (privat)
Hinweis der Redaktion: Hier zum Bericht 2009 über das BIG Projekt: Basic Income Grant Pilot Projekt – Forschungsbericht (bignam.org). Auf unserer Website finden sich viele Beiträge zum BIG Projekt in Namibia.
2 Kommentare
Insbesondere die Deutsche Regierung hätte Gründe diese Idee in Namibia zu unterstützen, weil ein Erfolg dieser Idee in ganz Afrika die Fluchtgründe der Afrikaner nach Europa und besonders nach Deutschland sicher stark einschränken würde, wenn man dann im eigenen Land auch besser leben kann. Der Erfolg würde besonders afrikanische Ölländer wie Nigeria zur Nachahmung zwingen.
Für Deutschland ist es eine sogar eine Pflicht der gesamten Namibianischen Bevölkerung zu Helfen, um die Schande der Herero Tragödie vergessen zu machen.
https://www.az.com.na/nachrichten/bedingungsloses-grundeinkommen-2021-03-11/
\"Windhoek (NMH/jl) - Unterstützer des bedingungslosen Grundeinkommens (BIG) in Namibia warnen Medienberichten zufolge davor, dass ohne das BIG Namibias finanzielle und soziale Probleme noch verstärkt würden. Rinaani Musuta von der BIG Vereinigung Namibia und Arbeitsexperte Herbert Jauch sprachen sich laut einer Pressemitteilung für die Einführung des Grundeinkommens aus. Obwohl Gegner die Initiative aufgrund ihrer Kosten für undurchführbar halten, gebe es mehrere realistische Möglichkeiten, ein bedingungsloses Grundeinkommen unter den momentanen Bedingungen durchzuführen.
„Man muss verstehen, dass BIG eigentlich viel weniger kostet, als es auf den ersten Blick aussieht“, erklärte Musuta. „Man darf sich nicht nur die Kosten bei der Einführung anschauen, denn die Ausgaben werden sinken.“
„Finanziell ist es durchaus möglich“, so Jauch. „Es müssten einige Verlagerungen im nationalen Haushalt vorgenommen werden, außerdem wären zusätzliche Einnahmequellen, wie eine Ressourcensteuer denkbar. Wünschenswert wäre auch ein souveräner Wohlstands-Fond, der dafür sorgt, dass die nationalen Ressourcen der gesamten Gesellschaft zugutekommen und nicht nur ein paar Individuen.\"
Wenn die Regierung willens wäre, könne das Projekt auch zur jetzigen, finanziell schwierigen Lage umgesetzt werden, so Musutu.
Durch ein bedingungsloses Grundeinkommen würde, so die Pressemitteilung, die Nahrungssicherheit in Namibia erhöht werden und würde der nationalen Wirtschaft „den lange erwünschten Schwung geben“, sowie Armut bekämpfen.\"
Ohne Anmeldung in der Firefox Leseansicht (Reader View) lesbar...